Die dunklen Seiten der leuchtenden Informationselektronik
Die dunklen Seiten der leuchtenden Informationselektronik
Computer, Laptops und Handys gehören inzwischen zum täglichen Leben. Mehr als 90 Prozent der Jugendlichen in Deutschland haben ein Handy, 60 Prozent der Deutschen besitzen einen Computer. So verbreitet diese Produkte sind, so wenig bekannt sind die damit verbundenen Probleme: Die moderne Kommunikationselektronik hat zwar ein sauberes Image, aber die Realität sieht oft anders aus.
Das beginnt schon mit den Rohstoffen: Kupfer, Gold, Coltan und zahlreiche weitere Minerale sind Bestandteile von Handys und Laptops. Viele davon werden unter miserablen Bedingungen in Entwicklungsländern gewonnen. Gebaut werden die Geräte zum Teil in Osteuropa, vorwiegend aber in Lateinamerika und Asien. Die Hälfte der Notebooks stammt mittlerweile aus China.
Beitrag zum Klimawandel
Der überwiegende Teil dieser Geräte wird von Menschen in Industrieländern und den Reichtumsoasen des Südens genutzt. Sie wälzen also die Probleme auf den Süden und den Osten ab. Mit der Nutzung der Geräte produzieren sie weitere Probleme: Die Elektronikindustrie verzeichnet einen schnell wachsenden Anstieg beim Stromverbrauch und trägt damit erheblich zum Klimawandel bei. Bereits die Herstellung der Geräte frisst viel Strom: Ein Computer müsste länger als sieben Jahre laufen, um durch den Betrieb die gleiche Menge an Strom zu verbrauchen, die für seine Produktion benötigt wurde.
Markenfirmen produzieren die Geräte häufig nicht mehr selbst. Sie lagern die Produktion an sogenannte "Kontraktfertiger" aus. Im Gegensatz zu herkömmlichen Zulieferern, die einzelne Bauteile produzieren, stellen Kontraktfertiger im Auftrag eines Markenunternehmens ganze Computer her. Die Einzelteile beziehen auch sie von Zulieferern. Am weitesten fortgeschritten ist dieser Trend bei der Herstellung von Notebooks: Eine Handvoll Kontraktfertiger entwickeln, produzieren und liefern 85 Prozent der Notebooks für Markenfirmen.
Fehlender Arbeitsschutz
Die Arbeitsbedingungen sind alles andere als annehmbar: lange Arbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden täglich, niedrige Löhne, die oft nicht die Lebenshaltungskosten decken, fehlende Arbeitsverträge und keine Zulassung gewerkschaftlicher Aktivitäten. Zudem sind die überwiegend in der Produktion tätigen Frauen oft schädlicheren Substanzen ausgesetzt als in der Chemieindustrie oder bei der Pestizidherstellung. Sie wissen oft nicht um deren schädliche Wirkung, noch haben sie entsprechende Schutzkleidung. Die Cadmiumvergiftungen bei mehreren chinesischen Firmen werden seit 2003 öffentlich und teilweise gerichtlich diskutiert. China hat in diesem Jahr Gesetze eingeführt, deren ernsthafte Umsetzung den Missständen einen Riegel vorschieben könnte.
Computer haben in der westlichen Welt derzeit eine Nutzungsdauer von zwei bis drei Jahren, bei Handys liegt diese sogar nur bei anderthalb Jahren. Viele Geräte werden weggeworfen, obwohl sie noch funktionstüchtig sind und aufgerüstet werden könnten. Die europäische Umweltbehörde hat berechnet, dass die Menge an Elektroschrott rund dreimal schneller wächst als jede andere Art von Hausmüll. Füllte man den jährlich weltweit anfallenden Elektroschrott von derzeit fast 40 Millionen Tonnen in Müllwagen, ergäbe dies eine Schlange um den halben Erdball. Der Großteil stammt aus Industrieländern, wird aber in Entwicklungsländern abgeladen. Die giftigen Bestandteile der Computer kommen wieder ans Tageslicht und gefährden die Umwelt sowie die Gesundheit der Anwohner und derjenigen, die mit dem Recycling wenige Dollar verdienen wollen.
Ein wichtiger Ansatz ist deshalb die längere Nutzung der Geräte. Die UN-Initiative Solving the E-waste Problem (StEP) treibt Bemühungen voran, um durch ein Redesign der Produkte die Weiterverwendung und das Recycling zu verbessern. Allerdings stellen die Softwareentwicklungen dafür ein Problem dar: Das neue Betriebssystem Windows Vista kann derzeit nur auf 5 Prozent der in Betrieb befindlichen Computer voll genutzt werden. Für die Nutzung sind also Neuanschaffungen nötig.
Noch gibt es keine "fairen" Computer oder Handys, auf die Verbraucher ausweichen können. Die Lieferketten sind komplex und schwierig zu zertifizieren. Zudem lassen praktisch alle Hersteller bei den selben Firmen produzieren, die Bedingungen sind also ähnlich schlecht. Als erste Voraussetzung für Verbesserungen müsste außerdem das Bewusstsein der Konsumenten für die Bedingungen bei der Produktion von Elektronikgeräten geschärft werden. Dafür haben sich in den letzten Jahren Initiativen wie das Good Electronics Network, makeITfair und PC Global gegründet, in denen auch Germanwatch mitwirkt. Erste Erfahrungen zeigen, dass der Druck auf die Markenhersteller Wirkung zeigt. Viele haben inzwischen ihre Verantwortung anerkannt und sich mit dem Electronics Industry Code of Conduct einen Verhaltenskodex gegeben. Die Umsetzung hat jedoch Schwächen, da es keine unabhängige Kontrolle und keine Beschwerdemöglichkeiten gibt.
Ein weiterer Ansatz sind Beschwerden gegen Verletzungen der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Kürzlich haben Gewerkschaften eine Beschwerde gegen Philips in Brasilien vorgebracht, eine weitere gegen eine Telefongesellschaft ist in Planung.
Gesetzliche Regelungen
Konkrete Wirkung zeigen neue gesetzliche Regelungen, vor allem zum Recycling und zu giftigen Substanzen. In der EU haben die Richtlinie zu Elektroschrott (WEEE) sowie ein Gesetz über gefährliche Substanzen (RoHS) dafür gesorgt, dass Blei in der Elektronikindustrie verboten ist und u.a. durch Kupfer ersetzt wurde. Beide Gesetze wurden 2005 mit dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz in deutsches Recht umgesetzt.
Ein weiterer Ansatz könnte das öffentliche Beschaffungswesen sein. Die öffentliche Hand kauft in Deutschland immerhin über 20 Prozent der Computer und ist somit ein großer Verbraucher. Die Verankerung von sozialen und ökologischen Kriterien beim Einkauf von Computern könnte die Hersteller anspornen, schneller Alternativen zu schaffen.
Cornelia Heydenreich
Weitere Infos: Unternehmensverantwortung