Für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen

Weitblick Artikel

Für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen

Bundesregierung legt Zahlungen im Agrarbereich bisher nicht offen

 

Dass die EU-Agrarpolitik jährlich mehr als 40 Milliarden Euro Steuergelder verschlingt, ist vielen bekannt. Sechs Milliarden Euro gehen allein nach Deutschland. Empfänger sind dabei nicht nur Landwirte, sondern auch Unternehmen, die mit Agrarprodukten handeln. Nicht bekannt ist dagegen, wofür welche Unternehmen und landwirtschaftlichen Betriebe wie viele Agrarsubventionen erhalten. Doch das soll sich jetzt ändern: In der "Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen" haben sich 27 Organisationen – darunter Germanwatch als Mitinitiator – zusammengeschlossen, um mit Nachdruck die Veröffentlichung der Verteilung der Agrargelder einzufordern.

Gemäß den letzten verfügbaren Zahlen erhalten in Deutschland 0,5 Prozent der Betriebe jeweils mehr als 300.000 Euro, während 70 Prozent der Betriebe jeweils bis zu 10.000 Euro erhalten. "Einige rationalisierte flächenstarke Betriebe kommen somit auf Prämienzahlungen von umgerechnet bis zu 120.000 Euro je Arbeitskraft, während der Durchschnitt der Betriebe weniger als ein Zehntel davon je Arbeitskraft erhält", sagt Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, EU-Parlamentarier und Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Deren Zeitung Unabhängige Bauernstimme berichtet, dass alleine das ostdeutsche Gut "Klein Wanzleben GmbH & Co. KG" momentan jährlich rund 1,7 Millionen Euro EU-Prämien erhält.

Große Agrarunternehmen profitieren

Wie die Frankfurter Rundschau berichtet, werden mit rund 85 Millionen Euro mehr als die Hälfte der Exportsubventionen im Rindfleischsektor an die zehn größten Rindfleisch-Exporteure gezahlt. Zu den Empfängern gehören Unternehmen wie die Bonn Fleisch Ex- und Import GmbH, Südfleisch, Westfleisch und der deutsche Ableger von Danish Crown. Im Milchsektor zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Auch hier streichen die oberen zehn Milch-Exporteure rund 45 der 65 Millionen Euro Exportsubventionen im Milchbereich ein. Zu den Profiteuren gehören Nestlé, Hochland und Nordmilch.

Insgesamt sollen solche Zahlen jedoch ein Geheimnis bleiben. Denn Bund und Länder wollen bisher diese Informationen nicht offen legen. In vielen anderen europäischen Ländern ist sie dagegen bereits Praxis. Die öffentliche Bekanntgabe der konkreten Zahlungen mit Angabe von Namen aller Empfänger, des jeweiligen Zahlungszwecks und der jeweiligen Zahlungshöhe in mehreren EU-Ländern hat dazu geführt, dass die Verteilung, aber auch die Sinnhaftigkeit der Kriterien der EU-Subventionen stark diskutiert wird. Als erstes Land hatte Dänemark im Frühjahr 2004 die Angaben veröffentlicht. Es folgten Schweden, Großbritannien, Irland, einige Regionalregierungen Spaniens, die Niederlande und Frankreich. Auch in Finnland ist die Offenlegung geplant.

Die Verlierer: Umwelt, bäuerliche Betriebe und Entwicklungsländer

Die momentane Verteilung der Gelder bringt mehr Verlierer als Gewinner mit sich. Verlierer sind kleinere bäuerliche Betriebe, die ums Überleben kämpfen, die Umwelt, die unter den Folgen der Intensivlandwirtschaft leidet und die Kleinbauern in den so genannten Entwicklungsländern, die mit den billigen, subventionierten Lebensmitteln aus der EU nicht konkurrieren können.

Bereits in den 1990er Jahren machte Germanwatch auf die negativen Auswirkungen von subventionierten EU-Rindfleischexporten auf die westafrikanischen Küstenländer aufmerksam. Viehzucht und -handel stellten bis in die 80er Jahre einen der wenigen funktionierenden Erwerbszweige im Sahel dar. In den 80er und 90er Jahren stieg der Anteil der EU-Exporte am westafrikanischen Rindfleischmarkt stark an. So verschlechterten sich die Bedingungen für die heimischen Produzenten, schon 1993 erhielten die Rinderzüchter nur noch die Hälfte des früheren Preises. Die Folge dieser verfehlten EU-Agrarpolitik ist die Gefährdung traditioneller Absatzmärkte aus lokaler oder nachbarstaatlicher Produktion. Und trotz der Kritik seit über 20 Jahren betreibt die EU weiter massives Agrar-Dumping (Verkauf von Produkten unterhalb der Produktionskosten) auf den Märkten der Entwicklungsländer, z.B. bei Getreide, Milch und Gemüse.

Bindung der Subventionen an soziale und ökologische Kriterien

Auch mit der Abschaffung der Exportsubventionen im Jahr 2013, welche die Welthandelsorganisation (WTO) in Hongkong letztes Jahr beschlossen hat, wird das Problem des Dumpings von EU-Agrarprodukten bestehen bleiben. Denn auch interne Subventionen können Dumping verursachen – sowohl national als auch international. Dieses Problem wird jedoch nicht von der WTO angegangen.

Umso entscheidender ist es aus entwicklungspolitischer Sicht, das Subventionssystem der EU neu zu gestalten. Als Prinzip für die Vergabe von Subventionszahlungen sollte die Honorierung von gesellschaftlichen Leistungen dienen – wie der Erhalt der Kulturlandschaft und Artenvielfalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen (siehe Positionen deutscher NGOs). Das ist das Ziel der "Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen".

Denn nur nach der Offenlegung der Subventionen ist eine fundierte Diskussion über die derzeitige Verteilungspraxis möglich. Die Initiative setzt sich für eine Wende in der Förderpolitik ein, hin zu einer sozial gerechten, bäuerlichen, regionalen, ökologisch verträglichen und tiergerechten Landwirtschaft ohne negative Auswirkungen auf Entwicklungsländer.

SARAH KAHNERT
Referentin für Welthandel und Ernährung

Weitere Informationen: www.wer-profitiert.de

Thema

Zuletzt geändert