Nachhaltigkeitsberichtspflicht

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Nachhaltigkeitsberichtspflicht

 

Blick nach Großbritannien

Schon ein Jahr früher als Deutschland hat Großbritannien die Nachhaltigkeitsberichtspflicht eingeführt. In Großbritannien sind relativ rasch Produkte mit ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien von den Anbietern angeboten worden. Von den 25 größten Pensionsfonds versprechen 21, sozial verantwortlich zu investieren. Doch ist Großbritannien nicht nur gutes Vorbild. Obwohl Anlagekriterien zunehmend Eingang in die Anlagestrategie gefunden haben, werden die Fondsmanager nicht auf deren Einhaltung verpflichtet und Monitoring findet nicht immer statt. Ethische, soziale und ökologische Anlagestrategien sind Teil der öffentlichen Debatte und in den Willenserklärungen der Pensionsfonds vertreten. Für die konsequente Einhaltung der eigenen Anlagekriterien sind aber öffentlicher Druck, Transparenz und verantwortliches Verhalten der Branche gefordert.

Nachhaltigkeitskriterien sind gefragt - Chancen für Anbieter

Der Bundesverband Deutscher Investment Gesellschaften (BVI) hatte rasch nach Gesetzesverabschiedung einen Mustervertrag entwickelt, indem es heißt, dass zu Gunsten der Rendite auf ethische, soziale und ökologische Investments verzichtet wird. Während so mancher Anbieter diese Formulierung übernahm - wohl in der Hoffnung es merkt keiner - betrachten die kreativen und innovativen Anbieter die Nachhaltigkeitsberichtspflicht als Chance. Auch BVI-Mitglieder erklärten, sie werden nachhaltig investierende, staatlich geförderte Altersvorsorgeprodukte auf den Markt bringen. Erste Anbieter kamen aus der "grünen" Ecke, aber verstärkt entwickelten auch klassische Finanzdienstleister solche Produkte. So werden Versiko und die Bochumer GLS-Bank ein "grünes" Riester-Renten-Produkt entwickeln; SEB, der Gerling-Konzern und die HypoVereinsbank planen, solche Produkte anzubieten, und bei der Allianz befasst sich eine Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit mit dem Thema. Die Marketingabteilung der "grünen" Riester-Renten-Pioniere wird es zu nutzen wissen, dass hier verantwortungsvolle Entscheidungen, die die Absicherung der persönlichen Zukunft nicht zu Lasten der gesellschaftlichen Zukunft gehen lassen, getroffen worden sind - und das bei vergleichbarer Rendite.

Machtzuwachs für Gewerkschaften nutzen

Für deutsche Gewerkschafter brachte die Rentenreform eine neue Situation, erstmals können sie bei der Verwaltung der Altersvorsorgerücklagen mitentscheiden. Ein ganz neues Feld der politischen Einflussnahme tat sich auf. Es geht um große Summen. Amerikanische Pensionsfonds verwalteten im Jahr 2000 das vierfache des US-Staatshaushaltes. Die Probleme, die diese Machtkonzentration haben kann, werden hier nicht weiter behandelt. Das eigentliche Anlagegeschäft wird externen Finanzdienstleistern überlassen; kurzfristige politische Einflußnahme soll es durch die Pensionsfonds nicht geben. Auch wenn der Gedanke für viele Gewerkschafter verlockend ist, die Verletzung von Umwelt- und Sozialstandards durch das Abstoßen von Aktienpaketen abzustrafen. Die Anlagekriterien wollen und sollten die Gewerkschaften jedoch mitgestalten. Und hier wird es spannend. Die Konfliktlinie läuft zwischen der Erwartung, eine möglichst hohe Rendite für die Mitglieder zu erzielen, und dem Anspruch der Umsetzung ethischer, ökologischer und sozialer Standards gerecht zu werden. Dies ist jedoch nur im kurzfristigen Anlageverhalten der Fondsmanager ein Widerspruch; langfristig wird das eine nur mit dem anderen zu haben sein. Pensionsfonds sind Anlageformen mit einer Laufzeit von 20, 30 und bis zu 40 Jahren. Der Wert eines Quartalsberichts schwindet angesichts dieser zeitlichen Dimension. Durch Anlagekriterien lassen sich ureigenste gewerkschaftliche Anliegen vertreten: Gleichberechtigung, Arbeitsplatzsicherheit, Gesundheitsschutz, Vereinigungsfreiheit, Menschenrechte. Was hier zählt, ist der grundlegende Erhalt der ökologischen und sozialen Produktionsfaktoren, der Erhalt der Umwelt, der Gesundheit des Menschen und die Stabilität und der Zusammenhalt der (nationalen und globalen!) Gesellschaften. Kurzfristiges Denken mag die Rendite kurzfristig (0,5-2 Jahre) hochtreiben, doch gefährden Kinderarbeit, das Auseinanderklaffen der sozialen Schere in Industrieländern und Ressourcenverschwendung die Grundlage allen Wirtschaftens.

Bewegung in Unternehmen

Schätzungen gehen davon aus, dass von den bis 2008 investierten 80 Mrd. DM 60 - 70% auf Pensionsfonds entfallen. Pensionsfonds zählen zu den institutionellen Anlegern, die große Volumina bewegen. Und damit werden sie für kapitalsuchende Unternehmen interessant. Ein nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen ist attraktiv für einen ganz neuen und stark wachsenden Markt von nach Anlagemöglichkeiten suchenden institutionellen Anlegern.

Verbraucherschutz und Transparenz nötig

Damit sich diese Dynamik zu mehr Nachhaltigkeit im Finanzsektor entfalten kann, sind fördernde Rahmenbedingen nötig. Die Fakten (z.B. Armbruster, 2000) sprechen eine immer deutlichere Sprache: Anlageformen mit ethisch, ökologischen und sozialen Kriterien haben im Durchschnitt eine "mindestens gleichwertige" Performance (Butz/Plattner 1999) ; langfristig bieten Unternehmen mit einer Nachhaltigkeitsstrategie im brancheninternen Vergleich eine bessere Performance. Ein erster wichtiger Schritt zu Nachhaltigkeit im Finanzsektor wird nur durch Transparenz zu erreichen sein. Auch aus Gründen des Verbraucher- und Anlegerschutzes muss die begonnene Entwicklung zu Transparenz in Anlageprodukten gestärkt fortgeführt werden. Neben Rendite, Risiko und Liquidität muss die Mittelverwendung eine selbstverständliche Größe der persönlichen und der institutionellen Anlageentscheidung werden. Der Anfang ist gemacht.

Stefan Rostock

 

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