Forschung zu Antibiotikaresistenzen bei Masthühnern stützt einseitig die Geflügelindustrie
Ein Bündnis aus Germanwatch, PAN Germany, Human- und Tiermediziner*innen sowie Tierarzneimittelexpert*innen kritisiert die Einseitigkeit der staatlichen Forschungsförderung des Bundeslandwirtschaftsministeriums, BMEL, beim Projekt EsRAM zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen. Die Forschungsgruppe mit besonders starkem Einfluss eines Geflügelkonzerns und eines Pharmakonzerns werde mit 2,6 Millionen Euro staatlicher Forschungsförderung finanziert und gehe mehrheitlich Fragestellungen nach, von denen einseitig Unternehmen der industriellen Hähnchenfleischproduktion und der Antibiotikaverkäufer profitierten. Das lege den Verdacht nahe, dass Fleisch- und Pharmafirmen die BMEL-Forschung als Selbstbedienungsladen nutzen dürfen.
Das System der industriellen Mast sei dafür verantwortlich, dass jährlich Hunderte von Tonnen an Antibiotika in Tiere und mit der Gülle und mit Schlachthofabwässern auch in die Umwelt gelangen. Hähnchenhaltung in Tierfabriken verursachten anhaltend hohe oder steigende Resistenzraten auf Fleisch. Die Forschungsfragen im Rahmen von EsRAM ignorierten Erkenntnisse staatlicher Monitorings, denen zufolge alternative Verfahren der Hähnchenmast wie etwa im Ökolandbau die Resistenzraten minimierten. Das Bündnis fordert, öffentliche Forschungsgelder nicht mehr in Fragen zur industriellen Massentierhaltung zu investieren, das System sei im Vergleich zu anderen Tierhaltungsverfahren mit Blick auf Nachhaltigkeit gescheitert.
Es sei zwar grundsätzlich begrüßenswert, bei Masthühnern aus Massentierhaltungen anzusetzen, um Antibiotikaresistenzen zu reduzieren. So habe erst im April 2019 ein Labortest im Auftrag von Germanwatch ergeben, dass 56 Prozent der Hähnchenfleischproben von deutschen Geflügelkonzernen, die in Discountern gekauft wurden, kontaminiert sind mit antibiotikaresistenten Erregern. Zudem beschreibe das BMEL im Lagebild zur Antibiotikaresistenz die steigenden Resistenzraten gegen das Reserveantibiotikum Colistin bei Masthühnern. Nach Ansicht des Bündnisses müsse das Bundeslandwirtschaftsministerium die Forschungsmittel zu Antibiotikaresistenzen aber künftig nach ausgeglichenen Kriterien einsetzen und gesellschaftlich geforderte Formen der Fleischerzeugung deutlich stärker einbeziehen und die Universitäten, die hierzu forschen, fokussiert berücksichtigen.
Überfällig sei in diesem Zusammenhang eine systematische Auswertung der vorhandenen Daten, welche Tierhaltungen, welche Zuchtlinien und welches Futter für die jeweilige Tierart den geringsten Antibiotikabedarf aufweisen. Nach Beobachtungen des Bündnisses stellten Zuchtlinien ohne Qualzucht und auch tiergerechtere Haltungen mit doppeltem Platzangebot je Tier und Außenklimabereichen, tiergerechte Fütterung mit heimischen Futtermitteln und eine entsprechend neue Qualität der Tierbetreuung besonders effektive Maßnahmen dar, um gesellschaftlich akzeptierte Formen der Fleischerzeugung einhergehend mit einer erfolgreichen Antibiotikaminimierung zu erreichen.Das Bündnis bedauerte, dass bei 18 Prozent Überproduktion an Hähnchenfleisch in Deutschland Fleischkonzerne in der Lage seien, die Erzeugerpreise teils unter die Kostengrenze zu drücken. Überschüsse und Exporte müssten beendet und eine staatliche Haltungskennzeichnung müsse für die Fleischwirtschaft zur Pflicht werden, um Landwirt*innen endlich Planungssicherheit zu geben, wenn sie den Tieren mehr Platz im Stall bieten und somit zur Reduktion des Antibiotikabedarfs beitragen.
Kontakte:
- Reinhild Benning, Germanwatch-Agrarexpertin, M: 0175-7263779; benning@germanwatch.org
- Tamara Gripp, PAN Germany-Referentin Landwirtschaft / Umwelt (Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.); M: 015730349258; tamara.gripp@pan-germany.org
- Dr. Jutta Weinmann, Ärzte gegen Massentierhaltung, Tel: 0441 36183330; dres.weinmann@ewetel.net
- Dr. Claudia Preuß-Ueberschär, Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V., M: 0171 2607584; cpreussueberschaer@googlemail.com
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