Blogpost | 01.12.2017

G20-Start in Argentinien: Zur Klimakrise kein Konsens

Blog-Beitrag von Dr. Gerrit Hansen, Dezember 2017
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„Den Konsens suchen für gerechte und nachhaltige Entwicklung“- mit diesem Leitspruch hat Argentinien am heutigen 1. Dezember die G20-Präsidentschaft von Deutschland übernommen. Die Gruppe der 20 bedeutendsten Volkswirtschaften steht für etwa 85 % der globalen Wirtschaftsleistung und zwei Drittel der Weltbevölkerung, und ist für über 80 % der fossilen CO2-Emissionen verantwortlich. Wohin diese Gruppe steuert und welche Signale sie sendet, wird für das Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele und die Umsetzung des Klimaabkommens von Paris entscheidend sein.


China hatte 2016 die Agenda 2030 als ein Leitbild in der G20 verankert und wichtige Anstöße im Bereich nachhaltige Finanzierung und grüne Investitionen gegeben. Deutschland hat während seiner Präsidentschaft die Bedeutung des Umbaus der Wirtschaft zur Treibhausgasneutralität als Motor für Wachstum und Innovation unterstrichen und erste Schritte wurden im “G20 Klima- und Energieaktionsplan für Wachstum” verabschiedet. Als Gruppe sind die G20 allerdings noch weit von einem Paris-kompatiblen Entwicklungspfad entfernt – auch jenseits der Absage der Trump-Administration an das UN-Klimaabkommen. Im klimapolitisch entscheidenden Jahr 2018 wird der G20-Gipfel in Buenos Aires am 30. November und damit nur zwei Tage vor dem nächsten Weltklimagipfel (COP 24) in Polen stattfinden. Diese Konstellation verstärkt die Signalwirkung des G20-Gipfels: Deutschland und die EU müssen mit ihren Partnern alles tun, um eine Umsetzung der Hamburger Beschlüsse voranzutreiben. Sie müssen deutlich machen: Ohne klare Ergebnisse zu Klimaschutz und zur Bewältigung der Klimafolgen kann es keinen Konsens bei G20 geben.

Ohne klare Ergebnisse zu Klimaschutz und zur Bewältigung der Klimafolgen kann es keinen Konsens bei G20 geben.

Beim G20-Gipfel in Hamburg erklärten alle G20-Mitglieder den gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel zu einer Priorität und bestärkten die kollektive Verpflichtung, Emissionen zu reduzieren. Es gab allerdings erstmals in der Geschichte der G20 einen gesonderten Abschnitt für einen Staat in der Gipfelerklärung: Während die anderen 19 G20-Mitglieder gemeinschaftlich ihre Unterstützung für das “unumkehrbare” Klimaabkommen von Paris ausdrücken, erklärt die USA ihre Absicht, Emissionen zu reduzieren und andere Länder unter anderem bei „saubererem und effizienterem Zugang zu und Nutzen von fossilen Energien“ unterstützen zu wollen. Das diesjährige Ergebnis des G20-Prozesses stellt das umfassendste Klima-Paket dar, das jemals in der G20 verabschiedet wurde – obwohl es gegen den Versuch der US-Regierung verhandelt werden musste, die fossile Lobby in Stellung zu bringen. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Ausrichtung der Klima- und Energie-Agenda nun für die argentinische Präsidentschaft unter Präsident Mauricio Macri. Ein Zurückfallen hinter das Ergebnis von Hamburg wird mit einem großen Teil der Gruppe nicht zu machen sein – gleichzeitig ist zu erwarten, dass die USA sich weiterhin gegen das Abkommen von Paris und insbesondere sämtliche Aussagen zu Klimafinanzierung sperren wird. Der entschiedene Versuch der US-Administration, “sauberere” fossile Energien als Lösung für die Klimakrise zu präsentieren, dürfte im kommenden G20-Jahr ein zentraler Streitpunkt werden.

Fossile Energieträger sind das Problem und nicht die Lösung

Für Argentinien ist die G20-Präsidentschaft eine große Chance, aber auch eine riesige Herausforderung. Nach Jahren der wirtschaftlichen Instabilität und Isolierung will die neue Regierung sich der Welt als verlässlicher Partner zeigen. Argentinien möchte zudem Mitglied der OECD werden – und ist in diesem Zusammenhang auf die Unterstützung vieler G20-Staaten angewiesen. So betonte der argentinische G20-Sherpa Pedro Villagra Delgado im Vorfeld auch stets die Absicht Argentiniens, den Konsens zu suchen und den Zusammenhalt der Gruppe zu priorisieren. Eine “19 zu 1” Botschaft wie beim G20-Gipfel in Hamburg soll unter allen Umständen vermieden werden. Eine schwierige Mission für das kleinste unter den G20-Ländern: angesichts der tiefen Gräben zwischen der Trump-Administration und dem Rest der Gruppe in Bezug auf zentrale G20-Themen wie Handelspolitik, Regulierungen zum Erhalt der Finanzmarktstabilität, Migration oder eben dem Umgang mit der globalen Klimakrise.

Bei der Ankündigung der Agenda gestern in Buenos Aires wurden als Hauptprioritäten Ernährungssicherheit, Infrastruktur als Entwicklungsmotor und die Zukunft der Arbeit genannt. Letztere beide Themen waren schon im Oktober als Schwerpunktsetzungen im sogenannten Finanzstrang bekannt geworden. Insbesondere die stärkere Einbindung des Privatsektors bei der Infrastrukturfinanzierung ist der argentinischen Präsidentschaft ein Anliegen. Hierzu ist die Entwicklung einer eigenen Anlageklasse im Gespräch. Eine neue Arbeitsgruppe zu Bildung soll die wichtige Rolle von hochwertigen und inklusiven Bildungssystemen sowie deren Finanzierung adressieren. In Zusammenarbeit mit Brasilien und Mexiko und mit Chile als Gastland, soll es beim ersten G20 in der Lateinamerika einen starken Fokus auf die gesamte Region geben.

Ernährungssicherheit, Infrastrukturentwicklung und die Zukunft der Arbeit werden Kernthemen

Hinweise zur Ausrichtung des argentinischen G20 kann zudem ein Blick auf die Schwerpunktsetzungen von Business20 und Think20 geben. In den letzten Monaten war eine ungewöhnlich enge Zusammenarbeit zwischen den sogenannten Engagement-Groups der G20 und der argentinischen Regierung zu beobachten. So hat Business20 als einzige neue Task Force eine Gruppe zu “Landwirtschaft und Zugang zu Nahrung” eingerichtet. Dies ließ eine korrespondierende Schwerpunktsetzung im offiziellen G20 Programm erwarten – und eine deutliche Prägung derselben durch die Interessen des südamerikanischen Agro-Business befürchten. Bei der zentralen Aufgabe von Infrastrukturentwicklung betonte der neue B20-Vorsitzende Daniel Funes de Rioja in seiner Rede anlässlich des Wechsels des B20-Vorsitzes am 2. November die wichtige Rolle von Transparenz und Korruptionsbekämpfung – ein Bezug zu sozialer und Umweltverträglichkeit fehlt hier ebenso wie auf der offiziellen G20-Seite. Auch die Formulierung des B20-Vorsitzenden zu Klima ist interessant: man könne “intelligente, technikbasierte Anpassung an den Klimawandel, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit” erreichen. Dabei elegant unerwähnt geblieben: Die Umsetzung des Klimaabkommens von Paris, Treibhausgasneutralität oder der Umbau der Energiesysteme.

Kein Zurück hinter Hamburg: die G20 muss die Pariser Klimaziele umsetzen

Seit dem Weltklimagipfel in Bonn ist offiziell bekannt, dass es keine Fortführung der von Deutschland begründeten, gemeinsamen Klima- und Energiearbeitsgruppe geben wird. Die Trennung beider Gruppen war offenbar insbesondere dem argentinischen Energieministerium ein Anliegen. Als Schwerpunkte für die Klimagruppe, die zweimal tagen wird, aber im Gegensatz zur „Energy Transitions“-Gruppe kein Ministertreffen abhält, sind folgende Themen genannt: Langfriststrategien zur treibhausgasarmen Entwicklung (2050-Pläne), klima-resiliente und nachhaltige Infrastrukturentwicklung und Beschäftigung im grünen Sektor, sowie Finanzierung der nationalen Klimabeiträge innerhalb der UNFCCC und der Langfriststrategien. In der „Energy Transitions“ – Gruppe will man sich mit dem Übergang zu saubereren, flexibleren und transparenteren Energiesystemen beschäftigen. Explizit genannt werden hier Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Zugang zu Energie in Lateinamerika und der Karibik, sowie transparentere Märkte. Auch der Abbau von fossilen Subventionen bleibt auf der Agenda. Damit sind viele Themen benannt, die für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens zentrale Bedeutung haben. Inwiefern aber ein Bekenntnis zu dem Abkommen und seinen Zielen in die G20-Arbeit des nächsten Jahres Eingang findet, ist nach wie vor offen. Dabei wäre die Orientierung an den Zielen von Paris zentral, weil sich daran entscheidet, wie schnell und ambitioniert die genannten Themen angegangen werden müssen. Die Regierungen, die sich dem Pariser Abkommen verpflichtet fühlen, müssen sehr deutlich machen, dass es hinter den Hamburger Konsens der 19 kein Zurück gibt. Dafür ist eine wachsame und aktive, global vernetzte Zivilgesellschaft wichtiger denn je.