Blogpost | 21.06.2024

China-Klimapolitik – diese sechs Akzente muss Habeck setzen

Habeck auf dem Weg nach Südkorea ud China

Dieser Beitrag erschien zuerst am 20. Juni 2024 bei Climate.Table und China.Table.

Ohne China ist die globale Energiewende nicht zu schaffen. Deshalb sollte Robert Habeck während seines Besuchs in Peking den klimapolitischen Beziehungen eine besondere Bedeutung geben. Sechs Vorschläge für eine Kooperation zwischen Deutschland und China zum Nutzen des Klimaschutzes.

Robert Habeck landet am Freitag zum ersten Besuch seiner Amtszeit in China. Als Klimaschutzminister ist er dort besonders gefragt. Denn China ist zweifelsohne der Schlüsselakteur für erfolgreichen globalen Klimaschutz – in mehrfacher Hinsicht:

  • Erstens wird ohne ein schnelles Sinken der chinesischen Emissionen in den kommenden fünf Jahren das Pariser Klimaziel von 1,5 Grad nicht zu halten sein.
  • Zweitens sind auch für andere Länder Emissionsreduktionen im erforderlichen Tempo ohne die chinesische Produktionskapazität für günstige Erneuerbare Energien, Batterien und E-Autos nicht zu schaffen.
  • Drittens ist es für die Stabilität und Glaubwürdigkeit der internationalen limaschutzregeln entscheidend, wie sich China in den nächsten Monaten verhält – das gilt insbesondere, falls im November Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wird. Dann dürfte das Paris-Abkommen nur überleben, wenn die EU, China und weitere Staaten wie Brasilien gemeinsam deutlich machen: Wir halten uns weiter an unsere Verpflichtungen.

Deshalb ist es höchste Zeit, dass die Bundesregierung den klimapolitischen Beziehungen zu China einen höheren Stellenwert einräumt. Wichtige Grundlagen dafür sind seit Beginn der Legislatur mit der Klimaaußenpolitik-Strategie, der China-Strategie und dem vor einem Jahr zwischen Deutschland und China vereinbarten Transformationsdialog gelegt.

Nun kommt es darauf an, eine realistische und strategische China-Klimapolitik tatsächlich umzusetzen. Leitmotiv dabei sollte „nicht-naive Kooperation“ sein.

Denn eine erstrebenswerte deutsche China-Klimapolitik umfasst zwar Kooperation in den Bereichen, in denen diese weiterhin sinnvoll und möglich ist – aber auch klar formulierte Erwartungen sowie einen anderen Umgang mit Drittstaaten.

Diversere und nachhaltige Lieferketten, Kohlestrom 

In sechs Bereichen kann Robert Habeck in den nächsten Tagen in Peking Akzente setzen: Erstens sollte er anerkennen, dass wir für die erforderliche Transformation weiter in großem Umfang Importe aus China brauchen werden, aber gleichzeitig erklären, warum Europa seine Lieferketten bei Zukunftstechnologien wie Erneuerbaren Energien oder Elektromobilität diversifizieren will. Das bedeutet auch den Aufbau eigener Fertigungskapazitäten – aber nicht die Schließung des Marktes.

Zweitens sollte er einfordern, dass die ökologischen und sozialen Bedingungen in der Lieferkette – zum Beispiel für Solarzellen – sich verbessern müssen. Weder der Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern noch die ausschließliche Nutzung von dreckigem Kohlestrom sind hierbei akzeptabel. Die deutschen und europäischen Lieferkettengesetze sind die besten Instrumente, um tatsächlich Verbesserungen in der Lieferkette zu erreichen, weil sie verbindlich für alle größeren Unternehmen gelten. Mit öffentlichen Überlegungen zum „Aussetzen“ des deutschen Gesetzes hat Habeck die Glaubwürdigkeit dieser Position nicht gestärkt. Umso wichtiger, dass er klarstellt, dass verbindliche Sorgfaltspflichten kommen werden und wie China die dafür notwendige Transparenz schaffen kann.

Drittens bleibt der hohe Anteil der Kohleverstromung das größte klimapolitische Problem in China. Hier sollte der Minister einerseits klare Erwartungen formulieren: China muss die eigene Zusage aus 2021, den Zuwachs von Kohlekraftwerken streng zu begrenzen, endlich einhalten, und darüber hinaus im nächsten Fünfjahresplan den Einstieg in den Kohleausstieg schaffen. Andererseits kann Robert Habeck verstärkten Austausch zwischen Fachleuten beider Länder anbieten.

Akteursvielfalt, Klimaziele, globale Unterstützung

Viertens kann die Zusammenarbeit mit Deutschland dazu beitragen, eine gewisse Akteursvielfalt auch in der chinesischen Klimapolitik zu stärken, über die Zentralregierung hinaus. Im Rahmen des Transformationsdialogs ist beispielsweise eine Zusammenarbeit auch mit Provinzen vorgesehen – ein sinnvoller Ansatz. Zudem sollte die deutsche Seite darauf drängen, dass in den Austausch- und Kooperationsformaten auch Fachleute aus Forschungsinstituten und Zivilgesellschaft aus beiden Ländern eingebunden werden.

Fünftens ist es keine Übertreibung, zu sagen, dass die künftige Erhitzung der Erde maßgeblich vom neuen chinesischen Klimaziel für 2035 abhängt, welches China – so wie alle Länder – spätestens im Februar 2025 bei der UN einreichen muss. Bislang deuten die Zeichen darauf hin, dass China zwar diese Frist einhalten will, aber kein angemessenes ambitioniertes Ziel plant. Dies muss in allen hochrangigen Gesprächen Thema sein – es hilft, wenn der Vizekanzler des größten EU-Mitgliedstaats die Bedeutung dieser Frage unterstreicht. Wirksam wird dies nur dann sein, wenn Habeck auch zusagen kann, dass die EU selbst möglichst früh ein ambitioniertes, am 1,5-Grad-Limit ausgerichtetes Ziel für 2035 und 2040 vorlegen wird.

Sechstens sollte Robert Habeck anbieten, dass China und Deutschland gemeinsam mehr für die Unterstützung anderer Staaten bei der Energiewende tun. Eine beschleunigte globale Energiewende kann ein Ventil für die Handelsspannungen um grüne Technologien sein. Auch wenn die EU den Anteil chinesischer Importe senken möchte, muss das keine sinkende Nachfrage für chinesische Produkte bedeuten, wenn beispielsweise Kohleländer wie Indonesien, Indien oder Südafrika ihre Energiewende beschleunigen und dabei zu großen Teilen auf Technologie aus China zurückgreifen.

Autor:innen

Martin Voss, Lutz Weischer

Zitiervorschlag

Voß, M., Weischer, L., 2024, China-Klimapolitik – diese sechs Akzente muss Habeck setzen.

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Referent für Klimadiplomatie und Kooperation – Asien/China

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In Elternzeit // Politische Leitung Berlin