„Auch im Donbass weht der Wind stark genug“



„Auch im Donbass weht der Wind stark genug“

Deutschland und die Ukraine haben vor kurzem eine Energiepartnerschaft unterzeichnet. Strukturwandel von Kohleregionen ist dabei ein zentrales Thema. Germanwatch unterstützt seit 2017 die Kohlestädte im Krisengebiet Donbass (Ukraine) dabei, Alternativen zur Kohle zu entwickeln. An diesem Projekt sind auch Bürgermeisterin Liudmilla Biletska und NGO-Aktivist Vladimir Oros beteiligt. Mit Martin Schön-Chanishvili tauschten sie sich aus über die Situation vor Ort und ihre Hoffnungen an die deutsch-ukrainische Initiative.

Was sind aus Ihrer Sicht heute die wichtigsten Herausforderungen in den ukrainischen Kohlestädten des Donbass?

In unserer Stadt Novohorodivka sind die Kohleunternehmen wirtschaftlich nicht mehr stabil. Gleichzeitig fehlen alternative Arbeitsplätze in anderen Wirtschaftszweigen und die Menschen verlieren den Glauben an eine Perspektive. Deshalb verlassen gerade viele junge Leute die Stadt.

Liudmila Biletska

Offen gesagt fehlt in unseren Städten die Transparenz politischer Entscheidungen vor Ort, hier muss noch viel passieren. Und es fehlen qualifizierte Fachleute an allen Ecken. Kohle ist nach wie vor ein zentraler Energieträger im Land, Erneuerbare gewinnen an Bedeutung, aber nicht schnell genug.

Vladimir Oros

Welche Möglichkeiten sehen Sie bereits heute?

Unsere Kohlestädte haben viel energetisches Potenzial: Grubenwasser kann zum Heizen genutzt werden, auch für Gewächshäuser in der Landwirtschaft. Wir können Abwärme und Biogas für die Wärmegewinnung nutzen. Auch der Wind weht in unserer Gegend stark genug, um profitabel Strom zu gewinnen.

Vladimir Oros

Heute verbrennen die meisten Einwohner*innen und Unternehmen in unserer Stadt Kohle, um zu heizen. Im letzten Jahr 20.000 Tonnen. Biomasse wäre eine sehr gute Alternative – eine spezialisierte Fabrik könnte Heizbriketts aus Pflanzen und landwirtschaftlichen Abfällen herstellen. Dadurch würden auch Freiflächen begrünt. Wir haben auch bereits das Potenzial von Photovoltaik-Anlagen auf privaten Wohngebäuden analysiert. Allerdings könnten wir schneller und mehr Energie und CO2 einsparen, wenn die Gebäude zuerst energetisch saniert würden. Deshalb ist Wärmedämmung eine Priorität für uns. Hier gibt es gute Kofinanzierung durch den von internationalen Gebern geförderten Fonds für Energieeffizienz.

Liudmila Biletska

Der Strukturwandel in Deutschland war und ist ein schwieriger Prozess für die lokale Bevölkerung, ihre Identität und Lebensperspektiven. Welche konkreten Projekte in Deutschland oder anderen europäischen Ländern fanden Sie interessant

Der Energiepark in Saerbeck befindet sich auf einem ehemaligen Kasernengelände. Die Energie wird aus Wind, Sonne und Biomasse gewonnen und versorgt 19.000 Haushalte. Uns hat hier besonders beeindruckt, dass die Menschen aus der Gemeinde sich persönlich für die Projekte engagieren und sie im Wesentlichen finanzieren! Für Brachflächen in unserer Stadt wäre so etwas eine gute Lösung, eine Beteiligung der lokalen Bevölkerung wäre ein großartiger Schritt.

Liudmila Biletska

Mich hat besonders ein Projekt in Dortmund begeistert, wo die Stadt ein ehemaliges Stahlwerk in ein edles Wohngebiet mit See verwandelt hat. Ich glaube, die Menschen in unseren Städten wären viel leichter zu überzeugen, wenn bei uns vor Ort solche inspirierenden Projekte umgesetzt würden.

Vladimir Oros

 


Germanwatch setzt das Projekt „Eine Multiakteurspartnerschaft für den Strukturwandel im Donbass“ mit seinen Partnern Ecoaction und Alternatyva um. Es wird gefördert von Engagement Global aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.