Die Abfallmafia und die Herstellerlobby müssen Gegenwind bekommen
Die Abfallmafia und die Herstellerlobby müssen Gegenwind bekommen
Der neue Desktop-Computer „Iameco“ wurde von der Dubliner Firma MicroPro Computers entwickelt, beteiligt waren außerdem das Fraunhofer IZM Berlin und die irische Universität Limerick. Inwiefern integriert dieses Modell Prinzipien einer Kreislaufwirtschaft?
Der Iameco ist einzigartig in seiner Berücksichtigung von Ressourceneffizienz, Umweltverträglichkeit und Langlebigkeit. Erstens hat er ein Eichenholz-Gehäuse, zweitens ist er leicht zu reparieren und aufzurüsten, drittens gibt es einen exzellenten Kundenservice mit garantierter Rückkaufmöglichkeit, um das Gerät wieder- und weiterzuverwenden.
Der Zugang zu den Komponenten lässt sich mit einem einzigen Schraubwerkzeug realisieren. Zur Verbindung der Komponenten wiederum wurden lediglich drei verschiedene Schraubentypen verwendet. Für die Gehäusedemontage und den Arbeitsspeicher werden je fünf Schrauben und für die Demontage der Festplatte sechs Schrauben benötigt. Dieser simple Aufbau ist genial und ungewöhnlich, er spricht für ein reparatur- und aufrüstungsfreundliches Design sowie eine gute Wertbeständigkeit.
Was trägt Ihrer Meinung nach vor allem zur kurzen Nutzungsdauer von IT-Produkten bei?
Zum einen sehe ich das Problem der Neuheitsideologie. Mobiltelefone werden zu Ego-Prothesen nach dem Motto: „Ich habe, also bin ich.“ Oft ist dies ein Betäubungsmittel, um nicht mitzubekommen, dass man eigentlich an Vereinsamung leidet. Anhand einer Zielgruppenuntersuchung haben wir herausgefunden, dass viele Leute keine alten Produkte haben wollen. Sie sagen: „Gebrauchtes? Nein danke! Ich kann mir etwas Neues leisten!“ Gerade die Leute, die weniger Geld haben, wollten oft nichts Gebrauchtes. Diejenigen, die sich neue Produkte gut leisten könnten, haben hingegen meist ein größeres Interesse daran.
Des Weiteren tragen Hersteller, die im jährlichen Turnus etwas Neues herausbringen, zur kurzen Nutzung von Produkten bei. Flachbildschirme, die im Halb- bis Dreivierteljahresrhythmus immer größer wurden und bald Bürgersteine pflasterten, zeigen dies.
Der dritte Aspekt liegt auf der politischen Ebene. Solange es für Ressourcenschutz nur Glanzbroschüren gibt, kann man keine Veränderungen erwarten. Es braucht etwas Konkretes.
Welche politischen Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Nutzungsdauer von IT-Geräten zu verlängern?
Ich sehe auf vielen Ebenen Handlungsbedarf. Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, insbesondere eine Reihe steuerpolitischer Instrumente:
- Eine steuerliche Abschreibung müsste verbindlich an die Lebensdauer des Produktes gekoppelt werden.
- Investitionen in Werterhaltung sollten hinsichtlich ihrer Potenziale zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und Ressourcenverbrauch steuerlich begünstigt werden.
- Ein reduzierter Mehrwertsteuersatz für Reparatur und Instandhaltung wäre eine Maßnahme zur Ressourceneinsparung und Klimaschutz, die sich zudem unmittelbar auf den Beschäftigungsbereich auswirken würde.
- Vergütungssätze für Aufarbeiter und Anbieter von Wieder- und Weiterverwendungs-Ware könnten in Anlehnung an das Konzept der Einspeisevergütung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gestaltet werden.
- In der öffentlichen Beschaffung muss Reparatur, Wieder- und Weiterverwendung Vorrang haben vor einer Neuanschaffung.
- Durch die Bereitstellung von öffentlichen Liegenschaften für Reparatur-Cafés oder Umsonst-Läden könnte eine längere Nutzung gefördert werden.
Eine andere, aber nicht minder wichtige Maßnahme ist konzeptioneller Natur: Der Abfallbegriff muss aus allen Verordnungen und Gesetzen herausgestrichen und durch den Begriff Ressource ersetzt werden.
Warum werden solche Vorschläge nicht umgesetzt?
Die Abfallmafia und die Herstellerlobby müssen Gegenwind bekommen. Ich kann mich gut erinnern, wie bei der Erarbeitung des alten Elektroschrottgesetzes Hersteller die Politik extrem unter Druck setzten, damit diese auf keinen Fall wirkungsvolle Wiederverwendung unterstützte.
Kennen Sie Initiativen aus anderen Ländern, von denen Deutschland lernen kann?
Ja, zum Beispiel die Öffentliche Abfallbehörde Flandern (OVAM). Nachhaltige Verwendung von Materialien und Abfallprävention haben dort höchste Priorität. Dies führt dazu, dass Belgien mit 73 Prozent die höchste Recyclingrate in der EU besitzt.
Erfolgsfaktoren sind regionale Programme mit lokalen Kooperationen. Zudem steigen stetig die Zielanforderungen. Wichtig ist hier zunächst eine getrennte Sammlung von Produktgruppen und dann effizientes Recycling. Zur Verminderung der Abfallmengen gibt es ein effektives und vielfältiges Anreiz- und Förderungsprogramm. Dies sind Steuern und Subventionen, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit in den Kommunen sowie Ökoeffizienzmessungen für kleine und mittelständische Unternehmen.
Interview: Johanna Sydow