Hamburg an Welt: Jetzt erst recht!
Hamburg an Welt: Jetzt erst recht!
Foto: www.g20-protestwelle.de
Vor nicht einmal zwei Jahren hat die Weltgemeinschaft wichtige Rahmensetzungen beschlossen, die eine zukunftsfähige und gerechte Entwicklung ermöglichen sollen. Zum einen verabschiedeten die Vereinten Nationen im September 2015 die Agenda 2030 mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), die alle Länder der Welt bis zum Jahr 2030 erreichen sollen. Zum anderen verpflichtet seit Dezember 2015 das Pariser Klimaabkommen erstmals alle Staaten zur Umsetzung einer ambitionierten Klimastrategie und nimmt die reichen Länder für die Unterstützung derjenigen in die Pflicht, die bereits unter dem Klimawandel leiden. Die Vereinten Nationen, wo alle Staaten eine Stimme haben und Beteiligungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft gesichert sind, bilden den richtigen Rahmen, um global legitimierte Ziele und Vorgaben zu verabschieden. Damit die ehrgeizigen Ziele der Agenda 2030 und des Paris-Abkommens erreicht werden können, braucht es einen tiefgreifenden Umbau der Weltwirtschaft, eine große Transformation.
Was ist dabei die Rolle der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, der G20? Die am G20-Gipfel teilnehmenden Regierungschefinnen und -chefs – darunter eine wachsende Zahl autokratischer Herrscher – haben sich bislang nicht als Vorkämpfer für einen nachhaltigen und gerechten Umbau der Weltwirtschaft hervorgetan. Bisher lag der Schwerpunkt bei den Gipfeln auf Wirtschaftswachstum um jeden Preis, ohne ökologische und soziale Leitplanken. Die ungezügelte wirtschaftliche Globalisierung hat viele der Probleme, die mit der 2030-Agenda angegangen werden sollen, befeuert – vorangetrieben gerade auch durch die G20. Andererseits kann die große Transformation ohne massive Veränderungen der Wirtschafts- und Lebensweise in den G20-Ländern nicht gelingen. Daher gehört eine glaubwürdige Umsetzungsstrategie der SDGs und des Pariser Klimaabkommens auf die Tagesordnung eines solchen Gipfels.
Im vergangenen Jahr hat die chinesische G20-Präsidentschaft die Umsetzung der Agenda 2030 als ein Schwerpunktthema aufgegriffen und dem Klimaschutz und der Mobilisierung von „grünen“ Investitionen Platz eingeräumt. Vieles blieb aber vage und vor allem wurde im G20-Programm ansonsten weiter über Finanzpolitik, Wachstum und Investitionen gesprochen, ohne auf die Erfordernisse von Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu achten. Darum müsste es jetzt in Hamburg gehen: bei der Umsetzung konkreter zu werden und endlich auch die Finanz- und Wirtschaftspolitik kohärent mit globalen Umwelt- und Entwicklungszielen zu machen.
Falsche Antworten auf globale Probleme
Erschwert wird eine solche Politik durch die Zunahme autoritärer und nationalistischer Politikansätze gerade auch bei G20-Ländern. Die Positionen, die Donald Trump als neuer US-Präsident vertritt, stellen die Grundlagen der globalen Zusammenarbeit fundamental in Frage. Auf die Krisen und Unsicherheiten, oft von einer ungezügelten Globalisierung verschärft, gibt Trump die falschen Antworten einer fremdenfeindlichen, nationalistischen und protektionistischen Politik. Ohne kooperative Problemlösung lassen sich Fragen wie der menschenwürdige Umgang mit Flüchtlingen, die Regulierung der Finanzmärkte oder größere Steuergerechtigkeit nicht lösen. Besonders deutlich wird der Konflikt zwischen global kooperativer Problemlösung und einem fatalen Rückzug auf nationalistische Scheinlösungen beim Umgang mit der weltweiten Klimakrise.
US-Präsident Donald Trump hat am 1. Juni den Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt. Trumps Position zum Paris-Abkommen spiegelt dabei die Mehrheitsmeinung der republikanischen Abgeordneten wider. Akteure der fossilen Industrie – wie die wirkmächtigen Koch-Brüder – finanzieren die Abwehrschlacht der Republikaner gegen den weltweiten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas, der bis Mitte des Jahrhunderts erforderlich ist, um die Vorgaben des Paris-Abkommens zu erfüllen. Die Koch-Brüder haben in den letzten Jahren Milliarden US-Dollar in Think Tanks von Klimawandel-LeugnerInnen und in die Wahlkämpfe ihnen genehmer republikanischer KandidatInnen gesteckt. Diese Investitionen sollen sich jetzt auszahlen.
Schadensbegrenzung durch progressive Akteure
Bislang ist der Schaden, den Trumps Ankündigung anrichten konnte, noch eher gering. Bei Redaktionsschluss hatten bereits 17 Bundesstaaten, über 200 Städte, 183 Hochschulen und rund 1.000 Unternehmen aus den USA angekündigt, dass sie sich weiter an die Ziele des Pariser Abkommens gebunden fühlen, und sich zu Maßnahmen zu dessen Umsetzung verpflichtet. Nicht nur Regierungschefs und -chefinnen anderer großer Industriestaaten, sondern auch G20-Gipfel muss glaubwürdige Zeichen setzen für einen Kurswechsel die von Schwellenländern wie China, Indien, Mexiko oder Südafrika haben sich klar zur Umsetzung des Paris-Abkommens bekannt. Sie haben auch deutlich gemacht, dass ein von fast 200 Staaten nach jahrzehntelangen Verhandlungen im Konsens verabschiedetes Abkommen nicht neu verhandelt wird.
Die Chancen, dass beim G20-Gipfel ein klares Stopp-Zeichen gegen Trumps fossilen Kurs gesetzt werden kann, sind derzeit nicht die schlechtesten. Unter der deutschen G20-Präsidentschaft wurde in monatelanger Arbeit ein Klima- und Energieaktionsplan erarbeitet. 19 Partner – alle außer den USA, deren Position bis Anfang Juni unklar war – haben diesen umfassenden Umsetzungsplan von Paris ernsthaft und hart verhandelt. Der G7-Gipfel und die Umweltministerkonferenz der G7 haben gezeigt, dass bei einem solchen Gipfel nicht alles im Konsens geschehen muss, wenn ein Land bei einer entscheidenden Frage blockiert. Es wäre ein großer Schritt voran, wenn die 19 anderen Staaten die USA mit einem ambitionierten Klima- und Energieplan zwingen würden, sich auch beim G20-Gipfel klimapolitisch zu bekennen, auch und gerade wenn dies ihre Isolation zeigt. Ob das gelingt, entscheidet sich auch daran, wie sich Russland und Saudi-Arabien verhalten – zwei Staaten, die wirtschaftlich fast vollständig von Öl und Gas abhängen.
Die G20 werden nicht die Vorhut des engagierten Klimaschutzes. Wir brauchen die dynamische Triebkraft der gegenüber der Klimakrise verletzlichsten Staaten, der Vorreiterstaaten und -städte, progressiver Unternehmen und Gewerkschaften. Und niemand sollte die sich gerade auch durch solche Rückschläge erneuernde Energie der Zivilgesellschaft unterschätzen. Aber die Regierungschefs und -chefinnen der G20 haben nun zwei zentrale Aufgaben: Erstens deutlich „Nein“ zu sagen zu den verheerenden falschen Antworten eines Donald Trump und zweitens ein klares und durch konkrete Schritte unterlegtes „Ja“ zur Umsetzung der Agenda 2030 und des Pariser Abkommens glaubwürdig zu verkünden.
Lutz Weischer & Christoph Bals
Warmpaddeln auf der Binnenalster für die G20-Protestwelle am 2. Juli ab 12 Uhr in Hamburg.