Deutsche Unterstützung für Gas-Investitionen im Ausland ist in den allermeisten Fällen nicht mit Pariser Klimaschutzabkommen vereinbar
Seit 2015 arbeiten Germanwatch und NewClimate gemeinsam an Kriterien für Kompatibilität von Investitionen mit den globalen Klimaschutzzielen. Dieser Blogbeitrag fasst unsere grundlegenden Ideen zusammen und stellt dar, inwiefern eine Unterstützung von fossilen Energien im Ausland die Klimaschutzziele Deutschlands und des Pariser Abkommens gefährdet.
Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der daraus resultierenden Gasknappheit in Deutschland und der EU debattierten die Vertreter:innen der G7 bei ihrem Gipfel in Elmau im Juni 2022 über kurzfristige Möglichkeiten, ihre Energieversorgung zu sichern. Die G7 haben in Elmau ihr Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen bekräftigt. Sie haben sich jedoch auch darauf verständigt, öffentlich geförderte Gasinvestitionen als vorübergehende Maßnahme einsetzen zu können, insofern die nationalen Gegebenheiten klar definiert sind, sie mit den Klimazielen vereinbar sind und keine Lock-in-Effekte verursacht werden.
Deutschland muss nun bei möglichen zukünftigen Investitionen in fossile Energieprojekte im Ausland deutlich machen, dass und wie es die Klimaziele einhalten wird - und zwar sowohl die nationalen Klimaschutzziele Deutschlands und der EU als auch das globale 1.5°C-Ziel. Auf Grund seines Wohlstands und historischen Beitrags zum Klimawandel im globalen Vergleich hat Deutschland eine hohe Verantwortung, Entwicklungsländer dabei zu unterstützen, auf 1.5°C-kompatible Pfade zu gelangen und gleichzeitig eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Für die einzelnen Prüfschritte und -kriterien haben wir konkretere Vorschläge entwickelt (siehe PDF im Downloadbereich).
Der G7 Beschluss stellt eine vorübergehende Erweiterung der Ausnahmen dar, die von den G7 sowie zahlreichen weiteren Staaten im November 2021 im Glasgow Statement on International Public Support for the Clean Energy Transition festgeschrieben wurden. In dem Statement hatten sich die Unterzeichnerstaaten dazu verpflichtet, ab Ende 2022 keine weitere neue direkte finanzielle Unterstützung für fossile Brennstoffe im Ausland bereitzustellen – mit begrenzten Ausnahmen, die klar zu definieren sind und mit einem 1.5°C-Pfad kompatibel sein müssen. Der Hintergrund der Ausnahmen waren hier allerdings vor allem Überlegungen, dass das Ziel des umfassenden Energiezugangs für bestimmte Länder des Globalen Südens kurz- bis mittelfristig über erneuerbare Energien allein nicht zu erreichen sei.
Die in Elmau beschlossene „Erweiterung“ dieser Ausnahmen auf Umstände, die mit den Energiebedarfen der G7-Staaten begründet werden können, sowie die verstärkte Debatte speziell in Deutschland um eine Verlängerung der Atomkraft, die verstärkte Kohleverstromung, sowie die Ankündigung von Kanzler Scholz, Senegal bei der Entwicklung neuer Gasfelder zu unterstützen, rief weltweit Befürchtungen hervor, dass Deutschland, die G7 sowie die EU damit die Energiewende und die Klimaziele aufgeben oder deren Erreichung zumindest verzögern würden.
Deutsche direkte Investitionen oder indirekte Unterstützung (z.B. über sogenannte “Policy Based Operations” oder Finanzintermediäre) für die folgende Aktivitäten im Zusammenhang mit Erdgas im Ausland sind grundsätzlich nicht mit dem Pariser Klimaschutzabkommen kompatibel:
- Ausweitung der Förderung von Erdgas, z.B. Erforschung oder Erschließung neuer Gasfelder
- Neue Infrastruktur für die Weiterverarbeitung oder den Transport von Erdgas, z.B. neue Gas-Pipelines, LNG-Export-Terminals
- Aktivitäten, die die Nachfrage nach Erdgas erhöhen (auch vor dem Hintergrund, dass erneuerbare Stromerzeugung weitestgehend Kostenparität erreicht hat), z.B. neue Gaskraftwerke, die nicht in erster Linie zum Abfangen von Spitzenlast und Stabilisierung der Netzfrequenz genutzt werden, oder Gas für Kochen und Heizen, wenn erneuerbare Energien in Kombination mit Elektrifizierung stattdessen möglich sind.
Das Vereinigte Königreich hat eine Liste von Ausnahmen entwickelt, die ebenfalls zeigt, wie limitiert die Möglichkeiten für die Finanzierung von Erdgas auf internationaler Ebene sind.
Zur Prüfung der Kompatibilität mit den nationalen Klimaschutzzielen und dem Pariser Abkommen sollte Deutschland Folgendes beachten:
1. Die fallende Nachfrage nach Erdgas unter Deutschlands Klimaschutzzielen
Deutsche Importe von Erdgas werden im Vergleich zu 2020 bereits bis 2030 deutlich sinken müssen, um die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen (der Verbrauch sinkt um mindestens 10% bis 2030 gegenüber heute). Im Jahr 2045, für das Deutschland Klimaneutralität vereinbart hat, schlagen die oben verlinkten Studien vor, dass die verbleibende Gasnachfrage, die nicht durch Elektrifizierung vermieden werden kann, durch grünen Wasserstoff gedeckt werden sollte, d.h. fossiles Erdgas ist dann schon nicht mehr Teil des Energiemixes in Deutschland. Insgesamt sinkt jedoch aufgrund der hohen Elektrifizierung der Primärenergiebedarf in Deutschland, sodass Wasserstoff in geringeren Mengen benötigt wird als derzeit Erdgas.
Unter diesen Pfaden können schon kurz nach 2030 die heute existierenden Importkapazitäten die Nachfrage Deutschlands decken. Gasbeschaffungsmaßnahmen sind demnach nur temporär nötig, um den Wegfall der Importe aus Russland abzufedern, jedoch nicht langfristig.
Um die Klimaschutzziele Deutschlands nicht zu gefährden, bzw. deren Umsetzung nicht unnötig teuer zu gestalten, müssen Maßnahmen priorisiert werden, die jetzt zur Energiesicherheit beitragen, aber gleichzeitig helfen, Deutschland strukturell auf den Pfad der Klimaschutzziele zu bringen, oder diese sogar überzuerfüllen. Einige Beispiele für solche Maßnahmen sind ein weiterer, massiver Ausbau der erneuerbaren Energien, Investitionen in Bahninfrastruktur und den öffentlichen Nahverkehr, ein Fokus auf Energieeffizienz, eine Umstrukturierung der Industrie hin zu Null-Emissions-Technologien, und eine Agrarwende hin zu einem höheren Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln.
Auf der anderen Seite sind Maßnahmen zu vermeiden, die den langfristigen Zielen widersprechen bzw. diese Ziele in Gefahr bringen. Eine Überversorgung mit Erdgas könnte z.B. den Ausbau erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz verlangsamen, da es kein eindeutiges Preissignal für Maßnahmen in diesem Bereich gäbe. Beim Ausbau der Importkapazität muss unbedingt der zeitlich begrenzte Rahmen beachtet werden, d.h. die zusätzlichen Komponenten müssen entweder bald wieder zurückgebaut werden oder andere Kapazitäten ersetzen. Langfristige Lieferverträge sind zu vermeiden. Die Änderung der Nutzung von Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff mag in Einzelfällen eine Möglichkeit sein, die technische und ökonomische Machbarkeit dieser Änderung sollte aber in jedem Fall konkret nachgewiesen werden - sowie auch die Notwendigkeit des Transports über diese Infrastruktur, die sich aus Nachfrage und Angebot ergibt.
2. Begrenzung der globalen Produktion von Erdgas unter 1.5°C im globalen Kontext
Laut IPCC müssen globale CO2 Emissionen bis 2050 auf netto-null fallen, um den Temperaturanstieg auf 1.5°C zu begrenzen. Dies bedeutet, dass Erdgas spätestens 2040 den Strommix verlässt und der globale Verbrauch von Erdgas insgesamt deutlich fällt, konkret auf weniger als die Hälfte des derzeitigen Verbrauchs bis zum Jahr 2050. Die Internationale Energieagentur (IEA) schließt daraus, dass keine Investitionen in neue fossile Energieversorgungsinfrastruktur benötigt werden. Das heißt, dass jegliche Investitionen in Erdgasförderung entweder die 1.5°C Grenze gefährden oder zu verlorenen Vermögenswerten werden.
Berichte, die einen 1.5°C-kompatiblen Energiesektor auf regionaler Ebene modellieren, sind rar. Für Afrika ist uns zum Beispiel derzeit kein Bericht bekannt, der den 1.5°C Pfaden folgt. Der IEA Africa Energy Outlook von 2022 mit einem “Sustainable Africa Scenario” spiegelt Ziele zur nachhaltigen Entwicklung sowie nationale Klimaschutzziele wider. Die nationalen Klimaschutzziele schießen jedoch in Summe über die Temperaturgrenze hinaus.
In allen Ländern müssen anstelle von fossilen Energien massiv Erneuerbare ausgebaut werden. Diese können insbesondere in Entwicklungsländern neben einer nachhaltigen und sicheren Energieversorgung weitere Vorteile bringen, die direkt der Bevölkerung der Länder zu Gute kommen, während die Förderung von fossilen Rohstoffen oft von ausländischen Unternehmen umgesetzt wird und dazu führt, dass Gewinne aus dem Land abfließen, ohne dass die Bevölkerung profitiert.
Jedes Land entscheidet eigenständig über die Vermarktung der eigenen fossilen Ressourcen. Deutsche Klimafinanzierung, Entwicklungszusammenarbeit und Steuergelder für fossile Zwecke zu nutzen, widerspricht allerdings dem Pariser Klimaschutzabkommen. Um Klimafinanzierung und andere Arten der Entwicklungszusammenarbeit effektiv und transformativ zu gestalten, sollte Deutschland sich im Energiesektor auf erneuerbare Energien sowie unterstützende Infrastruktur und politische Mechanismen konzentrieren. Andere Länder schauen darauf, welche Kriterien Deutschland zugrunde legt. Die Tragweite ihrer Entscheidung sollte der Bundesregierung bewusst sein.
Autor:innenHanna Fekete, Aki Kachi (NewClimate Institute) und Anja Gebel (Germanwatch) |