EU-Mitgliedstaaten stimmen für soziale und ökologische Transparenzvorschriften für Unternehmen
Berlin/Bonn. (27. Feb. 2014) Börsennotierte Unternehmen aus Europa sollen künftig über Risiken ihrer Tätigkeit für Menschen- und Arbeitnehmerrechte sowie die Umwelt berichten müssen. Darauf einigten sich gestern Nachmittag die zuständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in Brüssel nach zähen Verhandlungen. Trotz zahlreicher Zugeständnisse seitens des Europaparlaments, das strengere Vorschriften wollte, stimmte Deutschland dem Kompromissvorschlag nicht zu, sondern enthielt sich der Stimme. Bis Mai 2014 müssen das Europaparlament sowie der EU-Ministerrat diesem Vorschlag noch formal zustimmen. Danach erfolgt die nationale Umsetzung.
„Die Bundesregierung hat mit ihrer Enthaltung den Schutz von Menschenrechten und Umwelt offensichtlich hinter die Interessen von Unternehmen zurückgestellt“, sagt Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch. „Ein schlechteres Zeichen hätte die neue Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt nicht setzen können. Verbindliche Offenlegungspflichten sind essentiell, damit Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachweislich nachkommen.“
Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sah vor, dass große Unternehmen in ihren Lageberichten über Risiken für Umwelt, Menschenrechte und soziale Aspekte berichten müssen. In den nachfolgenden Verhandlungen mit EU-Kommission und Europaparlament hatten die alte und die neue Bundesregierung weitreichende Änderungen durchgesetzt, die die Anforderungen an Unternehmen gesenkt haben. So sollen nach dem gestern verhandelten Papier nur noch Unternehmen von öffentlichem Interesse – gemeint sind börsennotierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen – berichten. Dies ist eine Einschränkung, die die Anzahl der betroffenen Unternehmen in der EU von ursprünglich 18.000 auf rund 6.000 reduziert. Ferner müssen die Informationen nicht mehr im Lagebericht veröffentlicht werden. Separate Berichte, die keiner Wirtschaftsprüfung unterliegen, sollen ausreichen. Dies verringert die Relevanz der Berichte.
Hinsichtlich der Reichweite der Berichtspflicht konnte sich die deutsche Position jedoch nicht umfänglich gegenüber dem Europaparlament durchsetzen. Der abgestimmte Kompromissvorschlag sieht vor, dass börsennotierte Unternehmen auch über Risiken für Mensch und Umwelt entlang ihrer Zulieferbeziehungen berichten müssen - zumindest, wenn diese relevant sind. "Ölkonzerne müssten somit über das Abfackeln von Gas bei der Förderung berichten und Textilunternehmen die menschenrechtlichen Risiken in der Zulieferkette berücksichtigen", so Heike Drillisch, Koordinatorin des CorA-Netzwerkes für Unternehmensverantwortung.
„Die Bundesregierung ist an den gefundenen Kompromiss trotz ihrer Enthaltung nun gebunden. Es gilt, ohne weitere Komplikationen eine zügige Umsetzung in Deutschland zu ermöglichen, die den Interessen von Mensch, Umwelt und Unternehmen gleichermaßen gerecht wird“, sagt Drillisch. „Wir sind insbesondere gespannt, ob sich die SPD für eine konsequente Umsetzung der Transparenzpflichten einsetzt, die sie als Oppositionspartei gefordert hatte.“
Von der EU-Kommission werden in den nächsten zwei Jahren Orientierungshilfen für Unternehmen für das Erstellen von Berichten erwartet. Eine Evaluation der Regelungen ist nach vier Jahren geplant.