Unterbieten Verbieten!

Weitblick Artikel

Unterbieten Verbieten!

 

"Unterbieten Verbieten" heißt die neue Germanwatch-Kampagne, die im Januar 2003 auf der Grünen Woche in Berlin vorgestellt wurde. Sie richtet sich gegen den Verkauf europäischer Lebensmittel unterhalb der tatsächlichen Produktionskosten. Das passiert sowohl im Inland als auch im Ausland, vor allem sind Entwicklungsländer davon betroffen.

Dieses Dumping-Problem wird in den WTO-Agrarverhandlungen nicht ausreichend thematisiert. Das derzeitige Regelwerk erlaubt den USA und der EU die Unterstützung ihrer Landwirte in unbegrenzter Höhe, solange diese Zahlungen nicht direkt produktionsfördernd oder preiswirksam sind. Die Förderung der Landwirte durch Direktzahlungen tritt an Stelle von Preisgarantien und verschleiert das Ausmaß des Dumpings: Landwirte bzw. die Agrarhandelsfirmen und die weiterverarbeitende Industrie können deutlich unterhalb der tatsächlichen Produktionskosten verkaufen und brauchen deshalb beim Export kaum noch spezielle Subventionen. Derzeit ist Dumping nicht Thema der WTO-Agrarverhandlung, sondern nur diese "Exportsubventionen". Diejenigen WTO-Mitglieder der OECD, die ein hohes Subventionsniveau haben, sind nur zur begrenzten Reduzierung ihrer Agrarsubventionen bereit. Gleichzeitig gewähren sie den Entwicklungsländern aber auch kein wirksames Instrument gegen Dumping in der WTO.

Entwicklungsländer fordern immer massiver und geschlossener, effektive Schutzinstrumente gegen Dumping durchführen zu können. Dabei geht es ihnen vornehmlich darum, den aufwendigen und teuren "Schädigungsnachweis" (der lt. WTO Bedingung für einen Antrag auf Schutzmaßnahmen notwendig ist) umgehen zu können. In einer eingeschränkten Version wird das zumindest für die für die Ernährungssicherung wichtigen Nahrungsmittel verlangt. Die Industrieländer müssen den Entwicklungsländern in Bezug auf die Verbesserung ihrer defensiven Rechte entgegenkommen und unter Beweis stellen, dass sie es mit der Armutsbekämpfung ernst meinen. Das kann sie aber nicht davon entbinden, die Ursache von Dumping zu bekämpfen.

Germanwatch setzt sich daher für eine Reform der Europäischen Agrarpolitik ein, die jede Art von Dumping zukünftig verhindert. Germanwatch setzt sich für Schutzinstrumente der Entwicklungsländer im Agrarabkommen ein. Germanwatch schließt zu diesem Ziel Bündnisse mit zahlreichen gesellschaftlichen Gruppen, um eine breit angelegte Unterstützung für unsere zentrale Forderung zu gewinnen. Schwerpunkt der Kampagne wird zunächst das Dumping mit Milch sein.

Was ist Dumping?

Dumping liegt dann vor, wenn Waren eines Landes unterhalb ihrer Produktionskosten auf den Markt gebracht werden. Die Produktion eines Doppelzentners Weizen kostet z.B. in Baden-Württemberg 16,64 Euro. Verkauft wird der Weizen aber auf dem Binnenmarkt für 11,73 €, auf dem Weltmarkt für 13,70 €. Bei Rindfleisch liegen die Vollkosten bei 3,56 €/kg, der Verkaufspreis auf dem Binnenmarkt liegt bei 2,62 € und auf dem Weltmarkt bei 2,05 €. Zusammen mit der Marktmacht der Handelsketten, die den Preis zum Teil noch weiter herunter drücken, hat dies Auswirkungen auf dem europäischen Markt, wo diese Billigpreise vor allem für kleinere Betriebe - trotz massiver Unterstützung durch die EU - kaum zu einem ausreichenden Einkommen führen (die europäischen Landwirte arbeiten zu Entlohnungen weit unter vergleichbaren gewerblichen Löhnen). Damit werden aber vor allem auch die Preise der lokalen Anbieter auf den Märkten der Entwicklungsländer unterboten. Dumping wird praktiziert, wenn ein Land es sich leisten kann, mit staatlicher Hilfe Überschüsse zu produzieren und zu exportieren. Motive hierfür können sein:

  • den eigenen Landwirten garantierte Preise zu bieten;
  • den eigenen Landwirten bei fallenden Preisen zumindest ein ausreichendes Einkommen zu garantieren;
  • Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt zu erreichen.


Die Europäische Gemeinschaft betreibt eine solche Politik!

In der EU findet Landwirtschaft unter Bedingungen erheblicher staatlicher Unterstützung statt. Der Anteil öffentlicher Nettozuwendungen am Familieneinkommen eines Agrarbetriebes betrug 1997 47,4 %. Je nach Betriebsform sind es sogar bis zu 76,1 % (bei Rindfleischbetrieben). Die jährlichen Haushaltsausgaben zugunsten der Gemeinsamen Agrarpolitik belaufen sich auf fast 60 Mrd. € (EU-Haushalt plus nationale Haushalte der Mitgliedsländer).

Hinzu kommt der Unterschied zwischen dem Weltmarktpreis und dem Binnenmarktpreis, der durch das staatliche Interventionssystem aufrechterhalten wird. Diese Preisdifferenz, die die Verbraucher bezahlen müssen, belaufen sich auch noch einmal auf ca. 50 Mrd. €, so dass das Gesamt-Subventionsniveau bei etwa 110 Mrd. € liegt. Problematisch sind diese hohen Unterstützungszahlungen dort, wo Überschüsse produziert und dann exportiert werden. 1999 exportierte die EU Agrarerzeugnisse im Wert von 17,57 Mrd. € in Entwicklungsländer (34,3 % der Gesamt-Agrarexporte).

Exportiert werden paradoxerweise auch Produkte, bei denen ein Teil des einheimischen Konsums durch Importe gedeckt werden muss: Neben Zucker (wo es um vertraglich garantierte Lieferungen aus Entwicklungsländern geht), wird auch bei Tabak, Baumwolle und Reis ein Teil der Eigenproduktion exportiert - alles Produkte, die die EU nicht in ausreichender Qualität selbst erzeugt und daher für den eigenen Markt einführt. Erhebliche Mengen der oben genannten EU-Erzeugnisse werden in die 70 AKP-Länder (Afrika, Karibik, Pazifik) exportiert. Von den Gesamtexporten in diese Region machen die landwirtschaftlichen Produkte immerhin 13,5 % aus, bei den vier Mercosur-Ländern (Brasilien, Paraguay, Argentinien und Uruguay) sind es 4,0%. Aus Sicht dieser Länder ist das eine erhebliche Menge mit großen Auswirkungen auf den heimischen Markt.

Die Germanwatch-Kampagne "Unterbieten Verbieten" macht den unfairen Wettbewerb zwischen subventionierter europäischer und nicht-subventionierter Landwirtschaft in Entwicklungsländern zum Thema.

Wir begleiten die gesamten WTO-Agrarverhandlungen, personell und inhaltlich. Wir machen Lobbyarbeit in deutschen Ministerien, in der EU, und bei den WTO-Verhandlern. Wir vernetzen uns mit Verbänden wie Fian, EED, attac, Weltläden und anderen. Auch die gemeinsame Postkarten-Aktion "Billige Lebensmittel machen Hunger" ist Teil dieser Kampagne.

Rainer Engels

 

Zuletzt geändert