Bali - Berlin- Neurath: Aufbruch zur Klimawende

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Bali - Berlin- Neurath: Aufbruch zur Klimawende

 

Selten wurde ein UN-Klimagipfel so gespannt erwartet wie der in Bali. Wird es einen Startschuss für die internationale Klimawende geben, die erste politisch organisierte technologische Revolution mit erheblichen gesellschaftlichen Konsequenzen? Die Ergebnisse der Verhandlungen in Bali müssen beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen in einen internationalen Klimapakt münden. Dieser könnte die Welt verändern. Bislang basierte weltweit Wohlstand auf dem Verbrennen von Holz, Kohle, Öl und Gas. Entsprechend wuchs der Ausstoß des Zivilisationsgases und Klimakillers CO2. Nun soll der politische Rahmen gesetzt werden für ein neues Paradigma: mehr Wohlstand - insbesondere für die, die bisher noch wenig davon hatten - und vor allem mehr Armutsbekämpfung. Beides sollte mit ab sofort ständig sinkenden Emissionen in den Industrieländern und - schon vor 2020 - sogar weltweit einhergehen.

Die EU hat sich durch ihre Beschlüsse im März dieses Jahres an die Spitze des internationalen Klimaschutzzuges gesetzt. Wenn es nicht zum Klimapakt kommt, will die EU ihre Emissionen bis 2020 (gegenüber 1990) um 20 Prozent verringern. Kommt es zum Klimapakt, ist die EU sogar dazu bereit, die Emissionen bis 2020 verbindlich um 30 Prozent zu senken. Auch in anderen Ländern wie China, Indien und Norwegen tut sich immer mehr. Bali kann so zum Ausgangspunkt für die ernsthafte Organisation der internationalen Klimawende werden. Diese würde auch ein deutliches Signal an den Finanzmarkt senden: Investitionen in eine emissionsarme Zukunft lohnen sich. Und für jeden politisch denkenden Menschen würde damit deutlich: Nie war Engagement für den Klimaschutz so wichtig wie in den kommenden beiden Jahren. 

Die Herausforderung China

Ist das nicht alles Illusion? Überrennen uns die Emissionen von China nicht ohnehin? Noch vor zwei Jahren wollte das Land erst in der zweiten Jahrhunderthälfte über einen Beitrag zur Treibhausgasbegrenzung verhandeln. Jetzt hat die Regierung eingelenkt. Sie ist bereit, in Bali Verhandlungen über ihren Beitrag zum Klimaschutz zu beginnen. 

Natürlich wird es schwierig, und ein Ringen bis zur letzen Minute ist wahrscheinlich. Doch noch vor wenigen Monaten wären ernsthafte Verhandlungen mit dem Ziel, die bislang weltweit fossil befeuerte Wohlstandsmaschine innerhalb kurzer Zeit maßgeblich umzubauen, undenkbar gewesen. Das Energiesystem, die Gebäudestruktur, das Verkehrssystem und die Land- und Forstwirtschaft müssten weltweit zügig umgewandelt werden. Es ist sehr ehrgeizig, in nur zwei Jahren bis zum Klimagipfel in Kopenhagen (2009) ein Paket zu schnüren, das dieser Transformation die notwendige Dynamik verleiht. 

Zentral für den Klimagipfel in Bali sind:

  • ein Verhandlungsstart mit der notwendigen Ambition: Der Temperaturanstieg soll unter der Großgefahrenschwelle von zwei Grad Temperaturanstieg (gegenüber vorindustrieller Zeit) gehalten werden; die Emissionspfade gilt es fair aufzuteilen - mit der Langfristvision von weltweit gleichem Pro-Kopf-Ausstoß. Der Flug- und der Seeverkehr müssen einbezogen wreden. Der Emissionshandel soll in den emissionsintensiven Ländern ein deutliches CO2-Preissignal geben. Außerdem geht es um ein Anreizpaket für die Vermeidung von Entwaldung. 
  • Verhandlungsmandate über alle zentralen Teile eines Klimapaktes: Neben der Treibhausgasverringerung geht es darum, die Anpassung an den unvermeidbaren Teil des Klimawandels massiv zu unterstützen: in erster Linie in den am wenigsten entwickelten Ländern (LDC) und kleinen Inselstaaten, die besonders verletzlich sind. Außerdem müssen die Regierungen innovative Instrumente für den Technologietransfer, Waldschutz und die Generierung der notwendigen Finanzströme schaffen. 
  • der Einbezug aller notwendigen Partner: Die Industrieländer müssen mutig vorangehen. Es gilt schon jetzt, mit dem US-Senat und -Kongress Möglichkeiten des Einbezugs einer neuen US-Regierung auszuloten. Die Schwellenländer müssen ihren fairen Beitrag zur Entkopplung des Wirtschaftswachstums von Emissionen leisten. 
  • das Enddatum für Verhandlungen: 2009, beim Klimagipfel in Kopenhagen, soll der Hammer fallen. So bleibt genug Zeit für die Ratifizierung, damit das Abkommen direkt im Anschluss an die erste Phase des Kyoto-Protokolls am 1.1. 2013 in Kraft treten kann. 
  • konstruktive Verhandlungsstrukturen: Es gilt, die verschiedenen Verhandlungsstränge in allenfalls zwei verhandlungsfähige Pakete - eins auf der Ebene des Kyoto-Protokolls, eins auf der der Klimarahmenkonvention - zu bündeln.

Es zeichnet sich ab, dass derzeit nur die EU die Vorreiterrolle für ein emissionsarmes Wohlstandsmodell übernehmen kann und will. Der Dialog mit den Schwellenländern zu erfolgversprechenden Politikkonzepten - z.B. dem Einspeisegesetz für Erneuerbare Energien - und der gemeinsamen Entwicklung von Klimaschutztechnologien muss intensiviert und vorangetrieben werden. Nur die konsequente Umsetzung der beschlossenen Reduktionsziele - derzeit etwa durch die Einbindung des Flugverkehrs in den EU-Emissionshandel - sichert eine glaubwürdige Verhandlungsposition der EU. Genauso ist für Deutschland ein ernsthaft und glaubwürdig umgesetztes Klimaschutzpaket, das am 5. Dezember vom Kabinett verabschiedet werden soll, die Nagelprobe für die internationalen Ankündigungen der letzten Monate.

Doch nur, wenn es auch einen Aufbruch in der Zivilgesellschaft gibt, kann damit gerechnet werden, dass Regierungen mutig ihre Versprechungen umsetzen. Bei den Demonstrationen der Klima-Allianz am Klima-Aktionstag kann jede und jeder entsprechenden Druck machen. Dieser findet am 8. Dezember in Berlin und beim Braunkohlekraftwerk Neurath bei Düsseldorf statt. 

Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Jetzt geht es ums Handeln - von Bali bis Berlin, von der Politik bis zum Haushalt, im Parlament wie auf der Straße.

Christoph Bals

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