Deutschlands vergessene Milchkühe

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Deutschlands vergessene Milchkühe

Mindeststandards für tiergerechte Haltung fehlen bislang
Weitblick-Bild 2/14: Cover Milchratgeber

 
Während es hierzulande eine breite öffentliche Debatte über Missstände in der Schweine- und Geflügelhaltung gibt, denken viele bei Milchkühen an idyllische Weiden. Dabei hat mehr als die Hälfte der Kühe gar keinen Zugang zur Weide, ungefähr jede vierte Milchkuh wird im Stall angebunden und den meisten werden innerhalb ihrer ersten sechs Lebenswochen die Hornansätze ausgebrannt – eine Betäubung ist dafür nicht vorgeschrieben.

Das wirkliche Leben der meisten der 4,3 Millionen Milchkühe in Deutschland hat wenig mit dem zu tun, was uns die Werbung vorspielt. Obwohl Rinder von Natur aus Gras fressen, bleibt den meisten von ihnen der Gang auf die Weide aus Zeit- und Kostengründen verwehrt. Insgesamt kamen im Jahr 2010 nur noch 41,8 Prozent der Tiere auf die Weide. Der Trend geht zur ganzjährigen Haltung im Stall und in der Fütterung spielen Mais, Soja sowie Raps eine immer größere Rolle.

Haltungsbedingungen erzeugen Stress und Krankheiten

Durch Kraftfutter und Züchtung hat sich die Milchleistung pro Kuh in den letzten 40 Jahren fast verdoppelt. Milchhöchstleistungen gleichen einem täglichen Marathon und zehren an den Kräften der Tiere. Die Folgen sind Stoffwechselstörungen und Fruchtbarkeitsprobleme. Hinzu kommen Euter- und Gelenkentzündungen sowie Lahmen – bedingt durch die Enge und Beschaffenheit vieler Ställe. Heute werden daher viele Milchkühe nach gerade einmal einem Viertel ihrer natürlichen Lebenserwartung, die 20 Jahre betragen würde, geschlachtet.

Die Anbindehaltung, bei der Milchkühe an einem Platz im Stall fixiert sind, hat in den letzten Jahrzehnten abgenommen, ist aber noch immer verbreitet. In Laufställen können sich die Tiere frei bewegen und auf diese Weise auch interagieren. Allerdings wurden insbesondere ältere Laufställe häufig zu eng konzipiert, weisen Sackgassen auf oder bieten an einigen Stellen keine Ausweichmöglichkeiten. Dies erhöht den Stress und die Kämpfe innerhalb einer Herde. Um Verletzungen zu vermeiden, werden den Kälbern deshalb die Hornansätze ausgebrannt, damit den Milchkühen keine Hörner wachsen.

Kampagne KUH+DU

Obwohl der Tierschutz seit dem Jahr 2002 im Grundgesetz verankert ist, gibt es bis heute keine gesetzliche Haltungsverordnung für Milchkühe, die tiergerechte Mindeststandards vorschreibt. Die Welttierschutzgesellschaft möchte dies mit ihrer Kampagne KUH+DU ändern. Bereits mehr als 65.000 Menschen haben Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt in einer Online-Petition aufgefordert, das Deutsche Tierschutzgesetz sowie die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung im Sinne der Kühe anzupassen. Dabei soll auch die Enthornung junger Kälber ohne Betäubung verboten werden.

Da tiergerechte Haltungsbedingungen mit höheren Kosten einhergehen, müssen die VerbraucherInnen entsprechend informiert und sensibilisiert werden. Sie sollten beim Milchkauf nicht nur auf den Preis achten, sondern auch darauf, unter welchen Bedingungen die Milchkühe gehalten werden. Informationen dazu bietet der Milchratgeber der Welttierschutzgesellschaft, der verschiedene konventionelle und Bio-Milchmarken vergleicht.
 

Katharina Tölle (Welttierschutzgesellschaft e.V.)

Weitere Infos:
Kampagne KUH+DU www.kuhplusdu.de