Pressemitteilung | 07.06.2017

Zivilgesellschaft fordert Nachbesserungen bei Verordnung zu Konfliktmineralien

EU-Verordnung tritt morgen in Kraft
Bild: Pressemitteilung ohne Schriftzug

Berlin (7. Juni 2017). Fast vier Jahre nach der politischen Ankündigung durch den damaligen EU-Handelsminister Karel de Gucht tritt am morgigen Donnerstag die Konfliktmineralien-Regulierung der Europäischen Union (EU) in Kraft. Erstmals wird somit in Europa die unternehmerische Sorgfaltspflicht im Rohstoffsektor gesetzlich verankert. Das bedeutet, dass europäische Unternehmen verpflichtet werden, Verantwortung für ihre Rohstofflieferketten zu übernehmen und Maßnahmen zu ergreifen, die eine Konfliktfinanzierung oder Menschenrechtsverletzungen unterbinden. Ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisation, darunter auch Germanwatch, begrüßt die Verordnung, kritisiert jedoch, dass sie nur vier Rohstoffe betrifft, bei vielen Unternehmen nicht greift und die Berichterstattung erst ab 2021 verpflichtend ist.

„Nach langer und zäher Verhandlung der EU-Gesetzgeber soll die Verordnung nun gewährleisten, dass der Import von Rohstoffen in die EU keine Konflikte oder Menschenrechtsverletzungen finanziert“, erklärt Michael Reckordt, Koordinator des bundesweiten Netzwerks AK Rohstoffe. „Leider nimmt die Verordnung den Großteil der verarbeitenden Industrie, der diese Rohstoffe in beispielsweise in Autos, Laptops oder Küchengeräten nutzt, nicht in die Pflicht“, so Reckordt weiter.

„Diese Verordnung hat noch zu viele Schlupflöcher“, beklagt auch Anna Backmann, Kampagnen-Referentin Rohstoffe der Christlichen Initiative Romero. „Sie greift zum Beispiel erst ab einer bestimmten Mindestmenge, bei Gold erst ab 100 Kilogramm. Das heißt, Rohstoffe im Wert von mehreren Millionen Euro können ohne genauere Prüfung in die EU gelangen.“

Unternehmen müssen laut der Verordnung aufgrund einer langwierigen Übergangsphase erst zum 1. Januar 2021 über ihre Sorgfaltspflicht berichten. „Bis zum Jahr 2021 dürfen sich Unternehmen aber nicht ausruhen“, fordert daher Dr. Bernd Bornhorst, Abteilungsleiter Politik und globale Zukunftsfragen bei Misereor. „Auch sollte die Bundesregierung in Kooperation mit der EU möglichst bald Begleitmaßnahmen für die betroffenen Regionen umsetzen“, so Bornhorst weiter.

„Die EU-Verordnung ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, greift aber in dieser Form eindeutig zu kurz: Sie betrifft nur vier Rohstoffe - konkret Zinn, Tantal, Wolfram und Gold. Unberücksichtigt bleiben zahlreiche Rohstoffe der Zukunft wie Lithium oder auch Kobalt, das beispielsweise zu großen Teilen in der politisch instabilen Demokratischen Republik Kongo abgebaut wird. Wenn der Gesetzgeber hier nicht nachbessert, läuft in solchen Fällen ein prinzipiell gutgemeinter Ansatz ins Leere“, sagte Lili Fuhr, Referentin für Internationale Umweltpolitik in der Heinrich-Böll-Stiftung.

„Die Bundesregierung verfolgt seit dem Jahr 2012 das Ziel, die Entnahme und Nutzung natürlicher Ressourcen nachhaltiger zu gestalten. Deutschland sieht sich dabei in der  globalen Verantwortung und richtet die nationale Ressourcenpolitik daran aus. Deshalb müssen Unternehmen weniger Rohstoffe verbrauchen und transparenter Bericht erstatten. Die bislang beschlossenen ordnungs- und finanzpolitischen Maßnahmen verpflichten dazu nur unzureichend. Hier muss nachgebessert werden, um einen fairen Wettbewerb zu garantieren und den selbst gestellten Ansprüchen tatsächlich nachzukommen“, sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Hintergrund

Das Europäische Parlament stimmte am 16. März 2017 für die Konfliktmineralien-Verordnung, der Rat der Europäischen Union am 3. April 2017. Am 19. Mai 2017 wurde die Verordnung im offiziellen Amtsblatt veröffentlicht. Sie tritt am 8. Juni 2017, 20 Tage später, in Kraft.

Die Verordnung betrifft Unternehmen, die Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold (als Erz oder Metall) in die EU importieren und dabei spezifische jährliche Schwellenwerte überschreiten. Das Gesetz verpflichtet die Unternehmen dazu, Sorgfaltspflichten bezüglich ihrer Lieferkette wahrzunehmen. Diese Sorgfaltspflichten stimmen weitestgehend überein mit den Anforderungen der „Due Diligence Guidance for Responsible Mineral Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Im Gegensatz zu der EU-Verordnung gelten diese OECD-Leitlinien für alle mineralischen Rohstoffe und für die gesamte Lieferkette, einschließlich der Unternehmen von der Schmelze bis zum fertigen Produkt, sind aber nicht rechtlich bindend.

Sorgfaltspflichten in der Rohstofflieferkette wollen den Bezug von Rohstoffen aus fragilen und Hochrisiko-Gebieten nicht verbieten. Stattdessen ist ihr Ziel, einen verantwortungsbewussteren und transparenteren Handel mit diesen Regionen anzuregen und zu fördern. Auch wenn die Verordnung halbherzig erscheint, ist sie ein erster Schritt in Richtung eines verantwortungsbewussteren Handels mit Rohstoffen.

Die EU ist ein bedeutender Markt sowohl für unverarbeitete Rohstoffe, als auch für jene Alltagsprodukte, die diese enthalten: von Laptops und Smartphones über Motoren bis hin zu Schmuck. Die EU-Verordnung deckt Importe der Rohstoffe Zinn, Wolfram, Tantal und Gold aus allen Staaten der Welt ab. Sie ist damit das erste verbindliche Gesetz, das einen globalen Geltungsanspruch hat. Aber während die freiwillige OECD-Richtlinie verlangt, dass die gesamte Lieferkette einem Prozess der Sorgfaltspflicht unterliegt, wird die verbindliche Vorschrift der EU nur einen kleinen Teil der Lieferkette abdecken. Das Europäische Parlament hatte 2015 zunächst einen ambitionierteren, umfassenderen Vorschlag gemacht.

Der Arbeitskreis Rohstoffe
 

Der Arbeitskreis (AK) Rohstoffe ist ein Netzwerk deutscher Nichtregierungsorganisationen, die sich für Menschenrechte, soziale Standards und Umweltschutz einsetzen. Seit 2008 tauschen sich Entwicklungs-, Menschenrechts- und Umweltorganisationen regelmäßig aus und diskutieren angesichts der negativen Auswirkungen des Rohstoffabbaus über Ansätze einer zukunftsfähigen Rohstoffpolitik. Seit Mai 2013 gibt es ein Koordinationsbüro in Berlin.

Diese Pressemitteilung wird unterstützt von:

Christliche Initiative Romero (CIR)

Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile / Lateinamerika (FDCL)

Germanwatch

Heinrich-Böll-Stiftung

MISEREOR

Naturschutzbund (NABU)

Ökumenisches Netzwerk Zentralafrika (ÖNZ)

PowerShift

WEED – World Economy, Ecology & Development