Debatte um Recht auf Nahrung
Debatte um Recht auf Nahrung
Es ist für uns Mitglieder einer Wohlstandsgesellschaft schwer nachvollziehbar, wieso es keine Welt ohne Hunger geben kann. Immer wieder wird betont, dass eigentlich genug Nahrungsmittel da sind, um alle Menschen satt zu machen. Trotzdem sind über 800 Millionen Menschen unterernährt und diese Zahlen gingen in den letzten Jahren kaum zurück. Fehlender politischer Wille wird immer wieder als Ursache genannt und damit verbunden die mangelnde Bereitschaft beklagt, zur Ernährungssicherung Aller die nötigen Ausgaben zu tätigen.
Fünfeinhalb Jahre nach dem Welternährungsgipfel in Rom treffen sich die Regierungen nun erneut, um zu überprüfen, ob man dem Ziel, wenigstens die Hälfte der Unterernährung bis zum Jahr 2015 beseitigt zu haben, näher gekommen ist. Die Antwort wird beschämend ausfallen. Ein dem Wortlaut nach sehr zielgerichteter und angemessener Aktionsplan von Rom hatte leider eine Schwäche: Die Aktionen sollten nichts kosten. So wird es wieder ein Gipfel mit zahllosen moralischen Appellen sein. Was kann an Neuem passieren, wenn niemand will, dass etwas passiert?
Der Rio-Prozess für nachhaltige Entwicklung tritt mit Johannesburg in eine neue Phase ein und in Rom wird man schon etwas davon spüren. Es ist der zähe, aber unaufhaltsame Übergang von den “weichen”, freiwilligen Absichtserklärungen ohne Verbindlichkeit à la Agenda 21 zu den einklagbaren, mit Kosten verbundenen “harten” Abkommen wie das Kioto-Protokoll: Reduktionspflichten werden mit Strafen verknüpft, wenn die Ziele nicht eingehalten werden (so unzureichend die Ziele noch sind).
Verhandelt wird in Rom über einen Verhaltenskodex für Staaten zum Recht auf Nahrung.
Das Recht auf Nahrung - eines der am häufigsten gebrochenen Rechte - ist ein Menschenrecht, verbindlich wie alle Menschenrechte, aber nicht mit Strafe bewehrt.
Bereits beim Welternährungsgipfel 1996 war der Entwurf eines Verhaltenskodex zum Recht auf Nahrung als Auftrag an die Staatengemeinschaft formuliert worden und ist in der Folge auf Initiative von FIAN entstanden. Über 800 zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen diesen Entwurf. Weil es einige Staaten gibt, die den Auftrag ernst nehmen - darunter prominent die Bundesregierung - steht der Kodex heute, fünf Jahre später, in Rom auf der Tagesordnung. Inhaltlich will der Kodex genau festlegen, was die Pflichten von Staaten gegenüber ihren Bevölkerungen sind, wenn deren Ernährung gefährdet ist. Auch für multinationale Unternehmen würden diese Pflichten genauer definiert.
Für Betroffene von Ernährungsunsicherheit wäre der Kodex ein großer Fortschritt, da sie sich darauf berufen könnten, wenn sie ihre Rechte einklagen!
Ein weiteres zentrales Thema wird in Rom die Forderung sein, Terminator-Technologien in der Pflanzenproduktion zu verbieten. Dieses sehr technische und spezielle Thema wurde von den NRO so stark in den Mittelpunkt gestellt, weil Terminator-Technologien die Abhängigkeit der Bauern von den multinationalen Saatgutfirmen enorm verstärken würden.
Terminator-Technologien erzeugen steriles Saatgut und verhindern dadurch den Nachbau einer Sorte in der zweiten Generation durch die Bauern. Das wäre für die Ernährungssicherung ein großer Nachteil.
GERMANWATCH wird in Rom die Rolle der Multis bei der Ernährungssicherung in den Mittelpunkt stellen und dabei die Chancen, aber auch die Grenzen von Verhaltenskodizes - insbesondere auch des genannten Verhaltenskodexes zum Recht auf Nahrung - sowie der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen diskutieren.
Rainer Engels