Kungelei in der WTO: "Geheimclub" verabredet neues Investitionsabkommen.
Pressemitteilung
Berlin, 20.06.2003. Am 21.-22. Juni treffen sich 27 exklusiv geladene Mitgliedsstaaten der WTO (die EU zählt als ein Mitglied) in Sharm el-Sheikh, Ägypten. Auf der Agenda des Mini-Ministertreffens stehen neben Marktzugang, TRIPs und Sonder- und Vorzugsbehandlung für Entwicklungsländer die von den Entwicklungsländern vehement abgelehnten "Singapur-Themen" (darunter ein neues multilaterales Investitionsabkommen). Germanwatch kritisiert sowohl das Treffen an sich als einen 'undemokratischen Geheimclub' als auch die Verhandlung des heftig umstrittenen, neuen Themas "Investitionsabkommen".
"Unter Ausschluß der Mehrheit der Mitglieder der WTO sollen Vorentscheidungen getroffen werden, die hinterher vom Rest kaum noch gekippt werden können", kritisiert Rudolf Buntzel, Vorstandsmitglied von Germanwatch. Dies war bereits bei der Mini-Ministerkonferenz in Singapur der Fall, die direkt vor der Ministerkonferenz der WTO in Doha (2001) stattfand. Die Beschlüsse in Singapur waren schlussendlich den in Doha Verabredeten nicht sehr unähnlich. Das gleiche Szenario spielt sich jetzt, kurz vor der Cancúner Ministerkonferenz, in Sharm el-Sheikh ab.
Besonders delikat ist die Verhandlung der sog. Singapur-Themen (Investitionen, öffentliches Beschaffungswesen, Handelserleichterung, Wettbewerb) für die Entwicklungsländer. Sie haben bisher die Aufnahme von diesen Verhandlungen vehement abgelehnt. Die Europäische Union jedoch kämpft mit allen Mitteln in der ersten Reihe, um diese Ablehnungsfront zu brechen. Ein multilaterales Investitionsabkommen (MAI) in der WTO richtet sich komplett gegen die Interessen der Entwicklungsländer. "Mit einem multilateralen Investitionsabkommen spricht die EU den Entwicklungsländern die Inanspruchnahme von Regulierungsmaßnahmen ab, die wesentlich für die Entwicklung ihrer eigenen Mitgliedsstaaten war", urteilt Marita Wiggerthale, Handelsreferentin bei Germanwatch. Darüber hinaus sei ein MAI in der WTO vollkommen unausgewogen, weil es einseitig Investorenrechte festlege, ohne Investorenpflichten (Respektierung von Menschenrechten, Kernarbeitsnormen, Umweltschutz etc) miteinzuschließen. Wiggerthale: "Die Mini-Minsterkonferenzen zeigen: Immer wenn der Verhandlungsdruck steigt, läßt die WTO ihren Flaschengeist frei, der Demokratie und Transparenz über Bord wirft."
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Teilnehmende Länder: Australien, Bangladesh, Brasilien, Kanada, Chile, China, Costa Rica, Ägypten, Europäische Union, Hong Kong, Indien, Indonesien, Japan, Jordanien, Kenia, Lesotho, Malaysia, Mexiko, Marokko, Neuseeland, Nigeria, Senegal, Singapur, Südafrika, Schweiz, Thailand, USA.
Teilnehmende Industrieländer: 70% der OECD-Staaten
Bangladesh = Sprecher der am wenigsten entwickelten Länder (ohne Verhandlungsmandat in Ägypten)
Marokko = Sprecher der Afrikanischen Gruppe (ohne Verhandlungsmandat in Ägypten)
Nächste Mini-Ministerkonferenz vor Cancún: vorgesehen im Juli 2003 in Kanada.
Bei Anfragen und Interviewwünschen wenden Sie sich bitte an: Marita Wiggerthale, Germanwatch, Tel: 030-28 88 35 63, Mobil: 0162/ 138 63 21, wiggerthale@germanwatch.org