Höchste Zeit für ein anderes Besitz- und Konsumverhalten

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Höchste Zeit für ein anderes Besitz- und Konsumverhalten

Interview mit Kirsten Strehl, Mitinitiatorin eines Leihladens in Bochum
Weitblick 1/2017: Portrait Kirsten Strehl

 
Du bist dabei einen Leihladen zu gründen, was ist das?

Im Grunde bin ich nicht alleine dabei, ihn zu gründen. Es gibt in Bochum einige Interessierte, mit denen ich gemeinsam die Idee verfolge. Den Leihladen kann man sich wie eine Bibliothek der Dinge vorstellen, allerdings nicht nur mit Büchern, sondern mit allerlei nützlichen Gegenständen für den nicht alltäglichen Bedarf. Zusätzlich kann er ein Ort für Austausch sein, nicht nur das Leihen von Gegenständen, auch Fertigkeiten könnten ausgetauscht werden, nach dem Motto „Biete Nähkurs gegen Gartenhilfe“. Es gibt verschiedene Ansätze, einen Leihladen zu betreiben. So kann man ihn über Mitgliedschaften, Ausleihgebühren oder zeitliches Einbringen durch die Übernahme einer Ladenschicht organisieren. Welche Gegenstände es gibt, hängt natürlich davon ab, was von Mitwirkenden eingebracht wird. Bestimmte Dinge eignen sich aber besonders wie die Bohrmaschine oder andere Werkzeuge, Küchenzubehör wie Raclette, Eismaschine oder Waffeleisen. Auch Campingausrüstung oder Fahrradanhänger sind erfahrungsgemäß geeignete Artikel.

Was hat dich auf die Idee gebracht?

Als Studentin hat man ja nicht allzu viel Geld und je nach Wohnsituation z. B. in einer WG nicht besonders viel Platz. Ein Leihladen ermöglicht aber den Zugang zu teureren Gegenständen für alle, egal ob „arm oder reich“. Zudem braucht man bestimmte Gegenstände relativ selten, so dass sich eine teure Anschaffung gar nicht lohnt da die Dinge in der Abstellkammer verstauben würden. Wie viele Minuten pro Jahr nutze ich beispielsweise eine Bohrmaschine?

Die Idee an sich ist nicht neu, Bibliotheken gibt es seit Jahrhunderten. In der veränderten Form, als Bibliothek der Dinge, gibt es auch schon einige Bespiele: Leila Berlin, Leipzig oder Heidelberg. Auch in Kanada, England, Österreich und der Slowakei ist die Idee bereits umgesetzt. Jetzt kommt Bochum!

Warum konnte der Leihladen noch nicht eröffnen? Was sind die Herausforderungen bei der Gründung?

In unserem Fall ist es so, dass finanzielle Mittel eine große Rolle spielen – Miete für den Laden, Nebenkosten, ggf. kleinere Anschaffungen. Aber auch Eigeninitiative und Übernahme von Verantwortung spielen eine Rolle. Was passiert wenn Gegenstände defekt sind, wer haftet? Ein Leihladen ist zudem zeitintensiv, regelmäßige Öffnungszeiten sollten gewährleistet sein. Der Leihladen muss von VerbraucherInnen als attraktives Angebot wahrgenommen werden.

Können VerbraucherInnen im Leihladen nachhaltig konsumieren?

Leider ist der Besitzgedanke in der Gesellschaft noch ausgeprägt, KonsumentInnen wollen neuwertige, technisch hochaktuelle Dinge und diese am besten anonym, unverbindlich und mit wenig Aufwand. Wir müssen auch mithilfe von mehr Öffentlichkeitsarbeit zeigen, dass es höchste Zeit ist, das bestehende Konsumverhalten zu ändern, und wir einen guten Ansatz haben, Ressourcen zu sparen.

Was empfiehlst Du Leuten, die auch einen Leihladen gründen oder sich informieren möchten?

Ich empfehle definitiv, sich zusammen zu tun, sich auszutauschen und zu recherchieren was es schon gibt. Die Webseiten www.leila-berlin.de & www.leihladen-bochum.de stellen viele Infos und Erfahrungen zur Verfügung. Wir freuen uns immer, wenn sich Leute melden und mitmachen möchten.
 

Interview: Johanna Sydow

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