Zurück zur Vorreiterrolle?
Zurück zur Vorreiterrolle?
Nach wie vor steuert die Welt ungebremst auf einen gefährlichen Klimawandel zu. Dieser droht vor allem den ärmsten Menschen und Ländern weltweit ihre Lebensgrundlage zu entziehen und im wahrsten Sinne des Wortes zu versenken, zum Beispiel durch den Meeresspiegelanstieg. Die Zeit, die schlimmsten Gefahren noch abzuwenden, wird knapper.
Während der nächsten Legislaturperiode der deutschen Regierung erlebt die internationale Klimapolitik einen wichtigen Wendepunkt. Bis 2015 gilt es, ein neues umfassendes Klima-Abkommen zu verabschieden, mit Verpflichtungen für alle Länder ab 2020. Es gab durchaus wichtige Fortschritte auf dem Klimaparkett, auf denen sich aufbauen lässt. Viele Länder, allen voran die Entwicklungs- und Schwellenländer, haben wichtige Maßnahmen zum Klimaschutz ergriffen. Doch von der notwendigen Ambition, um den globalen Temperaturanstieg auf unter 2 °C zu begrenzen, ist die Welt noch weit entfernt.
Die neue Bundesregierung muss sich schnell aufstellen. Bereits ab dem 11. November trifft sich die Weltgemeinschaft im polnischen Warschau zum nächsten Weltklimagipfel, der das internationale Abkommen vorbereiten soll. Der Klimagipfel 2015 wird in Paris stattfinden. Die EU spielt also eine zentrale Rolle in diesem Prozess.
Es wäre Politikversagen, wenn die nächste Bundesregierung sich den Erfolg der internationalen Klimapolitik nicht als ein zentrales Ziel setzt. Ohne ernsthaftes Handeln zu Hause, das in ein langfristiges, ambitioniertes Klimaschutzgesetz mündet, kann Deutschland immer weniger als glaubwürdiger Verhandler auftreten. Großbritannien und einige Entwicklungsländer haben es vorgemacht und langfristige Klimaschutzziele rechtlich verbindlich verankert. Ein Knackpunkt auf dem Weg zu einem ambitionierten Abkommen ist die Bereitstellung angemessener internationaler Klimafinanzierung durch die Industrieländer, wie beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen versprochen. Nur so lässt sich die notwendige Transformation sowie Anpassung in den Entwicklungs- und Schwellenländern beschleunigen. Die Entwicklungsländer erwarten einen konkreten Plan, in welchen Schritten sich die Industrieländer den für 2020 zugesagten 100 Mrd. US-Dollar jährlich annähern wollen. Deutschland sollte dafür auch innovative Instrumente nutzen, wie z. B. die Finanztransaktionssteuer oder die Bepreisung von Flug- und Schiffsverkehr. Dem Green Climate Fund für transformativen Klimaschutz und Anpassung ist möglichst schnell von der Staatengemeinschaft ein zweistelliger Milliardenbetrag zur Verfügung zu stellen. Nicht zuletzt sollte eine effektive und in der EU gut abgestimmte Klimaaußenpolitik den Verhandlungsprozess begleiten.
Zunächst gab die schwarz-gelbe Regierung in dieser Legislaturperiode durchaus wichtige Impulse. Nach dem weitestgehenden Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen half Deutschland durch die Etablierung der jährlichen Petersberger Klimadialoge, den Gesprächsfaden zwischen den Regierungen nicht abreißen zu lassen. Deutschland hat zudem seine Beiträge zur internationalen Klimafinanzierung in den letzten Jahren erhöht, allerdings zunehmend auf Kosten der sonstigen Entwicklungsfinanzierung.
In den letzten zwei Jahren fällt die Bilanz jedoch zunehmend negativer aus. Vonseiten der Bundeskanzlerin fehlt jedes Signal, der aktiven Bremserrolle des Wirtschaftsministers entgegenzutreten. Das galt insbesondere im Streit um die Reform des EU-Emissionshandels. Gerade auch wegen der jetzt fehlenden Versteigerungserlöse aus dem Emissionshandel sollen nach den jüngsten Vorschlägen der Regierung die Mittel für die internationale Klimafinanzierung drastisch zusammengestrichen werden. Wenn die zukünftigen Regierungsparteien in den Koalitionsvereinbarungen keine anderen Signale setzen, steht Deutschland international zunehmend als Klimabremser da.
Sven Harmeling