Eine doppelte Herausforderung
A dual challenge
Eine doppelte Herausforderung
Lina Li, Policy Officer at „Greenovation Hub“, China
Gibt es eine Debatte über die potenzielle Rolle Chinas bei der notwendigen globalen Transformation für eine kohlenstoffarme Gesellschaft und für Ernährungssicherheit?
Definitiv gibt es eine Debatte, sowohl innenpolitisch als auch international. Die wachsende Sorge um Energiesicherheit, zunehmende Umweltzerstörung und der Druck, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu erhalten, zeigen alle in diese Richtung. Als Land mit der größten Bevölkerung (die Hälfte davon immer noch in ländlichen Gebieten) und mit begrenzten Agrarflächen und Ressourcen, strebt China seit jeher gleichzeitig nach Nahrungsmittelsicherheit, um seine Menschen ernähren zu können.
Eine große Lücke besteht darin, die multiplen und miteinander verknüpften Krisen von Klimawandel, Ernährung, Armut und Ungleichheit in einer ganzheitlichen und integrierten Weise zu betrachten und anzugehen. Ebenso auch darin, eine notwendige und tiefgreifende Transformation hin zu einer nachhaltigen und gerechten Gesellschaft voranzutreiben, die nachhaltige Energieversorgung und das Recht auf Nahrung für Alle sichert – was letztlich bedeutet, sein Entwicklungsmodell zu transformieren.
Wie beurteilt die chinesische Zivilgesellschaft die Lücke zwischen der notwendigen Wirtschaftsentwicklung auf der einen Seite und den wachsenden sozialen Herausforderungen auf der anderen Seite?
Es klaffte und klafft nicht wirklich eine Lücke zwischen den beiden, aber eine doppelte Herausforderung. Auch hier ist das Wirtschafts- und Steuerungssystem dahinter zu analysieren und als Teil der Lösung mitzudenken, da es auch ein Teil des Problems ist. Mehr Bürger und Akteure müssen informiert und mobilisiert werden für eine breite Debatte und gesellschaftliche „Erkundungsreise“ nach Lösungen.
Welche Vorschläge sind am aussichtsreichsten, um den Zuwachs von CO2-Emissionen in China im nächsten Jahrzehnt effektiv zu reduzieren?
Der schwierige und notwendige Wandel ist so tief und umfassend, dass es – bis zu einem gewissen Maß – nicht überrascht, wenn Einige Bedenken wegen der Kosten (kurzfristigen Verluste) äußern. Es gibt nicht den einen Königsweg. Allerdings sind der Umbau der Energiestruktur (d.h. den Scheitelpunkt des Kohleverbrauchs so bald wie möglich zu erreichen), die Verbesserung der Energieeffizienz in allen Sektoren (Industrie, Gebäude, Transport) und eine massive Förderung der Erneuerbaren Energien die Schlüsselfaktoren. Um dies zu erreichen, sind vor allem das Strom- und Energiepreissystem sowie das institutionelle System zu reformieren und effektive politische Instrumente (z.B. Preise für Kohlenstoff) zu etablieren. Und zwar angepasst an die nationale und lokale Situation.
Wo sehen Sie Erfolge, gute Beispiele und politische Entwicklungen für ein post-fossiles Energiesystem in China?
Die 40 bis 45 Prozent CO2-Reduktion, die mit den Energie- und CO2-Zielen des 11. und 12. Fünf-Jahres-Planes einhergehen, sind die wesentliche politische Vorgabe, um China in Richtung eines post-fossilen Energiesystems zu bewegen. Politische Entscheidungen und Maßnahmen trugen auch dazu bei, den Zuwachs des Energieverbrauchs zu dämpfen. Interessante Experimente wie Kohlenstoffmarkt, kohlenstoffarmer Städtebau und dezentralisierte Energiesysteme haben ebenso ein großes Veränderungspotenzial. Beschlüsse und Richtlinien sind eingeführt, Umsetzung und Paradigmenwechsel erfordern jedoch noch enorme Anstrengungen auf allen Ebenen und Zeit.
Welche neuen internationalen Allianzen sind notwendig, um die notwendige globale Transformation voranzubringen?
Die neuen Allianzen müssen zukunftsorientiert denken, grenz- und themenübergreifend sowie auf allen Ebenen handeln.
Interview: Stefan Rostock, Rixa Schwarz