Verbraucheraufklärung alleine kann keine verantwortlichen Rohstofflieferketten garantieren

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Verbraucheraufklärung alleine kann keine verantwortlichen Rohstofflieferketten garantieren

Die Vereinten Nationen schätzen, dass mehr als 40 Prozent aller weltweiten Konflikte in den letzten 60 Jahren mit dem Abbau und Handel von Rohstoffen in Verbindung stehen. Diese reichen von Zwangsvertreibungen für den Kohleabbau etwa in Kolumbien bis zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Bergbaukonzernen und von Kupferminen betroffenen Gemeinden etwa in Peru.

Ein US-Gesetz verpflichtet an der US-Börse notierte Unternehmen seit 2014 dazu, bei vier Rohstoffen darauf zu achten, dass sie keine Konflikte in der Demokratischen Republik Kongo und den Nachbarländern finanzieren. Die Trump-Regierung versucht gerade, diese Gesetzgebung zu torpedieren. Doch mit diesem einen Gesetz ist es auch noch nicht getan. Auch in anderen Regionen werden Konflikte finanziert, nicht alle Unternehmen sind an der US-Börse gelistet und  allein  ein Smartphone besteht aus ca. 30 verschiedenen Metallen, bei deren Abbau es zu weitaus mehr Menschenrechtsverletzungen kommen kann.

Zumindest das Problem, dass viele blutige Konflikte durch Rohstoffe finanziert werden, griff 2014 auch die EU auf. Während die EU-Kommission 2014 plante, dies nur durch eine freiwillige  Selbstzertifizierung zu lösen, forderte das Parlament mehr. Nach langem Verhandeln auch mit den Mitgliedstaaten wurde nun im November 2016 entschieden, dass zwar Unternehmen, die große Mengen an Gold, Tantal, Wolfram und Zinn in die EU importieren, Verantwortung übernehmen müssen. Gleichzeitig nehmen die Mitgliedstaaten und die  EU-Institutionen nun hin, dass z. B. in Korea produzierende IT-Unternehmen und die deutsche Autobranche umfassend aus ihrer Verantwortung entlassen werden.

Auch ein paralleler Prozess auf deutscher Ebene ist wenig ambitioniert. Im Dezember 2016 hat das Bundeskabinett einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte beschlossen. Darin drückt die Bundesregierung die Erwartung aus, dass sich Unternehmen bei ihren weltweiten Geschäften an die Menschenrechte halten. Verbindlich festgeschrieben hat sie es aber einstweilen nicht. Nur wenn bei Stichproben zwischen 2018 und 2020 mehr als die Hälfte der Unternehmen nicht wie gefordert aktiv geworden sind, will sie gesetzliche Maßnahmen erwägen.

Bei komplexen Problemen, die nicht durch Gesetze geregelt sind, setzt die Politik häufig auf Verbraucheraufklärung und Produktkennzeichnung. Doch wie kann ich nachhaltig konsumieren, wenn weiterhin akzeptiert wird, dass Unternehmen und ihre Zulieferer bei ihrer Produktion Menschenrechte verletzten dürfen und keine wirklichen Alternativen bestehen? Mal abgesehen von den Ansätzen von Fairphone (siehe Kasten oben) und NagerIT. Klar: Länger Nutzen, Aufrüsten und Wiederverwenden sind gute Verbraucherstrategien. Ohne verbindliche politische Rahmensetzungen für Unternehmen erreichen wir jedoch keine fairen und nachhaltigen Lieferketten.
 

Johanna Sydow