Rohstoffe schürfen statt schonen?

Weitblick Artikel

Rohstoffe schürfen statt schonen?

Fokussierung auf Zugang zu neuen Rohstoffen führt am Ziel vorbei

 
Der Preis eines Metalls erzählt nichts über die massiven Auswirkungen des Bergbaus auf Menschen und Umwelt in den Abbauregionen. Auch die deutsche und europäische Politik blenden diese Konsequenzen des Rohstoffkonsums weitgehend aus. Die Bundesregierung setzt auf Konsum und Primärrohstoffe, statt Wiederverwendung anzukurbeln oder möglichst viele Rohstoffe unter anderem aus Elektroschrott wiederzugewinnen. In puncto Rohstoffpolitik hören EU-Kommission und Bundesregierung vor allem auf Lobbyverbände. Ressourcenschonung und Menschenrechte bleiben dabei auf der Strecke.

Um sich Primärrohstoffe aus anderen Ländern zu sichern, nehmen die EU und Deutschland vieles in Kauf. Für den Zugang zu Seltenen Erden nutzt die EU handelspolitische Klagemechanismen gegen China. Ebenso kritisierte sie die indonesische Regierung wiederholt bezüglich ihrer Entscheidung, nur weiterverarbeitete Rohstoffe exportieren zu wollen, um eine eigene indonesische Industrie aufzubauen. Freihandelsabkommen mit rohstoffreichen Ländern und Kartierung von Rohstoffen in Afrika – im Namen der Entwicklungszusammenarbeit – sollen ihr Übriges tun, um die Rohstoffzufuhr für die europäische Industrie zu sichern.

Menschenrechte Nebensache?

In Deutschland sind zudem Rohstoffpartnerschaften mit Kasachstan, der Mongolei und Peru Instrumente einer Rohstoffstrategie. Die Ausgestaltung dieser Partnerschaften verdeutlicht das verantwortungslose und wenig nachhaltige Vorgehen Deutschlands bei der Rohstoffsicherung. Trotz zahlreicher Menschenrechtsverletzungen, dem straflosen Einsatz von Waffengewalt gegenüber Demonstranten und mehr als 100 gewalttätigen Bergbaukonflikten in Peru, schloss die Bundesregierung das Abkommen mit dem Andenstaat im Juli 2014 ab – ohne verpflichtende Menschenrechtsstandards oder Sorgfaltspflichten für Unternehmen im Abkommen zu verankern. Stattdessen lockt die Bundesregierung Unternehmen mit Bürgschaften, in den Bergbau einzusteigen. Abgesehen von Transparenzverpflichtungen gibt es auch auf EU-Ebene keine verbindlichen Kriterien für Umwelt- und Menschenrechtsschutz bei der Rohstoffförderung. Ihre Einhaltung bleibt freiwillig.

Wo bleibt die Ressourcenschonung?

Eine stärkere Orientierung am Leitbild der Kreislaufwirtschaft könnte Umweltverschmutzungen und Lebensraumzerstörung durch Bergbau verringern. Zum Beispiel beinhalten Handys wertvolle Metalle, die mit verbesserten Technologien wiedergewonnen werden könnten. Ressourceneffizienz, Ersatz (Substitution) und Recycling wurden in der deutschen Rohstoffstrategie behandelt und im Koalitionsvertrag aufgenommen, doch es fehlen ambitionierte konkrete Maßnahmen, um dadurch Primärrohstoffe zu reduzieren. Während die Sicherung der Rohstoffversorgung auf Weltmärkten im Wirtschaftskapitel des Koalitionsvertrages weiter ausgeführt wird, findet sich die Kreislaufwirtschaft im Umweltkapitel mit vagen Schlagwörtern. Auch Maßnahmen der europäischen Rohstoffstrategie zur Reduktion unseres Ressourcenverbrauchs sind wenig ehrgeizig. Eine ökologisch und sozial nachhaltige Ressourcenpolitik sollte jedoch genau darin ihren Dreh- und Angelpunkt sehen.
 

Johanna Sydow

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