G20 should lead the way to a fossil-free future
Sie repräsentiert zwei Drittel der Weltbevölkerung, vier Fünftel des globalen Bruttoinlandsprodukts und ist verantwortlich für mehr als drei Viertel der Treibhausgasemissionen: Die G20 - die Gruppe der großen Industrienationen und wichtigsten Schwellenländer - ist entscheidend für das schnelle Inkrafttreten und die tatsächliche Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Am 4. und 5. September kommen die Staaten im chinesischen Hangzhou zum Gipfel zusammen - und die Vorstellung, dass die G20 sich nur um Wirtschafts- und Finanzthemen kümmern sollte, ist überholt. Die Klimapolitik ist eng mit diesen Themen verknüpft und gehört dort ganz oben auf die Agenda.
Zum Inkrafttreten des Paris-Abkommens ist die Ratifizierung durch mindestens 55 Staaten nötig, die zusammen für mindestens 55% der globalen Treibhausgase verantwortlich sind. China hat angekündigt, das Paris-Abkommen noch vor dem G20-Gipfel in Hangzhou zu ratifizieren, und nutzt seine Präsidentschaft, um auch bei anderen G20-Staaten dafür zu werben. Es wird erwartet, dass China seine Ratifizierung gemeinsam mit den USA kurz vor dem Gipfel verkündet, ebenso wie Brasilien. Die Chance ist groß, dass bereits in diesem Jahr die doppelte 55-Hürde erreicht wird (http://climateanalytics.org/hot-topics/ratification-tracker.html). Nachdem sich alle Regierungen der Welt - 195 waren in Paris vertreten - auf ein universelles Abkommen geeinigt haben und es im April eine Rekordzahl von 175 Vertragsparteien an einem Tag unterzeichnet haben, wäre ein rasches Inkrafttreten ein weiteres Zeichen, wie ernst es Regierungen mit dem Abkommen ist. Es wäre auch eine Versicherung gegen eine lange politische Hängepartie, die zum Beispiel bei einer Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten drohen könnte. Denn nach Inkrafttreten wären alle Vertragsparteien mindestens vier Jahre an das Abkommen gebunden, selbst wenn sie austreten wollten.
Aber mit der Ratifizierung fängt die Arbeit erst an. In Paris wurde festgelegt, dass die globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C begrenzt und eine Begrenzung auf 1,5°C angestrebt werden soll. Dafür sollen die globalen Treibhausgasemissionen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf Netto-Null gesenkt werden. Das bedeutet Dekarbonisierung bis Mitte des Jahrhunderts, insbesondere in den G20-Staaten - und damit einen fundamentalen Umbau der Energiewirtschaft. Wie wichtig dieser für die Weltwirtschaft ist, ist auch bei Industrie und Finanzmärkten angekommen. Erst vor wenigen Tagen hat eine 130 Billionen US-Dollar schwere Koalition von Investoren einen Aufruf an die G20 veröffentlicht, bei ihrem Gipfel starke klimapolitische Zeichen zu setzen (http://investorsonclimatechange.org/wp-content/uploads/2016/08/FinalWebInvestorG20Letter24Aug1223pm.pdf).
Entscheidend sind nun Fahrpläne für die Dekarbonisierung - langfristige Strategien für eine treibhausgasarme Entwicklung bis 2050, wie sie im Paris-Abkommen vorgesehen sind. Solche Langfriststrategien geben Orientierung für große Investitionen und erlauben es, den Strukturwandel sozial gerecht zu gestalten.
Die USA, Mexiko und Kanada haben angekündigt, ihre Langfriststrategien noch in diesem Jahr vorzulegen und auch die Bundesregierung plant, den deutschen Klimaschutzplan 2050 bis Jahresende zu beschließen. Auf ihrem Gipfel in Japan 2016 verpflichteten sich die G7, ihre Langfriststrategien deutlich vor 2020 zu erarbeiten. Auch Indien und China haben bereits erklärt, Langfriststrategien zu entwickeln, wenn auch bislang ohne Zeitplan. Hier sollte die G20 nachlegen und sich darauf verständigen, bis spätestens 2018 ihre Strategien vorzulegen. Damit würden die Langfriststrategien als eine wichtige Grundlage für die erste Runde des in Paris vereinbarten Ambitionsmechanismus vorliegen. Dabei sollen 2018 die bisherigen Klimaschutzzusagen mit dem, was nach Einschätzung der Wissenschaft notwendig wäre, abgeglichen werden, um die ab 2020 geltenden nationalen Klimaschutzbeiträge rechtzeitig verschärfen zu können.
Praktisch sollten Langfriststrategien neben Klimazielen für verschiedene Zeiträume und einzelne Sektoren auch eine Möglichkeit der Überprüfung und Verschärfung vorsehen. Da weder die gesellschaftliche noch die technologische Entwicklung auf so lange Zeit vollständig absehbar ist, können die Strategien nur als „lebendes Dokument“ entworfen werden. Umso wichtiger sind Meilensteine zur Orientierung, wie etwa Zieldaten für den Ausstieg aus der Kohlenutzung oder den Abschied vom Verbrennungsmotor, sowie Leitplanken für die Entwicklung der Infrastruktur im Verkehrs- oder Gebäudesektor, wo sehr lange Planungshorizonte gelten.
Langfristige Dekarbonisierungsstrategien gehören auf die Agenda des G20-Gipfels in Hangzhou. Spätestens unter deutscher Präsidentschaft beim Gipfel in Hamburg 2017 sollte dann eine Einigung auf das Zieldatum 2018 gelingen, begleitet von einer Plattform zum Erfahrungsaustausch und einem Verfahren zur gegenseitigen Begutachtung. Damit Kanzlerin Merkel dieses für den Erfolg von Paris entscheidende Thema aber glaubwürdig bei der G20 verankern kann, muss sie den eigenen Klimaschutzplan 2050 retten. Anfang des Jahres stand Deutschland noch als internationaler Vorreiter da - mit einem Prozess, der auf Grundlage detaillierter Szenarien und mit Einbindung verschiedener gesellschaftlicher Akteure zu einem Plan mit konkreten Zielen und Maßnahmen führen sollte. Vom anfangs durchaus ambitionierten Entwurf ist nach der Überarbeitung durch Wirtschaftsministerium und Kanzleramt leider nur ein aussageschwaches Skelett geblieben. Man kann nur hoffen, dass ungewöhnliche Vorreiter wie die USA oder Kanada zeigen, wie gute langfristige Klimastrategien aussehen können - und dass sich die Kanzlerin auf ihr klimapolitisches Erbe von Heiligendamm, Elmau und Paris besinnt.
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- Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.klimaretter.info -