Informations- und Berichtspflichten der deutschen börsennotierten Automobilkonzerne im Hinblick auf die durch den globalen Klimawandel und eine weitere Ölpreissteigerung hervorgerufenen Risiken

Rechtsgutachten

Viele Finanzmarktexperten gehen davon aus, dass der fortschreitende globale Klimawandel, Klimaregulierungen sowie die Ölpreisentwicklung mit der Wertentwicklung bestimmter Unternehmen untrennbar zusammenhängen. Klimaschutzaspekte und -regelungen können daher ökonomische Folgen für Unternehmen haben und sind demzufolge auch bilanzrechtlich bzw. für die Finanzmarktberichterstattung relevant. 

Das vorliegende Gutachten im Auftrag von Germanwatch hat angesichts dessen das Ziel, die gesetzlich verankerten Pflichten von Automobilkonzernen zur Offenlegung von und Berichterstattung über klimabedingte Risiken zu untersuchen. 

Es wird zunächst festgestellt, dass Risiken für die Automobilindustrie sowohl durch Ölpreisschwankungen, aber vor allem durch klimaschützende Regulierung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene bestehen, z.B. durch die Festschreibung von maximalen Flottenverbräuchen. Diese Risiken sind in der Terminologie der Finanzmärkte auch als "finanziell" anzusehen, da sie sich direkt auf die Ertragslage und Produktionsausrichtung, und damit auch die Wertentwicklung der Unternehmen am Markt auswirken. 

Die Analyse der gesetzlichen Regelungen zeigt, dass die Bestrebungen, den Anlegerschutz im Finanzmarktgeschehen insgesamt zu verbessern gleichzeitig auch die Transparenz im Hinblick auf Umweltrisiken fördert. Nach den mehrfachen gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Gesetzesänderungen im Bereich des Bilanzrechts, des Aktienrechts und des Wertpapier- und Investmentrechts bestehen unzweifelhaft Pflichten für alle Akteure am Finanzmarkt, die regulativen Risiken des Klimawandels bzw. die Ölpreisrisiken ihren Anlegern und der Öffentlichkeit offen zulegen. 

Die weitestgehenden gesetzlichen Regelungen dabei stellen ƒ289 (Lagebericht) bzw. ƒ315 (Konzernlagebericht) des Handelsgesetzbuchs dar, wonach auch eine Quantifizierung dieser Risiken als Entscheidungsgrundlage für die Aktionäre und Anleger erforderlich ist. Dem Anleger muss beispielsweise zur Beurteilung der Chancen des Unternehmens in der Zukunft der durchschnittliche Flottenverbrauch, gewichtet anhand von tatsächlich verkauften Fahrzeugen dargelegt werden, da dieser Indikator der derzeit wichtigste ist, um die bestehenden Klimarisiken für ein Automobilunternehmen bewerten zu können. Richtschnur bei den Berichtspflichten ist die Forderung des Gesetzgebers, dass der einzelne Aktionär und Anleger in die (Wissens-) Position des Vorstands versetzt wird, um auf dieser Grundlage eigene Anlageentscheidungen treffen zu können. Während ƒƒ289, 315 HGB bilanzrechtliche Pflichten zu Gunsten der Aktionäre darstellen, sind die Berichtspflichten durch das Wertpapierhandelsgesetz und Investmentgesetz inzwischen auch auf alle Anleger ausgeweitet. 

Daraus folgt auch, dass Automobilkonzerne eine mittelfristige Prognose für die Risiken des Klimawandels auf die Geschäftstätigkeit abgeben und - soweit möglich - quantifizieren müssen, und ihre Prognose nicht - wie momentane Praxis - auf die nächsten zwei Geschäftsjahre begrenzen dürfen. 

Eine parallel zur Erstellung des Gutachtens vorgenommen Auswertung der Lageberichte aller großen europäischen Automobilkonzerne zeigt aber, dass die Praxis den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht, so dass fast durchgehend eine Verletzung der Transparenzpflichten feststellbar ist.

Autor:innen
Autorin: Dr. Roda Verheyen, Rechtsanwältin
im Auftrag von Germanwatch
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Publikationstyp
Rechtsgutachten