Pressemitteilung | 09.07.2009

Klimaschutz bei G8 und MEF: Durchbruch im Denken, nicht im Handeln.

Bild: Pressemitteilung ohne Schriftzug

9.7.2009. Die großen Industrie- und Schwellenländer haben sich gemeinsam auf eine langfristige Messlatte für die internationalen Klimaschutzbemühungen geeinigt. Der Text, der am späten Dienstagabend ohne Klammern vereinbart wurde, soll heute von den Regierungschefs offiziell verabschiedet werden. Die globalen Temperaturen sollen demnach nicht über die Großgefahrenschwelle von zwei Grad gegenüber vorindustrieller Zeit ansteigen. Für die USA, Russland, Japan, Australien, Kanada, aber auch für die großen Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien ist es das erste Mal, dass sie diese Schwelle als Orientierung für alle weiteren Klimaschutzbemühungen anerkennen. Da sowohl die kleinen Inselstaaten als auch die besonders armen Entwicklungsländer noch schärfere Klimaziele fordern, kann das Zwei-Grad-Limit ab heute als globaler Mindestkonsens für die notwendige internationale Klimastrategie betrachtet werden. "Damit haben die Regierungen der Industrie- und Schwellenländer selber die Messlatte aufgelegt, an denen sich ihre Handlungen messen lassen müssen", kommentiert Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch.

Die großen Industriestaaten werden in ihrem G8-Klimatext noch konkreter. Sie wollen die Emissionen der Industrieländer als historisch Hauptverantwortliche bis 2050 um 80% oder mehr reduzieren. Auch dies wird zum ersten Mal vom G8-Club der großen Industrieländer akzeptiert. Allerdings bleibt das Basisjahr umstritten - 1990 oder später heißt es im Text. Um auch nur mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit den Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad zu begrenzen, wäre ein Basisjahr von 1990 für alle Industriestaaten notwendig. Da bis 2005 die Emissionen stark gestiegen sind, reicht z.B. dieses Jahr als Basisjahr nicht aus. Gleichzeitig sollen nach Vorstellungen der großen Industrieländer die globalen Emissionen bis dann um mindestens die Hälfte sinken.

"Positiv ist, dass es jetzt einen Konsens unter den großen Industriestaaten gibt, sich für schnelle Fortschritte in Richtung beschleunigter Emissionsreduktionen für den internationalen Flug- und Schiffverkehr einzusetzen", unterstreicht Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch, einen weiteren wichtigen Punkt. Unter anderem die bisherigen US-Regierungen hatten solchen Fortschritt bisher blockiert.

Noch fehlt der Mut zur jetzt notwendigen Umsetzung

Wer meint, was er sagt, wenn er vom Zwei-Grad-Limit spricht, muss jetzt zum ersten Sprung Anlauf nehmen: Schon zwischen 2013 und 2017 müsste der Höhepunkt der globalen Emissionen erreicht sein, wenn eine realistische Chance für das Zwei-Grad-Limit bestehen soll. Doch genau hier, wo die heute Regierenden jetzt die notwendigen Maßnahmenpakete beschließen müssten, fehlt bislang der Konsens. Sowohl im Text mit den Schwellenländern als auch im Text der Industrieländer heißt es lediglich: der Höhepunkt der Emissionen solle "sobald wie möglich" erreicht werden. Viele Industrieländer legten z.B. für 2020 bisher nur unzureichende Reduktionsziele vor - insbesondere Japan, Australien, Kanada und Russland gehören dazu. Sie verstecken sich hinter dem breiten Rücken der US-Regierung, die fürchtet, dass sie für die eigentlich notwendigen kurzfristigeren Klimaziele nicht die notwendigen Mehrheiten in Kongress und Senat bekommen könnte. Zugleich haben alle Industriestaaten - auch die EU - bisher nicht deutlich gemacht, in welcher Größenordnung sie die Klimaschutz- und Anpassungsbemühungen der Entwicklungsländer finanziell unterstützen wollen.

"Das politische Ringen bis zum Klimagipfel in Kopenhagen in 150 Tagen wird nun maßgeblich darum gehen, ob kurz- und mittelfristig die notwendigen Schritte beschlossen werden, um den Klimawandel unter zwei Grad zu stabilisieren und die Menschen in den besonders verletzlichen Staaten und Regionen zu unterstützen, für die auch ein Temperaturanstieg um zwei Grad Lebens- und Ernährungsbedingungen gefährdet", kommentiert Bals.

Es war absehbar, dass ohne ernsthaften Klimaschutz - die Schwellenländer erwarten von den Industrieländern minus 40 Prozent bis 2020 - und ohne Bereitschaft der Industrieländer zu Finanzzusagen die Schwellenländer nicht bereit sind, mit zu unterschreiben, dass die globalen Emissionen vor 2020 ihren Höhepunkt erreichen sollen und die Emissionen in den Schwellenländern deutlich langsamer steigen sollen als bislang erwartet. "No money, no deal", hat die dänische Präsidentschaft des kommenden Kopenhagen-Gipfels die Situation kürzlich zusammengefasst.

Der G8-Gipfel hat alles versäumt, was zur Vertrauensbildung hätte beitragen können, dass in Kopenhagen tatsächlich die notwendigen Finanzzusagen auf dem Tisch liegen. 2 Milliarden US-Dollar Soforthilfe für Anpassung wären das notwendige Signal gewesen, damit in Kopenhagen tatsächlich über neue Größenordnungen der klimapolitischen Zusammenarbeit Beschlüsse zustande kommen. Die EU und die USA wären lediglich bereit gewesen, jetzt ein Unterstützungspaket von 400 Millionen US-Dollar zu schnüren. Aber die anderen Industrieländer verweigerten sogar diesen kleinen Schritt.

"Es gibt auf diesem G8-Gipfel einen großen Fortschritt bei der Einsicht in die wissenschaftlichen Notwendigkeiten. Aber die Bereitschaft, jetzt die entsprechenden Ziele für 2020, Instrumente und Finanzzusagen zu beschließen, fehlt noch. Es bleiben noch wenige Wochen, damit auch diese auf dem Tisch liegen und die Regierungen in Kopenhagen nicht unter der selbst aufgelegten Messlatte durchspringen", kommentiert Klaus Milke.

Für Rückfragen und Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an:

  • Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender Germanwatch, +49 172 40 72837, milke@germanwatch.org
  • Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer, Germanwatch, +49 174 3275669, bals@germanwatch.org