Europa: Zeit für eine strategische Klimaoffensive

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Europa: Zeit für eine strategische Klimaoffensive

 
Mit seiner Rede zum Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen hat US-Präsident Trump die wohl letzte große Schlacht der fossilen Energiewirtschaft um ihr Überleben eröffnet. Schon einmal war es einer US-Regierung mit dem Austritt aus dem Kyoto-Protokoll im  Jahr 2001 gelungen, jahrelang Sand in das Getriebeder internationalen Klimapolitik zu streuen. Warum sollte das nicht auch jetzt gelingen?

Weil sich die Zeiten geändert haben. Damals galten Erneuerbare Energien als Nischentechnologiefür die reichen Industrieländer, heute sindsie weltweit auf Siegeszug. Inzwischen stellen Erneuerbare weltweit mehr als die Hälfte der jährlich zugebauten Kapazität im Stromsektor. In Indien, China und den USA werden reihenweisedie Pläne für neue Kohlekraftwerke zurückgenommen. Noch läuft der Großteil der Energieversorgung über fossile Energien und Kernkraft, aber der Boom der Erneuerbaren Energien erschüttert die bisherigen Geschäftsmodelle der etablierten Energieversorger. RWE und E.ON, EnBW und Vattenfall können ein Lied davon singen.

China – vor 15 Jahren noch im Kohlerausch – ist nun Marktführer bei Erneuerbaren Energien und Elektromobilität. Und das Land drängt in das diplomatische Vakuum, das durch den Ausfall der in den letzten Jahren sehr konstruktiven US-Klimadiplomatie entstanden ist. Die EU ist noch nicht wirklich im notwendigen Maße handlungsfähig. Aber Frankreich, Deutschland und Italien haben nach Trumps Rückzug direkt mit einem gemeinsamen Statement der RegierungschefInnen reagiert – hoffentlich ein erstes Anzeichen neuer europäischer Handlungsfähigkeit.

Europa muss jetzt neue Bündnisse schmieden. Wenn es einigen europäischen Vorreiterstaaten und China gelingt, mit Indien, Mexiko, Brasilien und Südafrika starke Absprachen zur Umsetzung des Paris-Abkommens zu vereinbaren, dann kann der Klimaschutz von einem Nord-Süd-Spannungsthema zunehmend zu einem Kooperationsthema werden. Wenn es gemeinsame Initiativen mit Kanada und den USVorreiterstaaten und -städten gibt, dann stärkt das in Nordamerika die progressiven Kräfte, um mit viel Schwung das Klimaabkommen umzusetzen. Echte Partnerschaften sind notwendig mit den etwa 50 gegenüber dem Klimawandel verletzlichsten Staaten, dem Climate Vulnerable Forum, sowie mit den afrikanischen Staaten zum Ausbau von Erneuerbaren Energien sowie für Anpassungs- und Klimaversicherungsinitiativen. Dann ist klar, dass die US-Regierung sowie offene oder heimliche Unterstützer des Anti-Klimaschutzes in der weltweiten Debatte auch moralisch keinen Stich machen.

Ein glaubwürdiger Partner können die Europäer in solchen Bündnissen aber nur sein, wenn sie selbst zuhause entschieden auf Klimaschutz setzen. Die deutsch-französische Zusammenarbeit könnte zum Motor einer klimapolitischen Revitalisierung der EU werden. Der neue Präsident Emmanuel Macron hat bereits angekündigt, dass Frankreich über seine bisherigen Klimaziele zur Umsetzung des Paris-Abkommens hinausgehen wird. Jetzt ist Deutschland am Zug. Die nächste Bundesregierung muss endlich klare Rahmensetzungen für den Ausstieg aus der Kohle und die überfällige Transformation des Verkehrssektors verabschieden.
 

Christoph Bals