Monopoly oder Biopoly 

Weitblick Artikel

Monopoly oder Biopoly 

Geistige Eigentumsrechte, Biopiraten und die Konvention über biologische Vielfalt

 

"Neue Patentgesetze kümmern sich kaum um die Kenntnisse der indigenen Bevölkerung, die damit den Ansprüchen von außen schutzlos ausgesetzt ist. Diese Gesetze ignorieren die kulturelle Vielfalt bei der Schaffung von Innovationen und der Teilhabe daran. Ebenso wenig berücksichtigen sie die vielfältigen Ansichten darüber, was Gegenstand von Eigentumsansprüchen sein kann und darf: von Pflanzensorten bis zum menschlichen Leben. Das Ergebnis ist ein stillschweigender Diebstahl von über Jahrhunderte erworbenem Wissen, der von den entwickelten Ländern an den Entwicklungsländern begangen wird."

Mit diesen deutlichen Worten beschreibt das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) in seinem Bericht über die menschliche Entwicklung 1999 den Skandal der Biopiraterie. Doch die Piraten von heute benötigen zur Aneignung fremden Eigentums nicht mehr Enterhaken und Degen. Ihre Waffen sind Patente, Geld und die Globalisierung des Patentsystems durch das Abkommen über handelsbezogene geistige Eigentumsrechte (Trade Related Intellectually Property Rights - TRIPS) der Welthandelsorganisation (WTO) mit ihrem Streitschlichtungsmechanismus.

Nun ist generell ein Schutz geistiger Eigentumsrechte nicht verwerflich. Doch wem gehört das zu Schützende und wer kann das Patentrecht in Anspruch nehmen? Zu letzterem bedarf es Wissen, Macht und Geld. Mit Blick auf die Länder des Süden sind die Fakten eindeutig: So sind in Afrika 95, in Latein-Amerika fast 85 und in Asien 70 Prozent der Patente im Besitz von Personen und Unternehmen aus den Industrienationen. Das Patentsystem arbeitet also für die Industrieländer, und durch das TRIPS-Abkommen wird es zur herrschenden Norm auch für den Umgang mit biologischen Ressourcen. TRIPS ist seit dem 1. Januar 1995 in Kraft und muss von allen Mitgliedsstaaten (derzeit 139) der WTO umgesetzt werden. Allerdings erhielten die Entwicklungsländern eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2000, die am wenigsten entwickelten Ländern bis zum 1. Januar 2006. Verstöße gegen das Abkommen können durch den Streitschlichtungsmechanismus der WTO und mit Strafmaßnahmen geahndet werden.

Einen deutlich anderen Weg, die Frage nach den Eigentumsverhältnissen zu beantworten, ist das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) gegangen. Diese 1992 in Rio verabschiedete und inzwischen von rund 175 Staaten ratifizierte Konvention:

  • erkennt die souveränen Rechte der Staaten über ihre biologischen Ressourcen an;
  • legt fest, dass der Zugang zu biologischen Ressourcen nur nach vorheriger Zustimmung der Staaten erfolgen kann;
  • schützt und fördert die Rechte von Gemeinschaften, Bauern und indigener Völker an ihren biologischen Ressourcen und Wissenssystemen;
  • fordert eine gerechte Teilung der Gewinne aus einer industriellen Nutzung der biologischen Ressourcen einer Gemeinschaft und ihres Wissens;
  • erklärt, dass Rechte des geistigen Eigentums nicht mit der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt in Konflikt stehen dürfen.

Während TRIPS nur die private Aneignung von genetischen Ressourcen durch Patente kennt, erlaubt die Konvention über biologische Vielfalt durchaus gemeinschaftliche Rechte an diesen Ressourcen. Anders als TRIPS beinhaltet die CBD zudem das Prinzip des "benefit sharing". Darunter ist ein Vorteilsausgleichs für denjenigen, der eine Ressource geschützt und gepflegt hat, zu verstehen; er soll an den Gewinnen aus der industriellen Nutzung der Ressourcen teilhaben. Durch die unterschiedliche Regelung der Eigentumsverhältnisse stehen TRIPS und CBD im krassen Widerspruch zu einander. Sie liefern damit ein klassisches Beispiel für den Konflikt zwischen einem internationalen Umweltabkommen und den Handelsregeln der WTO. Wie sich der Konflikt weiterentwickeln wird, ist ungewiss. Zum einem forderten zahlreiche Entwicklungsländer leider bisher ergebnislos, das TRIPS-Abkommen durch die Aufnahme eines generellen Patentierungsverbot für Leben und durch die Berücksichtigung traditioneller Saatgutsysteme so zu verändern, dass es nicht mehr im Widerspruch zur CBD steht. Andererseits werden erst in den nächsten Jahren die Aussagen der CBD zu Zugang und Vorteilsausgleich durch ergänzende Regelungen konkretisiert und greifbar. Trotzdem sind die USA schon jetzt dabei, die schärfste Waffe der WTO, das Streitschlichtungsverfahren, auch im Falle von TRIPS einzusetzen. So wollen die USA Argentinien und Brasilien vor die WTO-Richter bringen, da beide Länder bisher das TRIPS-Abkommen nicht ausreichend umgesetzt haben.

Jürgen Knirsch