Pressemitteilung | 14.09.2003

Einseitige WTO-Interessensvertretung zugunsten der Industrieländer.


 

Pressemitteilung

Cancún, 14.09.2003 Samstag nachmittag (Ortszeit) wurde in Cancún der neue Entwurf für eine Abschlusserklärung der Welthandelskonferenz vorgelegt. Germanwatch schließt sich der internationalen NGO-Kritik insbesondere zu den Vorschlägen im Agrarbereich und den Singapurthemen an. Diese Abschlusserklärung ist unannehmbar und gegen die Interessen der Entwicklungsländer gerichtet.

In den letzten Tagen hatten sich die Entwicklungsländer zu starken Koalitionen zusammengetan, um ihren Interessen Nachdruck zu verleihen. Die G-21+ (1), die G-90 (AKP, Afrikanische Union, LDCs) und die "Allianz der 33"(2) im Agrarbereich, die Gruppe von 70 Entwicklungsländern (3) bei den Singapurthemen. Das Verhältnis der im Text aufgenommenen jeweiligen Positionen der Entwicklungs- und Industrieländer entspricht dem einer Ameise zu dem eines Elefanten. "Die WTO vertritt mit aller Unverfrorenheit die Großmächte und deren multinational agierenden Unternehmen gegen die explizit geäußerten Entwicklungsbedürfnisse des Südens," kritisiert Marita Wiggerthale, Leiterin des Handelsbereichs bei Germanwatch.

Agrarverhandlungen: In keinem der früheren Entwürfe für einen neuen Agrarvertrag sind so weitgehende Marktöffnungsanforderungen an die Entwicklungsländer gerichtet, wie in dem jetzigen Vorschlag. Millionen von Kleinbauern droht dann das 'Aus'. Gleichzeitig werden den Industrieländern zusätzliche Ausnahmeregelungen für Produkte auf der Grundlage von nicht-handelsbezogenen Anliegen in Aussicht gestellt. Ebenso wird die als Übergangslösung gedachte "blaue Box" verlängert anstatt abgeschafft, wie von Entwicklungsländern gefordert. Auch bei den Exportsubventionen ist deren Abschaffung nur für einige wenige Produkte, die von Interesse für Entwicklungsländer sind, vorgesehen. "Der Agrartext ist völlig unausgewogen. Er enthält mehrere effektive Sonderregelungen für Industrieländer, während die für Entwicklungsländer nur schwach ausfallen", erklärt Rudolf Buntzel-Cano, Vorstandsmitglied von Germanwatch. Während die Kleinbauern im Süden damit weiterhin den Dumping-Importen aus den Industrieländer ausgesetzt sind, bekommen die Industrieländer als Beigabe sogar die Verlängerung der Friedensklausel dazu. Diese schützt ihre Subventionspraxis vor Anklagen der Entwicklungsländer beim WTO-Schiedsgericht. Schlussendlich sind die Schutzinstrumente für die Ernährungssicherung und den Schutz der kleinbäuerlichen Produktion nach wie vor unzureichend. Der "worst case" ist perfekt.

Singapur-Themen: Noch vor zwei Tagen hatten 70 Entwicklungsländer sich in aller Deutlichkeit gegen die Aufnahme von Verhandlungen bei Investitionen, Wettbewerb, Handelserleichterung und öffentliches Beschaffungswesen ausgesprochen. Solange kein "expliziter Konsens" bestehe, d. h. alle Mitgliedsländer der WTO der Aufnahme der Verhandlungen zustimmten, könnten keine Verhandlungen begonnen werden. Dennoch sieht der Vorschlag den Start der Verhandlungen bei Handelserleichterung und öffentliches Beschaffungswesen und mit Verzögerung bei Investitionen vor. Die USA hat ein Interesse an den ersten beiden aufgenommenen Themen, während die EU weiterhin an ihrer Forderung, Verhandlungen bei allen vier Themen aufzunehmen, festhält.

Der Verhandlungsdruck steigt spürbar. In einer Presseerklärung vom 12. September mahnt Brasilien von daher, die Bemühungen auf die Verhandlungen und nicht auf das Unter-Druck-Setzen von Ländern und Ländergruppen zu konzentrieren.
 

(1) Gruppe der 21+ : Argentinien, Ägypten, Bolivien, Brasilien, Chile, China, Kolumbien, Costa Rica, Kuba, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Indien, Mexiko, Pakistan, Paraguay, Peru, Philippinen, Südafrika, Thailand, Venezuela.

(2) Allianz der 33: Antigua und Barbuda, Barbados, Belize, Botswana, Kuba, Dominikanische Republik, Dominika, Grenada, Guyana, Haiti, Honduras, Indonesien, Jamaika, Kenia, Mongolei, Montserrat, Nikaragua, Nigeria, Pakistan, Panama, Philippinen, Saint Kitts, Saint Lucia, Saint Vincent und die Grenadines, Surinam, Tansania, Trinidad und Tobago, Türkei, Uganda, Venezuela, Sambia und Zimbabwe.

(3) Gruppe der 70 Entwicklungsländer: Bangladesch (als Sprecher der LDCs), Botswana, China, Kuba, Ägypten, Indien, Indonesien, Jamaika (als Sprecher der karibischen Staaten), Kenia, Malaysia, Nigeria, Philippinen, Tansania, Venezuela, Sambia und Zimbabwe.
 

Weitere Informationen aus Cancún:

  • Marita Wiggerthale, Germanwatch, marita.wiggerthale@web.de
In Deutschland:
  • Michael Windfuhr, 06221 - 6530050 oder Mobil: 0177 /3884385
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