Raus aus der Kuschelecke
Raus aus der Kuschelecke
Wir wissen viel über Menschenrechtsverletzungen, Armut und Umweltprobleme auf diesem Planeten. Bildung für nachhaltige Entwicklung geht aber über Wissenserwerb weit hinaus: Was geht uns so unter die Haut, was begeistert uns so, dass wir uns mit diesem Wissen auch tatsächlich verändern? Wie können wir uns und unsere Lebensräume so gestalten, dass wir dabei die globalen Zusammenhänge, die Verlierer der Globalisierung und die Hauptbetroffenen des Klimawandels nicht aus dem Blick verlieren? Wie können wir gemeinsam mit anderen auch relevante Veränderungen in unserem Umfeld, in der Gesellschaft anstoßen?
Nachhaltigkeit kommt in jedem (Unternehmens-) Bericht und jedem Parteiprogramm vor, doch fehlt darin oft die ernsthafte Abkehr von fossilen Energieträgern, von nicht geschlossenen Stoffkreisläufen, strukturellen Ungerechtigkeiten und den entsprechenden nicht-nachhaltigen Geschäftsmodellen.
Es bedarf einer Entwicklung unserer Lebensstile auf diesem vernetzten Globus, kulturell verschieden von Freiheit und Verantwortung geprägt, die dabei die planetaren Grenzen ebenso wie die persönlichen und sozialen Menschenrechte im Blick hat. Immer mehr Menschen haben den Eindruck, dass sie genug haben, im doppelten Wortsinn. Aber eine Alternative zum Wachstumsmodell ist nur in Ansätzen in Sicht. Bisher war Wachstum die Antwort schlechthin auf die Frage nach sozialem Frieden – besonders in einer Welt mit wachsender Bevölkerung. Wenn der Kuchen wächst, können alle – wenn auch in unterschiedlichem Maße – mehr bekommen. Wächst er nicht mehr, spitzen sich die Verteilungskämpfe zu. Wie kann mit Alternativen experimentiert werden? Ermutigend eröffnet Bildung für nachhaltige Entwicklung den Blick auf eine gerechtere Zukunft und zeigt Aktionsräume für jede und jeden Einzelnen auf.
Hier liegt die Herausforderung für die neue Bundesregierung. Es reicht nicht, Hochglanzbroschüren zu Bildung für nachhaltige Entwicklung aufzulegen. Die Konzepte sollten in allen Aus- und Weiterbildungsformen für Beamte und staatliche Angestellte verankert werden. Schulische und außerschulische Akteure in diesem Bereich sind zu stärken. Andere Herausforderungen liegen auf der Ebene der Bundesländer und Kommunen. Bildung für nachhaltige Entwicklung sollte strukturell in die Lehrerbildung aller Fachrichtungen aufgenommen werden. Es gilt, die Entwicklung von Schulprofilen zur Eine-Welt- oder Nachhaltigkeitsthematik zu fördern. Konkrete Projekte zu Klimabildung und Globalem Lernen sollten Bestandteil der Klimaschutzpläne und Nachhaltigkeitskonzepte der Kommunen, Länder und des Bundes sein.
Deutschland ist keine Insel. Die Millenniumsziele (MDG) zur Armutsbekämpfung gilt es weiterzuentwickeln sowie im Jahr 2015 durch die beim Nachhaltigkeitsgipfel Rio+20 beschlossenen „Sustainable Development Goals“ (SDG) zu ergänzen. Schließlich gilt es, die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (2005-2014) in wirksamer Form fortzusetzen.
Stefan Rostock