Das Ende der EU-Milchquote Kommen nun Exportsubventionen wieder?
Das Ende der EU-Milchquote Kommen nun Exportsubventionen wieder?
Mehr Exporte ohne direkte Exportsubventionen – dies ist seit einigen Jahren das Ziel der deutschen und europäischen Milch- und Fleischindustrie und mit ihr der Agrarpolitik. Die zunehmende Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten in Schwellen- und Entwicklungsländern bietet europäischen Exporteuren neue Wachstumsmärkte. Um diese voll zu nutzen, wird im Mai 2015 eine der letzten systematischen Eingriffe in den EU-Agrarmarkt beseitigt: Die Milchquote, die bislang noch eine verbindliche Obergrenze für die Milcherzeugung in der EU insgesamt und damit für jedes Mitgliedsland und letztlich jeden Betrieb festlegt. Schon heute liegt die Quote deutlich über dem Verbrauch in der EU und ermöglicht somit Exporte. Aber diese sollen noch weiter steigen. Milchbauern und Molkereien investieren in größere Ställe und neue Milchpulverfabriken. Dafür zahlen die EU und ihre Mitglieder auch weiterhin Subventionen.
Bis zum Frühjahr dieses Jahres schien diese Strategie aufzugehen. Vor allem die Nachfrage aus China stieg wegen wachsender Einkommen und einer Reihe von Skandalen in der dortigen Milchindustrie rasant. China wurde zum größten Absatzmarkt für europäische Milchprodukte. Gleichzeitig stieg auch die Nachfrage in Russland und anderen Schwellenländern spürbar an. Die Weltmarktpreise für Milchprodukte erreichten ein Rekordniveau.
Seit diesem Sommer hat sich die Situation aber deutlich verändert. Die Nachfrage in China wächst weniger schnell und die Produktion dort nimmt wieder zu, so dass die Lagerbestände hier steigen. Die Weltmarktpreise für Milchprodukte fielen binnen weniger Monate um 40 Prozent. Für die EU kommt nun noch der im Kontext der Ukraine-Krise verhängte Importstopp Russlands, dem zweitwichtigsten Exportmarkt für Milchprodukte, hinzu.
Mehr Exporte gegen den Preisverfall
Dem scheidenden EU-Agrarkommissar Cioloș kommt die aktuelle Entwicklung in Russland womöglich gelegen. Sie bietet einen Anlass, auf den Preisverfall zu reagieren und die als „Notfallinstrument“ vorgesehenen Subventionen für Lagerhaltung von Milchpulver und Butter wieder einzuführen. Er kündigt zudem an, dass weitere Maßnahmen folgen würden, wenn dies notwendig sei. Sein Instrumentenkasten ist dabei allerdings begrenzt. Neben der Lagerhaltung ist als Notfallmaßnahme nur noch die Wiedereinführung der Exportsubventionen vorgesehen. Der Deutsche Bauernverband fordert bereits die „Erschließung neuer Märkte“ als wichtigsten Schritt gegen die derzeit fallenden Preise, ohne dabei Exportsubventionen ausdrücklich zu erwähnen.
Kurzfristig ist es am wahrscheinlichsten, dass der Rückgang beziehungsweise Ausfall der Nachfrage in China und Russland durch höhere Exporte in schon bestehende Märkte kompensiert wird. Dies sind vor allem afrikanische Länder. Noch im letzten Jahr gingen zwar knapp 14 Prozent der EU-Milchexporte nach China, der Anteil des arabischen Raums, vor allem Nordafrikas, war aber genauso hoch und der der Gruppe afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten (AKP-Staaten), vor allem Westafrikas, mit fast 18 Prozent noch höher. Steigert die EU ihre Exporte in diese Märkte zu fallenden Preisen, werden gerade die Landwirte dort die Verlierer sein, die investieren, um ihre wachsenden regionalen Märkte zu bedienen.
Tobias Reichert