Antibiotika in der Tierhaltung
Antibiotika sind für die Gesundheit von Mensch & Tier unentbehrlich. Ihre Wirksamkeit steht jedoch zusehends auf dem Spiel – schon heute gilt Ausbildung und Verbreitung von antibiotikaresistenten Erregern als eine der größten globalen Gesundheitsgefahren.
Bei Germanwatch behalten wir in erster Linie den Einsatz von Antibiotika in der industriellen Tierhaltung im Blick und treten politisch für strengere Regulierungen sowie auch Zucht- und Haltungsverfahren ein, die deutlich gesünder für die Tiere sind.
Was ist das grundsätzliche Problem?
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Was ist das grundsätzliche Problem?
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Antibiotika werden zur Behandlung schwerster Erkrankungen und als lebensrettende Medikamente zwingend gebraucht. Ihre Wirksamkeit zu bewahren gilt als eine der vordringlichsten Aufgaben in der Human- wie auch in der Veterinärmedizin.
Unbedachter, zu hoher und regelmäßiger oder auch missbräuchlicher Einsatz von Antibiotika begünstigt die Ausbildung von antibiotikaresistenten Erregern. Diese werden wiederum auf diversen Wegen verbreitet. In der Folge drohen immer mehr Antibiotika wirkungsloser zu werden – Krankheiten lassen sich immer schwerer oder auch gar nicht mehr behandeln.
Aufgrund der schon heute sehr kritischen Lage sprechen Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Beginn eines post-antibiotischen Zeitalters und einer anwachsenden Bedrohung in pandemischen Ausmaßen.
Antibiotika in der industriellen Tierhaltung
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Antibiotika in der industriellen Tierhaltung
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Neben diversen Herausforderungen zum besseren Umgang mit Antibiotika in der Humanmedizin ist im veterinärmedizinischen Bereich in erster Linie der Einsatz von Antibiotika in der industriellen Tierhaltung äußerst bedenklich. Die dort eingesetzten, auf Hochleistung gezüchteten und daher krankheitsanfälligen Tiere, die zumeist in großen Beständen gehalten werden, sowie weitere intensive Haltungsbedingungen führen zu einem hohen und regelmäßigen Einsatz von Antibiotika. Diese Bedingungen sind für die Ausbildung von Antibiotikaresistenzen hoch förderlich.
Gefahr aus den Ställen für den Menschen
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Gefahr aus den Ställen für den Menschen
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Antibiotikaresistente Erreger, aber auch die Wirkstoffe selbst geraten über die Abluft aus den Tierställen und über ausgebrachte Gülle oder Gärreste in die Umwelt (Luft, Böden, Oberflächengewässer, Grundwasser). Von dort aus können sie auf den Menschen übertragen werden. Auch die Erzeugnisse der Tierproduktion wie vor allem Fleisch, aber auch Rohmilch, sind nachweislich regelmäßig mit resistenten Keimen belastet. Und auch über den direkten Kontakt zu den Tieren können antibiotikaresistente Erreger auf den Menschen übertragen werden.
Auf den Menschen übertragene Erreger können entweder direkt schwer behandelbare Infektionen beim Menschen auslösen oder auch die wirksame antibiotische Behandlung anderweitiger Infektionen erschweren bis gänzlich unmöglich machen. Besonders bedrohlich wird es, wenn Erreger gegen sog. Reserveantibiotika resistent werden, die oft als einzige oder letzte Mittel zur Verfügung stehen. Als solche Antibiotika eingestuft werden sollten die “highest priority critically important antimicrobials” (WHO).
Antibiotika - Kernziele und Unterstützung
Antibiotika schützen, Resistenzen bekämpfen
Antibiotika gelten als Wunderwaffe der Medizin. Allerdings sollten wir sparsam damit umgehen. Denn ein übermäßiger Antibiotikaeinsatz erhöht das Risiko, dass sich resistente Erreger bilden. Mit weitreichenden Folgen: Schon heute sind antimikrobielle Resistenzen eine der häufigsten globalen Todesursachen. Dieser Report analysiert die Entwicklung des Antibiotikaeinsatzes in der deutschen Tierhaltung und zeigt auf Basis einer groß angelegten Stakeholderumfrage, wie der Antibiotikaverbrauch systematisch reduziert werden kann.
Unsere Kernziele und -aktivitäten
- Von der WHO als „highest priority critically important antimicrobials“ (HP CIA) eingestufte Antibiotika müssen vom Einsatz in der industriellen Tierhaltung ausgeschlossen werden.
- Senkung des generellen Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung insbesondere durch deutlich verbesserte Ansätze und Maßnahmen im Bereich der Tierzucht und -haltung. Bestehende Haltungssysteme müssen vor allem hinsichtlich der Tiergesundheit umgestaltet werden. Das wird auch eine innerbetriebliche wie allgemeine Tierbestandsreduktion einschließen.
- Wirkungsvolle Umsetzung der EU-Verordnung 2019/6 über Tierarzneimittel sowie nationaler Antibiotikaresistenz-Strategien besonders mit Blick auf Reserveantibiotika inkl. ausreichender und transparenter Monitoring- und Controlling-Systeme.
- Strikte und wirkungsvolle Umsetzung mind. des Ziels der Farm-to-Fork-Strategie, den europäischen Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung bis 2030 um 50 % zu reduzieren.
Um diese Ziele zu erreichen, fokussieren wir bei Germanwatch folgende Aktivitäten:
- Wir bereiten Informationen vermittelnd in Form von Artikeln, Vorträgen, (Presse-)Meldungen und Hintergrundpapieren auf.
- Wie sensibilisieren die Öffentlichkeit für das Thema antimikrobieller Resistenzen (AMR) aus der Tierhaltung.
- Wir beobachten politischen Prozesse rund um die Thematik, identifizieren und bearbeiten wichtige Hebelpunkte, um den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zu minimieren und die Wirksamkeit der wichtigsten Antibiotika für den Menschen zu bewahren.
- Wir bauen ein handlungsbereites europaweites Netzwerk zur Thematik auf, fördern dabei den interdisziplinären Austausch sowie die Zusammenarbeit von Organisationen aus verschiedensten Bereichen wie der Humanmedizin, der Veterinärmedizin, dem Umweltschutz sowie der Entwicklungszusammenarbeit.
- Wir prüfen rechtliche Möglichkeiten, um den Schutz vor Antibiotika-Resistenzen zu fördern, und decken durch Recherchen und Labortests Gesundheitsrisiken aus der industriellen Tierhaltung auf.
Was können Sie tun?
Bleiben Sie informiert und melden Sie sich zu unserem Newsletter an. Neben vielen weiteren Germanwatch-Themen halten wir Sie darüber auch immer wieder zu unserer Antibiotika-Arbeit auf dem Laufenden.
Sprechen Sie mit anderen über das Thema „Antibiotika in der industriellen Tierhaltung“ und helfen Sie dabei mit, mehr Aufmerksamkeit dafür zu schaffen.
Unterstützen Sie uns bei unserer täglichen Arbeit gegen die Resistenzgefahr aus den Ställen mit einer Spende. Schon kleine regelmäßige Beträge helfen uns dabei, die Thematik immer wieder auf die politische Agenda zu setzen.
Gemeinsam können wir einen Wandel im Antibiotikaeinsatz bewirken und nicht zuletzt große Veränderungen in der Tierzucht und -haltung anstoßen.
Antibiotika in der Tierhaltung II
Hintergründe und weiterführende Informationen
- Blog: Antibiotikaresistenzen schwächen Schlachthofbeschäftigte und Krankenhäuser (13.05.2020)
- Blog: Corona-Krise: Wirksame Medikamente gesucht – wie im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen (31.03.2020)
- Gemeinsamer Brief an EU-Kommission zu Verbot von Reserveantibiotika in Tierfabriken (28.02.2020)
- Stellungnahme zum Referententenwurf für die 17. Novelle des Arzneimittelgesetzes (12.02.2020)
- Analyse von Hähnchenfleisch auf antibiotikaresistente Erreger. Mehr als jede zweite Fleischprobe mit Antibiotikaresistenzen kontaminiert – darunter Colistin-Resistenzen (16.04.2019)
- ZDF-Dokumentation "Achtung, Essen! Keime. Resistente Keime breiten sich immer mehr aus - warum?" (u.a. mit Stellungnahmen von Germanwatch)
Aktuelles zum Thema
Die Ergebnisse des gestern veröffentlichten Keimberichts des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) kommentiert die Entwicklungs- und Verbraucherschutzorganisation Germanwatch: Aus Sicht von Germanwatch zeigen die überhöhten Keimbelastungen, dass die deutsche Geflügelfleischindustrie ihr Hygieneproblem nicht in den Griff bekommt. "Die anhaltend hohen Belastungen von Geflügelfleisch mit Darmkeimen sind vor allem ein Resultat der industriellen Massentierhaltung und der Großschlachthöfe. Die Ergebnisse zeigen, dass die Industrialisierung der Tierhaltung und Schlachtung eine gefährliche Sackgasse bildet“, sagt Reinhild Benning, Agrarexpertin bei Germanwatch.
Zwei von fünf Reserveantibiotika, die für Menschen bei Resistenzen lebensrettend sein können, sind im vergangenen Jahr massenhaft in Tierfabriken eingesetzt worden. Colistin ist mit 74 Tonnen mittlerweile eines der meistgenutzten Antibiotika in der Massentierhaltung, Makrolide sind mit 59 Tonnen im Vergleich zum Vorjahr sogar in steigenden Mengen verabreicht worden. Dies geht aus dem neuen Bericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hervor. Reserveantibiotika werden in der Humanmedizin benötigt, wenn andere Antibiotika bei Infektionen nicht mehr wirken. Sie sind also eigentlich für Notfälle gedacht.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat heute offiziell die Evaluierung des Antibiotika-Minimierungskonzeptes vorgestellt. Reinhild Benning, Agrarexpertin von Germanwatch, kommentiert den Bericht: „Je mehr auf industrielle Massentierhaltung gesetzt wird, desto unwahrscheinlicher ist die weitere Reduktion von Antibiotika in der Tierhaltung und desto höher auch die Resistenzraten in der Lebensmittelkette. Wir fordern ein sofortiges Verbot der Reserveantibiotika in Tierfabriken und eine Verbesserung der Haltungsvorschriften im Stall, damit Tiere nicht mehr systembedingt krank werden."
Berlin (29. Mai 2019). Die heute bekannt gewordene Auswertung der staatlichen Antibiotikadatenbank bestätigt, dass in deutschen Tierhaltungen weiterhin massenhaft Antibiotika eingesetzt werden. Dadurch steigt das Risiko der Ausbreitung von Resistenzen. Besonders bedenklich: Für den Menschen besonders wichtige Reserveantibiotika werden wieder häufiger in der Tierhaltung genutzt. Ärzte benötigen Reserveantibiotika beim Menschen, wenn andere Antibiotika nicht mehr wirken.
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Germanwatch e.V.
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Bildnachweise: Titel links „Putenstall“ von Uschi Dreiucker/Pixelio; Titel Mitte „Antibiotika-Kuh“ von Peter Hermes Furian/Fotolia; Titel rechts „Intensivstation“ von Satyrenko/Fotolia; sonstige Bilder von Germanwatch e.V.