Neue Energie für Afrika: Die Africa Renewable Energy Initiative
Beim Klimagipfel in Paris im vergangenen Dezember wurde nicht nur ein neues globales Abkommen verabschiedet, sondern auch eine Reihe von Initiativen gestartet, die kurzfristig und konkret zu mehr Klimaschutz beitragen sollen. Besonders interessant ist die Africa Renewable Energy Initiative (AREI), die auch von Deutschland unterstützt wird. Diese verfolgt langfristig das Ziel, allen AfrikanerInnen den Zugang zu moderner und nachhaltiger Energie zu ermöglichen und wirtschaftliche Entwicklung in den afrikanischen Staaten auf Grundlage erneuerbarer Energien zu fördern. Wenn in wenigen Wochen der nächste UN-Klimagipfel in Marokko – einem der Vorreiterländer für erneuerbare Energien auf dem afrikanischen Kontinent – beginnt, dann wird diese Initiative wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. In diesem Blogbeitrag geben wir einen kurzen Überblick zum Diskussionsstand rund um die Initiative und erneuerbare Energien in Afrika.
Die Initiative geht ein Thema an, das für eine globale gerechte nachhaltige Entwicklung entscheidend ist. Denn die Bevölkerung des afrikanischen Kontinents leidet an Energiearmut. Über 620 Millionen Afrikaner haben überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität und müssen zum Kochen und Heizen auf traditionelle Biomasse, also Brennholz und Holzkohle, zurückgreifen. Ganz Afrika verfügt mit ca. 160 Gigawatt (GW) an installierter Leistung über weniger Kraftwerkskapazitäten als Deutschland allein. Die Unterversorgung mit Strom behindert auch die wirtschaftliche Entwicklung. Firmen müssen zur Stromerzeugung oft auf teure Ölgeneratoren zurückgreifen und Stromausfälle erschweren die Planung. Zurzeit wird der afrikanische Strommix insgesamt noch stark von fossilen Energieträgern dominiert. Doch die Investitionen in Erneuerbare Energien haben in den letzten Jahren stark zugenommen und viele afrikanische Länder besitzen bereits ehrgeizige Ausbauziele für Erneuerbare Energien sowie Gesetze, die das Erreichen dieser Ziele möglich machen. Außerdem gibt es bereits eine Reihe von politischen Initiativen und Programmen, die sich die Förderung von Erneuerbaren Energien zum Ziel gesetzt haben1. Dazu gehören zum Beispiel die 2010 gestartete UN-Initiative „Sustainable Energy for All“ (SE4ALL) oder die „African Clean Energy Corridor“-Initiative unter Federführung der Internationale Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA). Auch die „Africa-EU Energy Partnership“ (AEEP) und viele weiter Programme einzelner Geber legen einen Schwerpunkt auf die Erneuerbaren.
Was unterscheidet AREI von diesen Initiativen? Warum eine weitere Initiative?
AREI ist anders – in dreifacher Hinsicht. Erstens wurde AREI im Gegensatz zu anderen Initiativen und Programmen von AfrikanerInnen entwickelt und wird von afrikanischen Institutionen geleitet. AREI steht unter einem Mandat der Afrikanischen Union (AU). Der Verwaltungsrat (eng. Governing Board) setzt sich aus Vertretern verschiedener afrikanischer Institutionen, wie z.B. CAHOSCC (Committee of African Heads of State and Governments on Climate Change), AMCEN (African Ministerial Conference on the Environment) und der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB), zusammen. Damit wird eine bessere Verankerung und Verknüpfung mit afrikanischen Politikprioritäten erreicht.
Zweitens ist AREI ehrgeiziger als viele bestehende Programme. AREI hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, 300 GW an zusätzlichen Erneuerbaren-Energien-Kraftwerkskapazitäten bis zum Jahr 2030 errichten zu wollen. In der Anfangsphase bis 2020 sollen es mindestens 10 GW sein. Dadurch soll der universelle Zugang zu ausreichend sauberer, angemessener und bezahlbarer Energie für alle AfrikanerInnen sichergestellt und afrikanische Länder befähigt werden, einen Entwicklungspfad jenseits von fossilen Energieträger zu beschreiten. AREI möchte aber explizit nicht einfach fossile Kraftwerke durch Erneuerbare-Energien-Kraftwerke ersetzen. Vielmehr soll das zukünftige afrikanische Energiesystem auch in seiner Struktur verändert werden: mit mehr dezentralen, kleinen Kraftwerken, die auch in entlegenen ländlichen Gebieten genutzt werden können. Diese sollen intelligent mit Großkraftwerken in der Nähe von Verbraucherzentren verknüpft werden.
Drittens erhebt AREI nicht den Anspruch, bestehende Programme und Initiativen zu ersetzen. Stattdessen soll AREI bestehende Initiativen besser koordinieren und dann gezielt dort Aktivitäten fördern, wo noch Lücken bestehen. AREI soll einen gemeinsamen Rahmen bieten, eine gemeinsame afrikanische Vision. Daher ist auch vorgesehen, dass sowohl finanzielle MitTel, die direkt für AREI bereitgestellt werden (zum Beispiel über einem neuen treuhänderischen Fonds bei der AfdB), wie auch solche, die über bestehende Programme und Kanäle fließen, zur Initiative beitragen können.
Zur Koordination der Initiative wurde eine Art Sekretariat, die sogenannte Delivery Unit, gegründet, die administrativ bei der AfdB angesiedelt ist, aber unabhängig arbeiten soll. Zu ihrem Leiter wurde der angesehene afrikanische Klimaexperte Youba Sokona aus Mali bestimmt. Fünf Arbeitsbereiche sind vorgesehen:
- Umfangreiche Bestandsaufnahme und Analyse von existierenden Programmen und Initiativen im Bereich Erneuerbare Energien in Afrika
- Stärkung der regulatorischen Rahmenbedingungen für Investitionen in Erneuerbare Energien
- Kapazitätsaufbau für Menschen und Institutionen auf allen Ebenen
- Finanzierung und Förderung
- Projektentwicklung und Unterstützung
Diese fünf Kernarbeitsbereiche werden von einer Reihe von Querschnittsthemen ergänzt, wie z.B. der sozial-ökonomischen und ökologischen Bewertung von Erneuerbaren-Energien-Technologien und einem umfassenden Multi-Stakeholder-Dialog.
Die Finanzierungsstruktur der AREI
Für die Finanzierung der Vorbereitungsphase, in der z.B. die Analyse-, Bewertungs- und Planungsaufgaben stattfinden sollen, veranschlagt die AREI ca. 5 Milliarden US-Dollar. Diese sollen vor allem aus internationalen Klimafonds sowie aus bilateralen und multilateralen Geberinstitutionen stammen. Für die Implementierung der anvisierten 10 GW sind weitere 15 Milliarden US-Dollar nötig. Diese Summen sind jedoch recht klein im Vergleich zu den ca. 300-500 Milliarden US-Dollar, die zur Umsetzung des 300 GW-Ziels bis zum Jahr 2030 benötigt werden. Das Kapital soll daher aus verschiedenen Geldquellen – öffentlich und privat – stammen. Auch der Green Climate Fund (GCF) könnte eine wichtige Rolle spielen. Geld aus privater Hand soll sich ebenfalls an den Prinzipien der AREI, unter besondere Beachtung von ökologischen und sozialen Kriterien, orientieren. Auch innovative Geldquellen, wie z.B. Crowd-Sourcing, schließt die AREI nicht aus.
Während des Pariser Klimagipfels haben einige Industrieländer, u.a. Deutschland, Frankreich, die USA, Großbritannien, die EU-Kommission, Kanada, Japan, Italien und Schweden, finanzielle Zusagen in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar gemacht. Deutschland hat 3 Milliarden Dollar zugesagt und ist damit der größte Geber für die Initiative.
Der deutsche Beitrag ist aber wohl so errechnet worden, dass die Summe der bis 2020 von Deutschland bereits geplanten Vorgaben im Bereich der Erneuerbaren Energien und damit zusammenhängender Bereiche wie Energiepolitik und Netze in Afrika gebildet wurde. Im AREI-Gründungsdokument wurden hingegen „neue und zusätzliche“ Mittel gefordert. Doch auch eine Ausrichtung bestehender Unterstützung an den Kriterien und Prioritäten von AREI kann durchaus sinnvoll sein. Die Bundesregierung sollte aber mehr Transparenz schaffen, wie sich die geplante Unterstützung für AREI zusammensetzt und inwiefern sie vom bereits seit langer Zeit geplanten „Business as usual“ abweicht.
Der Erfolg der AREI hängt von ihrer Umsetzung ab
Bislang besteht die AREI vor allem aus Papieren und Zusagen. In den vergangenen Monaten wurde wichtige Aufbauarbeit geleistet, wie etwa die Klärung der Governance der Initiative, Gründung der Delivery Unit und Entwicklung von Kriterien. Damit der Elan von Paris nicht verloren geht, ist jetzt aber wichtig, dass bald mit der Umsetzung konkreter Vorhaben begonnen wird. Die noch amtierende französische Präsidentschaft des UN-Klimaprozesses hat vor kurzem eine erste Projektliste veröffentlicht. Diese ist kein offizielles AREI-Dokument und es ist wichtig, dass die Entscheidung darüber, welche Projekte zu AREI zählen sollen, auf Grundlage klarer Kriterien auch zur Sozial- und Umweltverträglichkeit von der afrikanischen Seite getroffen wird. Aber die französische Liste ist ein wichtiger Schritt, weil sie eine konkrete Diskussion darüber ermöglichte, was AREI sein soll. Positiv ist, dass sich eine große Vielfalt an Ländern, Technologien und Projektgrößen auf der Liste findet und auch die Verbessrung der Rahmenbedingungen gefördert werden soll, nicht nur einzelne Kraftwerke. Andererseits findet sich aber auch ein hochproblematisches Projekt wie der Inga-Großstaudamm im Kongo auf der Liste, der überhaupt nicht zu den Zielen von AREI passt. Die Diskussion ist also eröffnet.
Unabhängige zivilgesellschaftliche Beobachter sind gefragt, die sich dafür einsetzen, dass die Ziele und Kriterien der AREI bei der Projektauswahl ernst genommen werden. Die ehrgeizige Energiewende hin zu erneuerbaren Energien, die der Bevölkerung nutzen, ist ohne eine Beteiligung der Zivilgesellschaft nicht denkbar. Bei einem von Germanwatch, Brot für die Welt und afrikanischen Partnern organisierten Treffen afrikanischer NGOs in Berlin im Februar bestand Einigkeit, dass die Initiative nicht den Regierungen alleine überlassen werden darf, weder den Regierungen der Geber noch den afrikanischen. Bei weiteren Treffen in Afrika wurde die African Coalition for Sustainable Energy Access (ACSEA) gegründet, über die die NGOs sich koordinieren wollen, um AREI zu einem Erfolg zu machen. Derzeit wird ein Forderungspapier erarbeitet und die afrikanischen NGO-Netzwerke führen eine Umfrage unter ihren Mitgliedern durch, um deren Perspektiven und Prioritäten zu AREI zu erfragen.
AREI ist eine ambitionierte Initiative, in deren Grundlagendokumenten die richtigen Prinzipien ausbuchstabiert sind, die eine entwicklungsförderliche, sozialverträgliche und klimakompatible Energiewende in Afrika ermöglichen würden. Die verschiedenen Akteure – afrikanische Regierungen, Geber, Delivery Unit, Zivilgesellschaft – haben sich in den vergangenen Monaten organisiert. Aber ob die Initiative wirklich ein Erfolg wird, wird sich erst in den kommenden Jahren in der Umsetzung zeigen.
1 Für eine Kurzübersicht sei entweder auf eine Präsentation der SE4ALL hingewiesen „Mapping of Energy Initiatives and Programs in Africa“ (SE4ALL, 2015) oder auf den Annex der IASS-Studie „The Future of Africa’s Energy Supply“.
Quellen:
AREI, Africa Renewable Energy Initiative (2015): A framework for transforming Africa to a renewable energy powered future with access for all. Link zum Dokument: http://www.arei.org/wp-content/uploads/2016/02/AREI-Framework_ENG.pdf
IASS, Institute for Advanced Sustainability Studies (2016): The Future of Africa’s Energy Supply. Potentials and Development Options for Renewable Energy. Link zum Dokument: http://www.iass-potsdam.de/sites/default/files/files/study_march_2016_the_future_of_africas_energy_supply.pdf
IRENA, International Renewable Energy Agency (2015): Africa 2030: Roadmap for a Renewable Energy Future. Link zum Dokument: http://www.irena.org/DocumentDownloads/Publications/IRENA_Africa_2030_REmap_2015_low-res.pdf
SE4ALL, Sustainable Energy for All (2015): Mapping of Energy Initiatives and Programs in Africa. Link zum Dokument: http://www.au-pida.org/sites/default/files/pdf/docs/Mapping%20of%20Energy%20Initiatives%20and%20Programs%20in%20Africa.pdf
- Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit / Umweltbundesamt sowie Brot für die Welt. Für den Inhalt ist alleine Germanwatch verantwortlich. -
Der Beitrag ist zuerst erschienen auf www.deutscheklimafinanzierung.de
Autor:innenJens Klawitter und Lutz Weischer |