Schwerpunkt: Landwirtschaft und Welthandel
Schwerpunkt: Landwirtschaft und Welthandel
Editorial
Liebe Leserin, Lieber Leser,
„Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich“, sagte Mark Twain. Leider, manchmal. Zum Beispiel jetzt, da die EU-Kommission und das deutsche Wirtschaftsministerium Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA verhandeln. Wieder schwärmen Befürworter von neuen Exportchancen und Wachstum für die Wirtschaft. Ähnlich salbungsvoll rief die Welthandelsorganisation 2001 ihre letzte Verhandlungsrunde ins Leben, schloss sie aber – aus guten Gründen – nie ab. Denn Zweifel an der Nachhaltigkeit einer weiteren ungezügelten Liberalisierung wachsen allerorts. Können wir angesichts der Klimakrise einen Welthandel weiter ausdehnen, bei dem Risikoverursacher für die Risiken nicht gerade stehen? Auch der andere Schwerpunkt der Zeitung betrachtet Exporte und Importe: Ist es sinnvoll, dass wir immer mehr Milch aus Massentierhaltung exportieren und zugleich als Kraftfutter Soja importieren, dessen Anbau zum Abholzen der letzten artenreichen Regenwälder beiträgt? Es wird Zeit, auch hierzu klar Nein zu sagen.
Mit den besten Grüßen,
Tilman Santarius
Impressum
Herausgeber: Germanwatch e.V.
Redaktion: Dörte Bernhardt (V.i.S.d.P.), Daniela Baum, Christoph Bals, Klemens van de Sand
Stand: Oktober 2014
Gefördert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
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Eine Landwirtschaft, die Mensch, Tier und Umwelt achtet
Schweine, die ohne Auslauf und Stroh auf Spaltenböden leben. Hähnchen, die zu zehntausenden in fensterlosen Hallen gehalten werden und sich wegen übergroß gezüchtetem Brustfleisch kaum auf den Beinen halten können. Wälder mit der Größe eines durchschnittlichen deutschen Bundeslandes, die jährlich für den Anbau von Soja – das Futtermittel schlechthin – weichen müssen. Darüber hinaus gibt es in Deutschland in Gebieten mit Intensivtierhaltung zunehmend Grundwasserprobleme. Die deutsche Agrarwirtschaft erzeugt Fleisch zu global konkurrenzfähigen Preisen – ohne Rücksicht auf die Tiere, die Natur, den Menschen.
Deutschlands vergessene Milchkühe
Während es hierzulande eine breite öffentliche Debatte über Missstände in der Schweine- und Geflügelhaltung gibt, denken viele bei Milchkühen an idyllische Weiden. Dabei hat mehr als die Hälfte der Kühe gar keinen Zugang zur Weide, ungefähr jede vierte Milchkuh wird im Stall angebunden und den meisten werden innerhalb ihrer ersten sechs Lebenswochen die Hornansätze ausgebrannt – eine Betäubung ist dafür nicht vorgeschrieben.
Das Ende der EU-Milchquote Kommen nun Exportsubventionen wieder?
Mehr Exporte ohne direkte Exportsubventionen – dies ist seit einigen Jahren das Ziel der deutschen und europäischen Milch- und Fleischindustrie und mit ihr der Agrarpolitik. Die zunehmende Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten in Schwellen- und Entwicklungsländern bietet europäischen Exporteuren neue Wachstumsmärkte. Um diese voll zu nutzen, wird im Mai 2015 eine der letzten systematischen Eingriffe in den EU-Agrarmarkt beseitigt: Die Milchquote, die bislang noch eine verbindliche Obergrenze für die Milcherzeugung in der EU insgesamt und damit für jedes Mitgliedsland und letztlich jeden Betrieb festlegt.
Kleinbäuerliche Milcherzeugung in Indien
Im Unterschied zu vielen anderen asiatischen Ländern spielt Milch traditionell eine wichtige Rolle in der indischen Ernährung. Milch wird seit langem ganz überwiegend in kleinbäuerlichen Betrieben erzeugt und zu einem großen Teil selbst konsumiert, lokal getauscht oder verkauft.
Die auslaufende Milchquote sorgt für Verunsicherung
Fünf Tage waren René Millogo von der Organisation Pasmep, einer Initiative zur Unterstützung der Hirten in Burkina Faso, und Adam Diallo, der Präsident der 42 Kleinstmolkereien in Burkina Faso (Burkina Lait) auf Einladung von Misereor im Allgäu und in der Eifel unterwegs. Sie besuchten dort Milchviehbetriebe. Kerstin Lanje von Misereor fragt sie nach ihren Eindrücken.
Chinas Milchwirtschaft in der Wachstumskrise
In den letzten 30 Jahren sind Verbrauch und Erzeugung von Milch in China dramatisch angestiegen. Zu Beginn der 1980er Jahre wurden dort etwa 3,55 Millionen Tonnen Milch konsumiert, in diesem Jahrzehnt schon über 48 Millionen Tonnen. Die in China erzeugte Milch wuchs im selben Zeitraum ähnlich beeindruckend auf 42 Millionen Tonnen. Zusätzlich wurden 2011 über 6 Millionen Tonnen Milch importiert.
TTIP und CETA – transatlantische Zusammenarbeit unter falschen Vorzeichen
Kein anderes handelspolitisches Thema hat in den letzten Jahren so viele öffentliche Diskussionen ausgelöst wie das geplante Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP). Der Protest lenkte auch die Aufmerksamkeit auf ein sehr ähnliches Abkommen mit Kanada, das „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (CETA), zu dem bereits ein fertiger Abkommenstext vorliegt. Strittig ist noch, ob die nationalen Parlamente dem noch zustimmen müssen.
Selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative „Stop TTIP”
Die EU-Kommission hat die Registrierung der Europäischen Bürgerinitative „Stop-TTIP“ mit fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Über 240 europäische Organisationen, darunter Germanwatch, haben sich zusammengeschlossen, um nun selbstorganisiert mehr als eine Million Unterschriften gegen TTIP und CETA zu sammeln.
Eklat um Ernährungssicherheit bei der Welthandelsorganisation WTO
Die neu gewählte indische Regierung hat sich mit einem Paukenschlag in die internationale Handelspolitik eingeführt. Beim Treffen des Allgemeinen Rats der Welthandelsorganisation WTO Ende Juli verweigerte die indische Delegation dem letztes Jahr auf der Ministerkonferenz in Bali vereinbarten Abkommen über administrative Handelserleichterungen (Trade Facilitation Agreement – TFA) die Zustimmung. Damit kann das Abkommen vorerst nicht in Kraft treten.
Warum ich Germanwatch wichtig finde - Bernd Schmitz
Wie wollen wir uns ernähren? Wo sollen unsere Lebensmittel herkommen? Wer soll diese anbauen bzw. produzieren? Angesichts von Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt, ländlicher Armut, wachsender Macht der Agrarkonzerne und fortschreitender Industrialisierung der Landwirtschaft werden diese Fragen immer drängender. Germanwatch geht sie auf globaler und europäischer Ebene an, ohne dabei die bäuerlichen Betriebe in Deutschland und der EU aus den Augen zu verlieren. Die AbL arbeitet daher schon seit langem mit Germanwatch zusammen, auch um die Auswirkungen des weltweiten Handels klar zu machen. (Oktober 2014)