Blogpost | 15.04.2019

"Green Finance" trotz Brexit

Das Jahr 2019 ist entscheidend für die zukünftige Klimapolitik in Deutschland und Europa. Das Finanzwesen und seine Hebelwirkung über alle Sektoren hinweg spielt eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel und für nachhaltiges Wirtschaften. Deutschland kann dabei im Bereich Green Finance von Vorreiterländern lernen. Sieben internationale AutorInnen erklären in den folgenden Wochen daher den Ansatz ihres Landes, den Finanzmarkt grüner zu gestalten und gehen dabei auf Chancen, Hürden und unbeantwortete Fragen ein.

In Großbritannien hat ein "grüneres" Finanzwesen selbst in den unruhigen Zeiten des Brexit hohe Priorität. Doch um glaubhaft zu sein, muss eine neue Strategie Greenwashing vermeiden und der Zivilgesellschaft mehr Gehör verschaffen.


Die britische Regierung wird ihre erste "Green Finance Strategy" in diesem Frühjahr vorstellen. Sie birgt große Chancen, das Finanzsystem Großbritanniens grüner zu gestalten. Doch der Weg von der ursprünglichen Initiative zur verbindlichen Strategie war alles andere als einfach.

Den Beginn des Weges markiert die Gründung der Green Finance Initiative (GFI) im Januar 2016 durch die City of London Corporation, der Verwaltung des Londoner Finanzdistrikts.

Der Finanzexperte und frühere Bezirksbürgermeister Roger Gifford leitet die Initiative, ihre Mitglieder kommen aus der City of London. Seit der Gründung der Initiative ist die Zahl der Mitglieder beträchtlich angestiegen. Sie treffen sich regelmäßig, um über ein nachhaltiges Finanzwesen zu diskutieren.

Die Initiative hat erreicht, dass die britische Wirtschafts- und Energieminsterin Claire Perry im September 2017 die Green Finance Taskforce (GFT) ins Leben rief. Diese wird ebenfalls von Roger Gifford geleitet.

Die Aufgabe der Taskforce: Führungskräfte aus dem Finanzwesen zusammenzubringen, um Handlungsempfehlungen für die britische Regierung zu erarbeiten, wie nachhaltige Wachstumschancen für heimische Unternehmen geschaffen und das Finanzsystem grüner gestaltet werden kann.

Die Londoner Denkfabrik E3G fungierte dabei zusammen mit der Investoreninitiative Principles for Responsible Investment und der City of London als Ko-Sekretariat.

Schon nach sechs Monaten, im März 2018, veröffentlichte die Taskforce ihre Handlungsempfehlungen – eine ungewöhnlich knapp bemessene Zeitspanne für ein so anspruchsvolles Vorhaben. Die Taskforce konnte dabei von einem hoch motivierten und dynamischen Team profitierten.

Zu den Zielen gehören auch internationale Standards 

Allerdings war die Zivilgesellschaft in der Taskforce nur schwach vertreten. Dennoch fand ihr Report breite Beachtung im gesamten grünen Finanzsektor. Einige der Handlungsempfehlungen sind auch bereits in die Tat umgesetzt worden.

Erwartet wird auch, dass die Empfehlungen in der für dieses Frühjahr angekündigten staatlichen "Green Finance Strategy" umfassend berücksichtigt werden.

Im Juli soll zudem ein neu geschaffenes "Green Finance Institute" die Arbeit aufnehmen. Dieses neue Institut wird von der City of London geleitet und soll eine der wichtigsten ausführenden Organisationen sein, die die Handlungsempfehlungen der Taskforce umsetzen.

Das Institut soll auch die Arbeit an internationalen Standards voranbringen und dabei mit China, Indien und Brasilien zusammenarbeiten.

Zudem sollen Empfehlungen der internationalen Taskforce on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) umgesetzt werden. Diese Expertenkommission wurde gleich nach der Pariser Klimakonferenz 2015 auf Initiative der G20-Staaten gegründet, und zwar von Mark Carney, dem Gouverneur der Bank of England und Vorsitzenden des internationalen Finanzstabilitätsrates.

Chef der TCFD ist der Unternehmer und frühere New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg. Ziel des Gremiums ist mehr Transparenz bei der Offenlegung klimabezogener Finanzrisiken von Unternehmen.

E3G ist die einzige zivilgesellschaftliche Stimme in dem Beirat und hat damit die große Verantwortung, der Zivilgesellschafft den Zugang zu dieser Debatte zu ermöglichen.

Die Zivilgesellschaft ist unterrepräsentiert

Die Green-Finance-Strategie, deren Veröffentlichung bevorsteht, wird skizzieren, mit welchen konkreten Schritten die Regierung Investitionen für eine nachhaltige Wirtschaft mobilisieren möchte. Der Konsultationsprozess mit den wichtigsten Beteiligten verlief bislang eher zurückhaltend.

Die Vorschläge der Regierung müssen – trotz Brexit – mit dem Aktionsplan der EU für ein nachhaltiges Finanzwesen übereinstimmen, den die EU-Kommission vor gut einem Jahr vorgestellt hat. Darüber hinaus müssen sie anspruchsvoll sein, wenn Großbritannien seine Position als führendes grünes Finanzzentrum festigen will.

Fest steht, dass die bisherigen Bemühungen, das Finanzsystem Großbritanniens grüner zu machen, nicht ausreichen. Um erfolgreich zu sein, muss die Langzeitvision der Regierung klarere Formen annehmen.

Vom Brexit ausgelöste Änderungen könnten Auswirkungen auf Green Finance haben. Immerhin ist die Klimapolitik ein Schwerpunkt der konservativen Regierung, etwa durch die im Oktober 2017 vorgelegte Clean Growth Strategy, die Strategie für sauberes Wachstum. Jedoch gibt es weiterhin offene Fragen, was Großbritanniens Subventionen für fossile Energieträger angeht.

Interessant ist, dass Green Finance trotz des bevorstehenden Brexits weiterhin zu den Prioritäten für Großbritannien gehört. Das Land sieht darin eine Absicherung, die sowohl für Inlandsinvestitionen in grüne Infrastruktur sorgt als auch Handelsmöglichkeiten bietet.

So halten Energieministerin Perry wie auch Premierministerin Theresa May am Vorrang für Green Finance fest. May hat daraus eines der wenigen Klimathemen gemacht, das sie persönlich unterstützt. Sie sieht darin das Potenzial, grünes Wachstum anzutreiben und Großbritanniens Wirtschaft nach dem Brexit zu stärken.

Neue Strategie muss Greenwashing vermeiden

Derweil tritt der Brexit in seine riskanteste Phase ein. Damit steigt der Druck auf die britische Verwaltung, was die Kapazitäten für eine Umsetzung der Strategie verringert.

Die Zivilgesellschaft ist bei den Prozessen zur Festlegung grüner Standards immer noch unterrepräsentiert. Werden die Kriterien verwässert, können Marktrisiken entstehen. Die zukünftige Angleichung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich spielt trotz ihrer Dringlichkeit kaum eine Rolle.

Alle diese Herausforderungen sind zu bewältigen. Es ist notwendig, den Druck auf die Regierung aufrechtzuerhalten, indem die Nachfrage nach Green Finance im gesamten Finanzsektor verdeutlicht wird.

Um glaubhaft zu sein, muss eine neue Strategie Greenwashing vermeiden und der Zivilgesellschaft Gehör verschaffen. Unterstützende Stimmen müssen zu der Strategie für ein grünes Finanzwesen 2019 beitragen – und dies muss ihnen auch möglich gemacht werden.

 

George Triggs

George Triggs ist Politikberater und arbeitet beim Londoner Thinktank E3G im Projekt UK Green Finance. Zudem ist er für das Expertengremium Green Finance Taskforce tätig, das Lösungen für die Finanzindustrie entwickelt, um die "Clean Growth Strategy" der britischen Regierung zu unterstützen.
www.e3g.org/people/george-triggs

Helena Wright

Helena Wright ist Politikberaterin bei E3G und leitet dort die Aktivitäten zu internationalen Finanzinstitutionen.
www.e3g.org/people/helena-wright

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Mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Mercator. Für den Inhalt tragen die AutorInnen und Germanwatch die Verantwortung.

Der Blogbeitrag ist zuerst erschienen bei www.klimareporter.de.

 

Autor:innen

George Triggs und Dr. Helena Wright