Ein Klima-Aufbruch braucht uns alle

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Ein Klima-Aufbruch braucht uns alle

Am 8. Dezember 2007 findet der Klima-Aktionstag in Berlin und in Neurath statt

 

Was haben das kleine Dörfchen Neurath und die Millionenstadt Berlin gemeinsam? Es sind die beiden zentralen Orte des Klimaaktionstags, der am 8. Dezember 2007 stattfindet. Weltweit werden an diesem Tag mehrere hunderttausend Menschen auf die Straße gehen. 

Beide Orte in Deutschland vereinen ein hohes Maß an klimapolitischer Symbolkraft. In Berlin werden die zentralen politischen Weichenstellungen für eine ambitionierte deutsche Klimapolitik gestellt. Hier geben sich allerdings auch diejenigen Lobbyisten die Klinke in die Hand, die immer wieder den notwendigen Klimaschutz blockieren. Dieser Chor der Partikularinteressen muss übertönt werden durch die Stimmgewalt möglichst vieler  Menschen. Klimaschutzblockade darf keine Zukunft haben. Der 8. Dezember muss hierfür ein kräftiger Auftakt werden.

Und Neurath? Bereits ein Blick mit Google Earth macht deutlich: Die Siedlung Neurath, gelegen in der Nähe von Grevenbroich bei Düsseldorf, beansprucht weniger Fläche als das in ihrer Nachbarschaft heranwachsende Braunkohlekraftwerk. Dieses wird bald die größte "CO2-Schleuder" der Welt sein: Wenn im Jahr 2010 der Erweiterungsbau des existierenden RWE-Braunkohlekraftwerks fertig gestellt wird, werden die 2200 Megawatt Kraftwerkskapazität jährlich etwa 34 Millionen Tonnen CO2 in die Luft pusten. Das sind fast so viele Emissionen, wie alle 141 Millionen Bewohner Bangladeschs in einem Jahr freisetzen. 

Der Protest der Klima-Allianz in Neurath richtet sich nicht alleine gegen dieses Kraftwerk. Neurath steht symbolisch für die mehr als 20 Kohlekraftwerke, deren Neubau deutschlandweit in der Diskussion sind.  Würden die geplanten Anlagen wirklich alle in Betrieb gehen, würden wir uns in eine Zukunft mit viel zu hohen Emissionen einbauen. Die radikale Transformation des Energieversorgungssystems hin zu einem deutlich dezentraleren und klimafreundlicheren System würde massiv behindert. 

Die Herausforderung für die Industrieländer besteht in der Entwicklung eines emissionsarmen Wohlstandsmodells. Im Jahr 2050 sollten die Emissionen hier um mindestens 80 Prozent niedriger sein als heute. Die Schwellenländer erwarten von uns, dass wir zeigen, dass ein solches Modell keine weltferne Utopie ist, sondern eine erstrebenswerte Vision. Will Deutschland an der Spitze dieses Aufbruchs stehen, dürfen die zukünftigen Jahrzehnte nicht durch falsche Investitionsentscheidungen in den kommenden zehn Jahren unterminiert werden. 

Abschließend bleibt noch die Frage zu beantworten: Wenn die Klima-Allianz keine Kohlekraftwerke will, was will sie dann? In einer Stromversorgung, die vor allem auf kleineren und dezentraleren Einheiten aufbaut, liegen große Potenziale. Wind, Biomasse, Sonne und Wasser entwickeln ihr ganzes Potenzial am besten im Zusammenspiel. Kraft-Wärme-Kopplung kann mit hohen Effizienzgraden Strom erzeugen und Wärme effektiv nutzen. Diese Technologien - intelligent vernetzt - können als "virtuelle Kraftwerke" die gleichen Grundlast-Funktionen wie Kohlekraftwerke erfüllen. Und auch das Potenzial der Stromeinsparung ist nach wie vor politisch noch wenig erschlossen - zumal dies mit Einspardienstleistungen kombiniert werden kann. Auch dynamische Effizienzstandards beispielsweise für Elektrogeräte nach dem Vorbild des japanischen "Top-Runner-Modells" könnten hier ein wirkungsvolles Instrument sein. 

Je mehr Menschen sich am 8. Dezember für einen neuen Klima-Aufbruch einsetzen, desto schneller wird es gelingen, diese Alternativen im notwendigen Umfang umzusetzen. 

Sven Harmeling

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