"Auf die richtige politische Rahmensetzung kommt es an"
"Auf die richtige politische Rahmensetzung kommt es an"
Chefökonom des Potsdam-
Ernsthafter Klimaschutz wird wesentlich kostengünstiger als bisher gedacht - das war die positive Nachricht des diesjährigen Berichtes des Weltklimarates IPCC. Wie kommt es zu dieser Neueinschätzung?
Man hat in den letzten Jahren intensiv darüber geforscht, wie es zu Innovationen kommt. Und dabei hat man gesehen: Intelligente Klimapolitik kann durchaus Innovation fördern. So könnten durch entsprechende Rahmensetzungen regenerative Energieträger schnell kostengünstiger werden. Aber auch andere wichtige technische Optionen könnten durch Klimapolitik kostengünstig in den Markt kommen.
Wie teuer kommt denn ernsthafter Klimaschutz - um unter der Großgefahrenschwelle von zwei Grad Celsius zu bleiben?
Es ist durchaus möglich, dieses Ziel mit etwa einem Prozent des weltweiten Sozialproduktes zu erreichen. Dies würde bis zum Jahr 2030 lediglich eine Wachstumsverzögerung um wenige Monate bedeuten. Aus der Sicht des IPCC ist dies zwar ein sehr ehrgeiziges Ziel, aber noch erreichbar.
Manche sagen, wir sollten eher darauf setzen, uns an den Klimawandel anzupassen, als Klimaschutz zu betreiben. Was halten sie davon?
Das Zwei-Grad-Ziel definiert eine Arbeitsteilung zwischen Vermeidung und Anpassung. Selbst wenn es gelingen sollte, dieses Ziel zu erreichen, müssten wir uns an den verbleibenden Restklimawandel anpassen, was vor allem in den Entwicklungsländern erhebliche Investitionen erfordern würde. Wir haben eine moralische Pflicht, gerade auch die Entwicklungsländer zu unterstützen, die am verletzlichsten sind, aber am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben. In den Industriestaaten und in den Schwellenländern benötigen wir ein sehr ambitioniertes Vermeidungsprogramm: Energieeffizienz, Erneuerbare Energien, Kohlenstoff-Abscheidung und -Lagerung in geologischen Lagerstätten - und vielleicht sehr moderat die Kernkraft - sind hier die wichtigsten Vermeidungsoptionen.
Dagegen halte ich es in hohem Maße für unseriös zu sagen: Wir steuern auf fünf Grad Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert zu und werden uns schon irgendwie daran anpassen. Ein derartiger Anstieg der globalen Mitteltemperatur wäre für die gesamte Kulturgeschichte der Menschheit ohne Vorbild. Wir können gar nicht wissen, was wir da anrichten. Hingegen haben wir durchaus ein historisches Wissen über die Leistungsfähigkeit von Marktwirtschaften, die immer wieder in der Lage waren, auftretende Knappheiten zu überwinden. Die Nutzung der Atmosphäre ist nun ein knappes Gut geworden. Marktwirtschaften werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch mit dieser Herausforderung fertig; am Ende des 21. Jahrhunderts könnte die Weltwirtschaft tatsächlich nahezu emissionsfrei sein.
Wie müsste ein Bali-Mandat aussehen, um ein Signal in die notwendige Richtung zu senden?
Zentral ist ein deutliches Signal der Weltgemeinschaft, dass der Anstieg der Emissionen bis 2020 stabilisiert werden muss und die Emissionen dann abgesenkt werden müssen. Dies würde bedeuten, dass sich Investoren auf Reduktionsszenarien einzustellen beginnen, schon bevor es zu einem verbindlichen Abkommen kommt. Die künftige Architektur eines Klimaschutzregimes muss auf vier Säulen stehen.
Erstens: den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf zwei Grad begrenzen. Zweitens: gleiche Pro-Kopf-Rechte bis Mitte des Jahrhunderts, wie das die Kanzlerin vorgeschlagen hat. Dies bedeutet etwa zwei Tonnen Pro-Kopf-CO2-Äquivalente. Drittens: Wir brauchen einen weltweiten Emissionshandel, der durch einen Preis für CO2 den günstigsten Vermeidungsoptionen zum Durchbruch verhilft. Viertens: Wir benötigen eben falls eine weltweite Technologiepolitik, die vor allem den Schwellenländern emissionsarme Techniken zugänglich macht.
Welche Rahmensetzung brauchen wir neben dem Emissionshandel?
Wie gesagt, wir brauchen auch Technologiepolitik: Etwa Demonstrationskraftwerke für Solarthermie oder für Trennung und Lagerung von CO2 (CCS), um so diese Technologien in den Markt einzuführen. Aber auch Fördermaßnahmen für Erneuerbare Energien.
Interview: Christoph Bals