"Absacken von Kleinbauern in Armut und Hunger verhindern"
Pressemitteilung
Düsseldorf, den 17.10.2006. Bei der Konferenz "Die Zukunft des Zuckers" im nordrhein-westfälischen Landtag hat die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch Maßnahmen gefordert, die vor allem die Verluste von Bauern der ärmsten Entwicklungsländer durch die EU-Zuckermarktreform ausgleichen. Germanwatch-Vorstand Tobias Reichert sagte: "Die im Juli 2006 in Kraft getretene Reform der EU-Zuckermarktordnung ist weder entwicklungspolitisch noch aus Sicht der ländlichen Entwicklung in der EU akzeptabel. Jetzt stehen drei Aufgaben zur Umsetzung an: eine angemessene Entschädigung für die Länder und Akteure, die es am Nötigsten haben, eine gerechte und effektive Verteilung der noch bestehenden Vorteile aus der Zuckermarktordnung und die Entwicklung neuer Perspektiven, darunter die Förderung von Sozial- und Umweltstandards."
Die wichtigsten Forderungen des neuen Germanwatch-Positionspapiers zur EU-Zuckermarktordnung sind:
1. Die Einnahmeausfälle der AKP-Staaten* sollen in ähnlichem Umfang ausgeglichen werden wie die Verluste der Landwirte in der EU - also zu etwa 60 Prozent. Bisher sind nur 10 Prozent vorgesehen, was gerade für viele Kleinbauernfamilien in diesen Ländern ein Absacken in Armut und Hunger bedeuten würde.
2. Die EU sollte die Subvention von Zuckerexporten auch dann beenden, wenn die WTO-Verhandlungen scheitern. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Agrarmärkte in den sogenannten Entwicklungsländern.
3. In Biokraftstoffe werden derzeit große Hoffnungen gesetzt. Es gibt jedoch noch viele offene Fragen. Eine Gefahr ist die zunehmende Flächenkonkurrenz zu Nahrungsmitteln. Um zu klären, ob tatsächlich positive Effekte für Entwicklungsländer zu erwarten sind, müssen erst umfassende Forschungen und Länderstudien durchgeführt werden.
Keeper Gumbo, Vertreter einer Zuckergewerkschaft aus Malawi, erläuterte die Auswirkungen der Zuckermarktordnung auf das Land: "Der Anbau von Zuckerrohr ist in Malawi eine Möglichkeit zur Armutsbekämpfung. Aber durch die EU-Zuckermarktreform sind unsere Einnahmen drastisch gesunken. Wir brauchen Ausgleichszahlungen und Anpassungshilfen."
Auf der Konferenz "Die Zukunft des Zuckers - Optionen für eine entwicklungspolitisch, sozial und ökologisch nachhaltige Zuckerpolitik" diskutierten auf Einladung von Germanwatch über 50 Fachleute, Politiker und Wissenschaftler über die Reform der EU-Zuckermarktordnung, deren Folgen für Zuckerbauern in Europa und den Ländern des Südens und darüber, wie die Zuckerpolitik sozial und ökologisch nachhaltig gestaltet werden kann.
Die Tagung fand zum Abschluss eines Germanwatch-Dialogprojekts zur Reform der EU-Zuckermarktordnung statt. Nach anderthalb Jahren intensiver Diskussionen zwischen Fachleuten aus Deutschland, der EU und aus den Entwicklungsländern entstanden in dem Projekt Handlungsempfehlungen für die Entwicklungspolitik, für die Zuckerrübenbauern in NRW und zur Frage, ob Ethanol aus Zuckerrohr ein Ersatz für herkömmliche Kraftstoffe sein kann.
"Der Dialog war sehr offen und konstruktiv, wir sind hoch zufrieden", zog Projektleiterin Kerstin Lanje von Germanwatch Bilanz. "Gerechtigkeitsfragen und die Solidarität mit den Menschen in Entwicklungsländern wurden ebenso angesprochen wie die negativen Folgen unseres Konsumverhalten. Es wurde deutlich, dass nachhaltige Lösungen für das Thema Zuckerpolitik nur mit allen Akteuren gemeinsam entwickelt werden können."
An den regelmäßigen Dialogrunden nahmen Botschafter von Entwicklungsländern, Vertreter von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, Rüben- und Zuckerrohrbauern, Vertreter der Zuckerindustrie, Gewerkschafter, Umwelt- und Agrarwissenschaftler, Mitglieder von Landes- und Bundesregierung sowie aus Landes-, Bundes- und EU-Politik teil. Während des Projektes wurden mehrere Studien erstellt, die alle kostenlos im Internet abrufbar sind. Das Projekt wurde von der Nordrhein-Westfälischen Stiftung für Umwelt und Entwicklung finanziert.
>> Positionspapier, Studien und weitere Informationen zum Thema Zucker
Kontakt für Interviews:
- Kerstin Lanje, Germanwatch-Projektleiterin, 0228 / 60492-15, lanje@germanwatch.org
- Tobias Reichert, Vorstand Germanwatch, 0178 - 212 58 03, reichert@germanwatch.org
*AKP-Staaten: Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks, die Handelspräferenzen für die EU haben