Auf der Zielgeraden für ein internationales Klimaabkommen: das Zwei-Grad-Limit im Blick
Auf der Zielgeraden für ein internationales Klimaabkommen: das Zwei-Grad-Limit im Blick
Copyright: Michael Hüter
Mit dem Klimagipfel in Lima vom 1. bis 10. Dezember 2014 beginnt der Endspurt: Nur noch ein Jahr bleibt, um ein verbindliches Klimaabkommen Ende 2015 in Paris vorzubereiten. Die Ausgangslage für die Pariser Klimakonferenz unterscheidet sich sehr vom Kopenhagener Gipfel, wo es im Jahr 2009 nicht gelang, ein internationales Klimaregime zu schaffen.
Zum einen ist inzwischen der klimawissenschaftliche Handlungsdruck weiter gestiegen. Dies zeigt nicht nur der neue Bericht des Weltklimarats IPCC. Das beschleunigte Rutschen großer Teile des Eispanzers in der West-Antarktis zeugt davon, dass ein erster globaler Kipppunkt durch den Klimawandel im Erdsystem schon gerissen sein könnte. Zum anderen sind die Kosten Erneuerbarer Energien weltweit weit schneller gesunken, als 2009 vermutet. Außerdem gelten Argumente für die Unersetzlichkeit fossiler Energieträger, die vor fünf Jahren noch sakrosankt waren, zunehmend als widerlegt. So sind anders als bisher angenommen Gesundheitsprobleme durch Kohle weit größer, und steigende Kohleimporte in China, Indien oder Polen demonstrieren, dass die Rolle für die Energiesicherheit geringer einzuschätzen ist.
Im Frühjahr 2015 sollen die einzelnen Staaten auf den Tisch legen, welche Ziele sie für sich bis 2025 oder 2030 im jeweiligen nationalen Kontext für möglich halten. Damit dies nicht in völliger Beliebigkeit endet, soll in Paris ein verbindlicher Rahmen vereinbart werden, der Vergleichbarkeit, gegenseitige Anerkennung und regelmäßige Überprüfung sicherstellt. Damit würden Nachbesserungen ermöglicht, die dringend erforderlich sind, um die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Denn das, was sich bisher – nach den jüngsten Ankündigungen aus China, den USA und der EU – als Handlungsbereitschaft abzeichnet, könnte uns zwar weg von dem dramatischen Kurs auf eine Vier-Grad-Welt bis Ende des Jahrhunderts bringen, vielleicht auf einen Drei-Grad-Pfad. Aber auch das birgt völlig inakzeptable Risiken für große Teile der Menschheit und viele Ökosysteme. Ein wichtiger Bestandteil des Pariser Abkommens sollte deshalb ein Mechanismus sein, um regelmäßig – auch vor 2030 – die Ziele zu erhöhen.
Erwartungen an Lima
Drei zentrale Aufgaben hat der Klimagipfel in Lima. Erstens sollen die Regeln festgelegt werden für die „angestrebten nationalen Verpflichtungen“, die alle Staaten im Frühjahr 2015 als ihr Angebot für Klimaziele auf den Tisch legen sollen: Gelingt es, anders als in Kopenhagen, diese nach vergleichbaren Regeln vorzulegen? Geht es dabei nur um Klimaschutz oder auch um Anpassung und Klimafinanzierung? Wird schon vor Paris überprüft, ob die Ziele unter Berücksichtigung von wissenschaftlichen und Gerechtigkeitskriterien ausreichend ambitioniert sind?
Zweitens sollen in Lima alle Karten für Paris auf den Tisch kommen. Länderdelegierte müssen eine konsolidierte Entwurfsversion des Vertragstextes von Paris aufstellen – mit Verhandlungsoptionen, die in 2015 weiter zu verhandeln sind.
Drittens soll in Lima vereinbart werden, wie sich auch vor 2020 zusätzlicher Klimaschutz organisieren lässt. Ausreichende Klimafinanzierung spielt dabei eine wichtige Rolle, genauso wie Vorreiterallianzen (siehe Artikel zu Klimainitiativen).
Nationale Geschwindigkeiten
Bei den letzten UN-Klimaverhandlungen lag das entscheidende Hindernis für weitergehende Einigungen letztlich nie auf der Ebene der technischen Verhandlungen. Vielmehr fehlte in vielen Hauptstädten – von Washington bis Peking, von Warschau bis Moskau – der politische Wille. Keiner wollte sich in der jetzigen Umbruchzeit bereits gegen die fossilen Industrien und auf die Seite der Vorreiter eines klimafreundlichen Umbaus der Wirtschaft stellen, auf die Seite der Zivilgesellschaft und der besonders Verletzlichen. Die sich abzeichnende neue Klimaarchitektur von Paris trägt dem Rechnung – allerdings mit dem hohen Risiko, dass ein ausreichend ambitioniertes und faires Ziel außer Reichweite gerät.
Von den beiden größten CO2-Emittenten kamen nun eher positive Signale: In den USA geht die Ankündigung von Präsident Obama bis an die Grenze dessen, was ihm als Spielraum auch ohne Beteiligung des Kongresses verbleibt, um den Treibhausgasausstoß von Verkehr, Kohlekraftwerken und fluorierten Gasen zu regulieren. Noch faszinierender ist, in welchem Ausmaß China beginnt, den schwerfälligen Tanker umzusteuern: Kein Land baut so viel Erneuerbare Energien (allerdings auch Kernkraft) zu. Die Nutzung von Kohle wird in immer mehr Regionen eingeschränkt, und jetzt will das Land sich sogar international dazu verpflichten, den Höhepunkt seiner Emissionen spätestens 2030 zu erreichen.
Den politischen Moment nutzen: Die Rolle der EU und Deutschlands in 2015
Die EU hat Ende Oktober ihre Klimaziele bis 2020 angekündigt: „mindestens 40 Prozent“. Wenn die großen Wettbewerber auch ambitionierte Klimaziele vorlegen, werde man das Ziel im Kontext des Pariser Abkommens verstärken, so der Beschluss des EU-Gipfels. Nach den Ankündigungen der USA und Chinas gilt es, diesen Nachbesserungsprozess sowie eine Reform des EU-Emissionshandels sofort in Angriff zu nehmen.
Deutschlands aktuelle G7-Präsidentschaft bietet eine weitere wichtige Chance, internationale Akzente zu setzen. So könnte Kanzlerin Merkel beim G7-Gipfel im Juni kommenden Jahres die politische Unterstützung aller großen Industrieländer für ein erfolgreiches Klimaabkommen einfordern. Gleichzeitig kann die Bundesregierung klimapolitische Aktionen international vorantreiben, zum Beispiel eine Initiative zur Finanzierung von Erneuerbaren Energien in Entwicklungsländern oder Maßnahmen, um vom Klimawandel Betroffenen durch eine Klimarisikoversicherung zu helfen.
Ob Deutschland den Plan zur Umsetzung seines Klimaziels für 2020 mit Substanz oder heißer Luft füllt – am 3. Dezember steht die Entscheidung im Kabinett an. Denn die einst von Bundeskanzlerin Merkel und Bundeswirtschaftsminister Gabriel angekündigten und im Koalitionsvertrag verankerten „minus 40 Prozent CO2-Ausstoß bis 2020 in Deutschland gegenüber 1990“ sind nur erreichbar, wenn die Regierung die heißen Eisen Kohle und Energieeffizienz beherzt anpackt.
Sönke Kreft, Christoph Bals & Lutz Weischer
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