Klimaschutz und Entwicklung sind keine Gegensätze

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Klimaschutz und Entwicklung sind keine Gegensätze

Interview mit Marianne Buenaventura Goldman, Koordinatorin des BRICSAM-NGO-Netzwerkes aus Südafrika, zur Situation der Schwellenländer und ihren Erwartungen an die G20
Weitblick 2/2017: Portrait Marianne Buenaventura

 
Sie arbeiten seit 2012 zum G20-Prozess und sind auch im Civil 20 (s. Info unten) engagiert. Wie schätzen Sie die Rolle und den Einfluss des Civil 20 ein?

Zivilgesellschaftliches Engagement im G20-Prozess ist extrem wichtig, um den Interessen der Armen bei für sie wichtigen Entscheidungen eine Stimme zu geben. Innerhalb des Civil 20 sind insbesondere Stimmen aus dem globalen Süden wichtig, um globale Herausforderungen im Entwicklungsbereich anzusprechen. Schließlich lebt ein erheblicher Teil der Ärmsten der Welt in G20-Ländern wie Indien und China.

Zivilgesellschaftliche Organisationen in vielen G20-Ländern haben mit zunehmender Repression zu kämpfen. Kann der Civil 20 hier ein Gegenforum bieten?

Leider waren beim Civil 20 nicht immer alle G20-Länder stark vertreten – auch nicht die Gastgeber. Die kontinuierliche Teilnahme gerade auch von Organisationen aus Schwellenländern müsste gestärkt werden. Dazu braucht es Unterstützung z. B. bei Reisekosten. Aber viel wichtiger ist, dass die Staatschefs aller G20-Länder die Resolution des UN-Menschenrechtsrates zur Sicherung zivilgesellschaftlicher Handlungsräume umsetzen und konstruktiv mit der UN-Sonderberichterstatterin für Versammlungsfreiheit zusammenarbeiten.

Welches sind die wichtigsten Forderungen des BRICSAM-NGO-Netzwerks an die G20 bezüglich der globalen Zielefür nachhaltige Entwicklung (SDGs) und einer gerechten Transformation?

Ich möchte drei Forderungen hervorheben. Zunächst muss die G20 einen Fahrplan entwickeln, wie die Mittel zur Umsetzung der SDGs vor allem in Entwicklungsländern bereitgestellt werden sollen, entsprechend der Verpflichtung zu globalen Partnerschaften für nachhaltige Entwicklung laut Ziel 17 der SDGs. Diese Partnerschaften sind zentral für die Verwirklichung aller SDGs.

Alle G20-Länder müssen viel mehr tun, um Frauenrechte und Gleichberechtigung zu fördern. Trotz gestiegener Anerkennung der wichtigen Rolle von Geschlechtergerechtigkeit für integratives Wachstum sind die Politiken der G20 weitgehend geschlechterblind.

Und die G20 – bzw. G19 – müssen sich klar zum Klimaabkommen von Paris und dessen ambitionierter Umsetzung bekennen. Beispielsweise durch die Ankündigung einer 100 Prozent erneuerbaren Energieversorgung bis 2050 und indem sie Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu einer Investitionspriorität im Infrastrukturbereich machen.

Klimaschutz wird von manchen immer noch als Aufgabe gesehen, welche nur die Industrieländer umsetzen müssen, während sich ärmere Länder erst mal um ihre Entwicklung kümmern müssen …

Das stimmt schon lange nicht mehr. Klimaschutz und Entwicklung sind keine Gegensätze. Das Potenzial für den Übergang zu einer treibhausgasneutralen Gesellschaft ist in vielen Entwicklungsländern, die nicht so tief in der Abhängigkeit von fossilen Energien stecken, sehr hoch. Weil sie noch dabei sind, ihre Entwicklungspfade zu entwerfen, können sie neue Methoden und Technologien oft leichter integrieren. Allerdings ist der Zugang zu solchen Technologien eine große Herausforderung. Die Fähigkeit von Entwicklungsländern, heute und in Zukunft Emissionen zu vermeiden, hängt davon ab, dass ihnen entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel Erneuerbare-Energien-Technologien.

Die deutsche G20-Präsidentschaft hat einen Afrika-Fokus und hat die Investitionsinitiative „Compact with Africa“ entwickelt. Wie schätzen Sie diese Initiative ein?

Der Compact ist ein rein technisches Dokument, das von einem – spätestens seit der Agenda 2030 – veralteten Entwicklungsparadigma ausgeht. Nach Ansicht der afrikanischen VertreterInnen der BRICSAM-NGOs ist es unwahrscheinlich, dass der Compact tatsächliche, greifbare Vorteile für die Bevölkerung Afrikas bringt, da er ausschließlich darauf fokussiert, vorteilhafte Rahmenbedingungen für Investoren zu schaffen; es besteht im Gegenteil durchaus ein Risiko für die Menschenrechte und Interessen der Armen und Marginalisierten.

Wenn Sie eine zentrale Forderung an die deutsche G20-Präsidentschaft stellen könnten, wie würde die lauten?

Dass sie einen Weg findet, die Umsetzung des globalen Klimaabkommens in der Spur zu halten.
 

Interview: Gerrit Hansen

The english original version of this interview was published as a blog post here.


BRICSAM

Das BRICSAM-Netzwerk bringt seit 2013 zivilgesellschaftliche Organisationen aus Brasilien, Russland, Indien, Indonesien, China, Südafrika und Mexiko (sowie seit neuestem als „BRICSAMIT“ mit der Türkei) zusammen, um ihren Einfluss auf globale Politikprozesse zu Ungleichheit zu erhöhen. Das Netzwerk hat zum Civil 20 2017 einen gemeinsamen Forderungskatalog an die G20 entwickelt.

CIVIL 20

Der Civil 20 (kurz C20) wurde 2013 von der russischen G20-Präsidentschaft ins Leben gerufen und ist ein offizieller Begleitprozess der G20, ähnlich dem Business 20 (der Unternehmen), demLabor 20 (der Gewerkschaften) oder dem Women 20 (der Frauen). Die konkrete Gestaltung des Prozesses und die Einflussmöglichkeiten hängen stark von der einladenden Präsidentschaft ab. Der deutsche C20-Gipfel mit über 300 teilnehmenden Organisationen fand am 18. und 19.6. in Hamburg statt.

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