Bundestagswahl 2021 - vom Wahlkampf bis zum Koalitionsvertrag
Auf dieser Seite finden Sie alle Analysen und Blog-Beiträge unserer Expert:innen rund um die Bundestagswahl - von unseren Forderungen an die Parteien im Wahlkampf bis zur detaillierten Analyse des Koalitionsvertrags.
Der Ausgang der Bundestagswahl ist richtungsweisend. Denn diese Dekade ist entscheidend, um die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen einzudämmen. Beispielsweise Klimaschutz: Ohne entschiedene Klimaschutzmaßnahmen in den nächsten Jahren, ist das Ziel aus dem Pariser Abkommen, die Erdüberhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, nicht mehr zu halten. Auch darüber hinaus gilt: Um die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) bis 2030 zu erreichen, müssen die Weichen jetzt gestellt werden.
- An dieser Stelle finden Sie ausführlichere Analysen zu einzelnen Themen. -
Germanwatch-Analysen des Koalitionsvertrages
Angesichts der wirtschaftlichen Lage und der massiven Investitions-Bedarfe beim klimagerechten Umbau der Wirtschaft sendet die angekündigte Ausgaben-Kürzung im Klima- und Transformationsfonds (KTF) aus Sicht der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch das falsche Signal. Die heute zu Ende gegangene Klimakonferenz in Dubai (COP28) habe die Weichen deutlich auf den globalen Ausstieg aus fossilen Energien gestellt. „Der Umbau unserer Wirtschaft dient nicht nur dem Klimaschutz, sondern er ist die Voraussetzung für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Das Ergebnis des Klimagipfels unterstreicht, dass jetzt weltweit der Umstieg der Wirtschaft auf erneuerbare Energien vorangetrieben wird. Wenn Deutschland hier ins Hintertreffen gerät, ist der Wirtschaftsstandort gefährdet“, erklärt Simon Wolf, Bereichsleiter Deutsche und Europäische Klimapolitik bei Germanwatch.
Das Bündnis Bits & Bäume kritisiert zur Halbzeit der Legislatur eine bislang enttäuschende Umsetzung der Digitalpolitik der Bundesregierung. Daher fordert es gemeinsam mit 19 Akteuren aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Open-Source-Wirtschaft: Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen im Bundestag müssen jetzt dringend ihre digitalpolitischen Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen und dafür im Haushalt 2024 ausreichend Mittel bereitstellen. Zudem muss die Zivilgesellschaft stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Das Bündnis weist darauf hin, dass es in dieser Legislatur noch ein kurzes Zeitfenster dafür gibt, Deutschland auf einen nachhaltigen, inklusiven digitalpolitischen Kurs zu lenken und fordert die Bundesregierung auf, diese Chance nicht zu vertun.
Die Ziele des Pariser Klimaabkommens sind nur durch Zusammenarbeit mit anderen Ländern erreichbar. Basierend auf dieser Einsicht, kündigt der Koalitionsvertrag zwischen Bündnis 90/Die Grünen, SPD und FDP erstmals explizit eine deutsche Klimaaußenpolitik an. Die künftigen Regierungsparteien sprechen sich für eine kohärente sowie “gemeinsame, konsequente Klimaaußenpolitik und Klimagerechtigkeit im Sinne des European Green Deal, der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens” aus. Damit kann das Klimathema endlich ins Zentrum bi- und multilateraler Beziehungen rücken.
Die Koalition bekennt sich zu dem Ziel „der Senkung des primären Rohstoffverbrauchs und geschlossener Stoffkreisläufe“ und will hierzu den bestehenden rechtlichen Rahmen anpassen und endlich klare Ziele definieren. Das ist sehr zu begrüßen und bedeutet eine Richtungsänderung in der Rohstoffpolitik. Diese muss aus Reduktion des Rohstoffverbrauchs, langer Nutzung der Rohstoffe, bzw. der Produkte in denen sie verwendet werden, und einer Stärkung des Sekundärrohstoffmarktes (d.h. Nutzung und Gewinnung von recycelten Materialen) bestehen.
Der Ausbau Erneuerbarer Energien spielt eine zentrale Rolle im energiepolitischen Teil des am Mittwoch vorgelegten Koalitionsvertrag der Ampelparteien. Bis 2030 soll Strom aus Erneuerbaren Energien einen Anteil von 80 % des Strombedarfs erreichen. Bei einem im Koalitionsvertrag für das Jahr 2030 angenommenen Stromverbrauch von insgesamt 680-750 TWh entspricht das einer Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien von 544-600 TWh.
Unsere Forderungen an die Parteien
Das waren unsere Forderungen an die Parteien
10 Germanwatch-Kernforderungen zur Bundestagswahl 2021
In einer Zeit der globalen Krisen steht Deutschland vor einer Richtungswahl. Wir brauchen eine Politik, die an Menschenrechten, planetaren Grenzen und Gerechtigkeit orientiert ist – um die Grund- und Freiheitsrechte auch für die jungen und die kommenden Generationen hier und anderswo zu sichern. Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz, dem Europäischen Green Deal, dem Pariser Klimaabkommen und der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) sind auf deutscher, europäischer und internationaler Ebene maßgebliche Bezugspunkte für die Politik gesetzt.
In der nun anstehenden Legislaturperiode muss es um die konkreten Maßnahmen zur Umsetzung gehen. Denn in dieser Dekade entscheidet sich, ob die Klima- und Nachhaltigkeitsziele eingehalten werden können. Es geht ums Handeln – jetzt!
Es ist Aufgabe der nächsten Bundesregierung, eine Gesamtstrategie zu entwickeln, die alle staatlichen Institutionen, die Wirtschaft, die Wissenschaft, die Zivilgesellschaft und jeden Einzelnen für die Erreichung der Klima- und Nachhaltigkeitsziele in die Pflicht nimmt. Dabei muss es gerecht zugehen. Die zunehmend ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung ist auch ein Hindernis für die Wende zur Nachhaltigkeit. Es bedarf eines entsprechenden Umbaus des Finanz- und Steuersystems. Die Schuldenbremse darf kein Hindernis sein, um die notwendigen Investitionen für den Schutz der Lebensgrundlagen auf den Weg zu bringen. Neben öffentlichen Investitionen muss der Staat auch den geeigneten Rahmen setzen, um ausreichend privates Geld dafür verfügbar zu machen. Der Wandel wird Geld kosten – aber Nichthandeln wäre gefährlicher und teurer.
Um die globalen Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können, muss die Bundesregierung alles dafür tun, dass die EU nach innen und außen handlungsfähig bleibt und noch mehr füreinander einsteht. Die Bundesregierung muss sich in Brüssel für eine ambitionierte Umsetzung des Europäischen Green Deals einsetzen – und zwar in allen Politikfeldern. Das gilt nicht nur für die Klimapolitik, sondern beispielsweise genauso für die Agrar- und Handelspolitik.
Die neue Bundesregierung muss diese großen Herausforderungen angehen. Die folgenden Punkte sind kein umfassendes Programm dafür – aber sie benennen zehn unverzichtbare Schritte, die sich aus den Germanwatch-Arbeitsschwerpunkten ergeben. Sie müssen in ein breites Reformprogramm für ein gerechteres, nachhaltigeres und international verantwortungsvolleres Land integriert werden.
10 Germanwatch-Kernforderungen zur Bundestagswahl 2021
1. Nachhaltigkeitsziele als Richtschnur des Regierungshandelns >>1. Nachhaltigkeitsziele als Richtschnur des Regierungshandelns
SDGs und Klimaschutz müssen für alle Ministerien verbindlich werden. Die Zusammenarbeit der Ministerien muss dafür anders und besser organisiert, jedes Gesetz hinsichtlich der Auswirkungen auf Menschenrechte, Klimaschutz und Nachhaltigkeit überprüft werden. Ein Bundestagsausschuss für Nachhaltigkeit muss Mitsprache im Gesetzgebungs- und Haushaltsverfahren erhalten. Gemeinsam mit den Bundesländern sollte die Bundesregierung Bildung für Nachhaltige Entwicklung im Sinne des UNESCO-Programms BNE2030 zum Leitbild für alle Bildung machen.
2. Nutzen des Finanzmarkts als Hebel zur Finanzierung des Wandels >>2. Nutzen des Finanzmarkts als Hebel zur Finanzierung des Wandels
Wir fordern eine kluge Regulierung des Finanzmarkts, damit Risiken vermieden und die notwendigen Veränderungen leichter finanziert werden können. Die öffentliche Hand muss bei der zukunftsorientierten Offenlegung von Klimarisiken und der Lenkung eigener Finanzflüsse als Vorreiterin vorangehen. Die Sustainable-Finance-Strategie der Bundesregierung muss nachgeschärft, die wichtigen und konkreten Empfehlungen des Sustainable-Finance-Beirats müssen umgesetzt werden.
3. Schneller, naturverträglicher Ausbau von Wind- und Solarkraft >>3. Schneller, naturverträglicher Ausbau von Wind- und Solarkraft
Ambitionierte Klimaziele im Strom-, Verkehrs- und Gebäudesektor sowie in der Industrie lassen sich nur mit deutlich schnellerem Ausbau der erneuerbaren Energien erreichen. Wir fordern höhere Ausbauziele, bessere Planungs- und Genehmigungsverfahren und den Ausbau der notwendigen Netze. Für Bürger:innen braucht es überzeugende politische und ökonomische Teilnahmekonzepte. 2030 muss der Kohleausstieg abgeschlossen sein und mindestens 80% des Stroms müssen aus erneuerbaren Energien stammen.
4. Ausstieg aus der industriellen Tierhaltung und Umbau der Landwirtschaft >>4. Ausstieg aus der industriellen Tierhaltung und Umbau der Landwirtschaft
Die Ausrichtung der Landwirtschaft auf immer mehr Produktion zu international wettbewerbsfähigen Preisen verursacht hohe Treibhausgasemissionen, gefährdet durch Antibiotikaeinsatz die Gesundheit, beschleunigt das Höfesterben und zerstört Märkte für Bauern im Globalen Süden. Wir fordern die Reduktion der Tierbestände, die Bindung der Tierzahlen an die lokale Futterfläche und eine Abgabe auf tierische Lebensmittel, um eine tierwohlgerechte Haltung mit existenzsichernden Erzeugerpreisen zu ermöglichen.
5. Mobilitätswende von Auto und Flug zum Zug >>5. Mobilitätswende von Auto und Flug zum Zug
Um die Klimaziele zu erreichen und den Rohstoffverbrauch zu senken, brauchen wir nicht nur eine Antriebswende zur Elektromobilität, sondern eine Mobilitätswende, die zu weniger und kleineren Autos und weniger Flügen führt. Wir fordern ein sofortiges Moratorium für den Bau von Autobahnen und Bundesstraßen, ein Enddatum für den fossilen Verbrennungsmotor, einen Europatakt für attraktive Zugverbindungen und Investitionen in das deutsche und europäische Schienennetz.
6. Aufbau einer Kreislaufwirtschaft >>6. Aufbau einer Kreislaufwirtschaft
Der hohe Ressourcenverbrauch unserer Volkswirtschaft muss schrittweise gesenkt und – weit über Recycling-Konzepte hinaus – von einer Kreislaufwirtschaft abgelöst werden. Wir fordern verbindliche Ziele zur absoluten Reduktion der Nutzung von Primärrohstoffen und die dafür nötigen Maßnahmen, wie eine Ressourcensteuer und eine Substitutionsquote.
7. Digitalisierung für das Gemeinwohl >>7. Digitalisierung für das Gemeinwohl
Wir fordern einen politischen Rahmen für Digitalisierung, der den Schutz der Lebensgrundlagen mit dem Schutz der Demokratie verknüpft. Dazu gehört auch, die Bundesförderung für die Digitalisierung der Schulen und Lernorte auf nachhaltige, inklusive und demokratieförderliche Lösungen auszurichten.
8. Neuausrichtung der Handelspolitik an den Menschenrechten und am Schutz der Lebensgrundlagen >>8. Neuausrichtung der Handelspolitik an den Menschenrechten und am Schutz der Lebensgrundlagen
Statt der bisherigen Freihandelsabkommen, die Menschenrechte, SDGs und Pariser Klimaziele unzureichend berücksichtigen, fordern wir eine neue Form von Partnerschaftsabkommen. Die Ratifikation des Mercosur-Freihandelsabkommens muss ausgesetzt werden, solange der Schutz von Menschenrechten, Klima und Wald nicht gesichert ist. Die Investitions- und Handelspolitik mit den Staaten Afrikas muss im Sinne eines Pakts für soziale und ökologische Nachhaltigkeit neu gestaltet werden.
9. Wirksames europäisches Lieferkettengesetz >>9. Wirksames europäisches Lieferkettengesetz
Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass das geplante EU-Lieferkettengesetz über das beschlossene deutsche Gesetz hinausweist: Unternehmen müssen für ihre gesamte Lieferkette Verantwortung übernehmen und dabei Menschenrechte und Umwelt achten. Das Gesetz braucht klare Haftungsregeln zum Schutz Betroffener. Es sollte die wirksamsten Elemente aus Lieferkettengesetzen der Mitgliedstaaten aufgreifen. Das deutsche Gesetz muss entsprechend nachgeschärft werden.
10. Internationale Zusammenarbeit für Klima und Nachhaltigkeit >>
10. Internationale Zusammenarbeit für Klima und Nachhaltigkeit
Wir fordern eine strategische und kohärente Klimaaußenpolitik, ambitionierte Klimapartnerschaften mit anderen Ländern und eine Erhöhung der internationalen Klimafinanzierung, die sich am tatsächlichen Bedarf für die Einhaltung der Pariser Ziele und die Bewältigung von Klimafolgen orientiert – zusätzlich zu den lange zugesagten 0,7% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungsfinanzierung. Es braucht eine Initiative zur Um- und Entschuldung für Länder des Globalen Südens, damit diese nach der Corona-Krise einen gerechten und klimakompatiblen Wiederaufbau stemmen können.
Bundestagswahl 2021 - vom Wahlkampf bis zum Koalitionsvertrag
Der Wahlkampf und die Bundestagswahl haben das politische Koordinatensystem grundlegend verschoben, so das erste Fazit der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Der Klimaschutz war für die meisten Wählerinnen und Wähler sowie alle demokratischen Parteien das zentrale Thema dieser Wahl“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Dass die Grünen zwar stark, aber schwächer abgeschnitten haben als in den Monaten zuvor erwartet, spricht nicht dagegen. Alle demokratischen Parteien haben sich zum 1,5 Grad-Limit, zur Klimaneutralität bis spätestens 2045 und zu einer starken Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien bekannt – und dafür sind sie auch gewählt worden.“
Laut aktueller Eurobarometer-Umfrage bleibt die Klimakrise nach der Wirtschaftslage die größte Sorge der Europäer:innen. Nur einen Tag vor den schweren Überschwemmungen im Westen Deutschlands hat die Europäische Kommission als Teil des Green Deals ihr Klima- und Energiepaket „Fit for 55“ vorgelegt, um das neue EU-Klimaziel zu erreichen. Bis 2030 soll die EU mindestens 55 Prozent Netto-Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 einsparen (55 Prozent-Ziel).
Echter Name
Echter Name
Lesenswertes rund um die Bundestagswahl 2021
10 Germanwatch-Kernforderungen zur Bundestagswahl 2021: "Handeln für den Wandel!"
Gemeinsames Statement: "Klimaschutz ist Freiheitsschutz"
100-Tage Sofortprogramm der Umweltverbände für mehr Klimaschutz
Brandbrief der Umweltverbandsspitzen: "Stoppen Sie unredlichen Wahlkampf auf Kosten des Klimas!"
Kernforderungen der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen zur Bundestagswahl 2021