Zertifizierung von Biokraftstoffen
Zertifizierung von Biokraftstoffen
Biokraftstoffe sind derzeit in aller Munde: ob als klimaschonende Ergänzung zu Erdöl und Benzin, als neue Einnahmequelle für Landwirte oder als Ersatz für Agrar-Exportsubventionen und damit als Hoffnung für die WTO-Verhandlungen. Die Europäische Union hat es sich zum Ziel gesetzt, die Beimischung von Biokraftstoffen zu Benzin und Diesel bis 2010 auf 5,75 Prozent zu erhöhen, bis 2020 sogar auf mindestens zehn Prozent. Der dadurch benötigte Ethanol- und Biodiesel kann nur zum Teil in Europa produziert werden, und Importe aus Entwicklungsländern werden notwendig.
Gleichzeitig werden Biokraftstoffe aus verschiedenen Gründen kritisiert. Zum einen fallen die Einsparungen an Energie und Treibhausgasen über den ganzen Produktionsprozess betrachtet oft gering aus, da Maschinen, Dünger und Verarbeitung der Energiepflanzen fossile Energie brauchen. Der großflächige Anbau kann zudem ganze Ökosysteme bedrohen und Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe treiben. Jüngstes Beispiel hierfür sind die als "Tortillakrise" bezeichneten enormen Preissteigerungen für Maismehl in Mexiko, auch aufgrund des hohen Bedarfs an Ethanol in den USA. In Indonesien werden große Regenwaldflächen für Palmölplantagen abgeholzt.
Die Politik steht unter Handlungsdruck. Damit sich der steigende Verbrauch von Biokraftstoffen nicht negativ auswirkt, müssen Regeln geschaffen werden, die auch für Importe gelten. Im Rahmen der EU-Präsidentschaft will Deutschland dazu einen Zertifizierungsvorschlag erarbeiten und im Sommer vorstellen.
Was ist dabei zu bedenken? Grundsätzlich gilt: Auch durch den intensivsten Einsatz von Pflanzenenergie kann der derzeitige Energiebedarf nicht gedeckt werden. Effizienz und Einsparungen müssen daher an erster Stelle stehen.
Es sollten die Formen der pflanzlichen Energie gefördert werden, von denen die größten Einsparungen bei den Treibhausgasemissionen zu erwarten sind. Biokraftstoffe für Autos schneiden hier in den meisten Berechnungen schlechter ab als Biogas oder die direkte Verbrennung als Kohleersatz. Daher ist zu überlegen, ob die Biokraftstoffquoten nicht in Bioenergiequoten umgewandelt werden sollten.
Um negative Wirkungen des Anbaus zu vermeiden, müssen entsprechende Standards verankert werden. Dabei ist zu beachten, dass auch zukünftig die meisten Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt werden. Aus diesem Grund müssten Standards für eine nachhaltige Flächennutzungspolitik konsequenterweise die gesamte Fläche umfassen und nicht nur jenen Teil, der für Energiepflanzen genutzt wird. Gibt es keine effektive Landnutzungspolitik, sollten Biokraftstoffe nur von Flächen stammen, die nicht für die Erzeugung von Nahrungsmitteln geeignet sind und keine besondere Bedeutung für die Biodiversität haben.
Es ist vorhersehbar, dass bei steigenden Preisen für Biokraftstoffe weitere Flächen für den Export entsprechender Pflanzen genutzt werden statt für Lebensmittel. Steigende Lebensmittelpreise, die besonders die arme städtische Bevölkerung und die marginalisierte ländliche Bevölkerung treffen, wären die Folge. Die lokale Bevölkerung muss daher umfassend und vollständig über die Folgen des großflächigen Anbaus von Biokraftstoffen informiert sein (Prinzip: Prior Informed Consent) und auf dieser Grundlage in Entscheidungen einbezogen werden. Der Anbau von Biokraftstoffen könnte eine Einnahmequelle für Kleinbauern in vielen Entwicklungsländern sein. Damit diese Chancen allerdings genutzt werden können, müssen Kleinbauern an der Wertschöpfung beteiligt sein. Da für sie eine Zertifizierung schwer zu organisieren, sehr aufwändig und teuer ist, muss zudem eine Gruppenzertifizierung möglich sein.
Solange Biokraftstoffe mit Nahrungsmitteln konkurrieren, sollte ein Import nur dann möglich sein, wenn damit Einkommensmöglichkeiten für Kleinbauern geschaffen werden. Bis geklärt ist, wie der Ausbau von Biokraftstoffen mit der Ernährungssituation in vielen Entwicklungsländern (auch solchen, die gar keinen Biosprit erzeugen) vereinbar ist, sollten hohe Zielsetzungen vermieden werden.
Kerstin Lanje, Christoph Bals, Tobias Reichert