Nachhaltiger Konsum muss rational und lukrativ werden
Sustainable consumption must become rational and lucrative
Nachhaltiger Konsum muss rational und lukrativ werden
Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker ist einer der Vordenker von Energieeffizienz und Ökosteuern in Deutschland, als Gründungspräsident des Wuppertal Instituts (1991-2000) hat er entscheidend die Energiewendedebatte vorbereitet. Er war zuvor Biologieprofessor und Universitätspräsident und saß von 1998—2005 für die SPD im deutschen Bundestag. Dort leitete er die Enquetekommission Globalisierung und war Vorsitzender des Umweltausschusses.
Sie haben das Bild entwickelt, dass die Preise ökologisch die Wahrheit sagen müssen, damit engagierte Konsumenten nicht ständig gegen eine „Schiefe Ebene“ ankämpfen müssen. Sie beschreiben damit also die Notwendigkeit von politischen Rahmenbedingungen, die eine nachhaltige Konsumentscheidung zur „normalen“, selbstverständlichen Kaufentscheidung machen. Wo sehen Sie Ansätze, dass dies in der deutschen Politik angekommen ist?
Die rot-grüne Regierung hat 1999 eine ökologische Steuerreform eingeführt, die uns rund 250.000 Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen hat und die Umwelt entlastet. Wir müssen den Faden wieder aufnehmen.
Wo müsste die Politik jetzt diese Rahmensetzung weiterentwickeln?
Ideal wäre eine politische Entscheidung auf EU-Ebene, notfalls auch national, die Energiepreise jährlich um so viel Prozent anzuheben, wie im Vorjahr die Energieeffizienz gestiegen ist. Mit Sozialtarifen für „Hartz IV“ sowie Aufkommensneutralität für energieintensive Branchen. So ein Entschluss würde kaum schmerzen und würde eine Innovations- und Investitionslawine in Richtung Energieeffizienz auslösen und das Land reicher und wettbewerbsfähiger machen.
Von welchen Ländern können wir uns hier für die Debatte in Deutschland etwas abschauen?
Japan hat in den 1970er Jahren unter dem Schock der Ölkrise und der totalen Energieimportabhängigkeit die Energie fast doppelt so teuer gemacht wie in den konkurrierenden Ländern. Die Folge war nicht etwa die befürchtete De-Industrialisierung, sondern eine technologische Innovations-Explosion und rasante Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
Die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung in den Schwellenländern birgt ganz neue Herausforderungen im Kampf gegen die "Schiefe Ebene“. Wo sehen Sie dort erfolgreiche Politikansätze?
Die Schwellen- und Entwicklungsländer können sich eigentlich Energieverschwendung viel weniger leisten als die reichen Länder. China macht Energie teurer, auch Indien und Südafrika gehen diesen Weg. Alle erwarten viel von deutscher Effizienztechnologie.
Effizienzsteigerungen führten bislang aufgrund von Zuwächsen in Produktion und Konsum kaum zu den gewünschten Einsparungen bei Energie- und Ressourcenverbrauch. Wo müssen wir ansetzen beim Kampf gegen diesen „Rebound-Effekt“?
Der Rebound-Effekt ist das größte Problem. In den meisten Ländern wird er als solcher gar nicht wahrgenommen und benannt, sondern als Wachstum gefeiert. Was wir erreichen müssen, ist, dass die Effizienz schneller voran kommt als das Wachstum. Das ist technologisch ohne weiteres möglich, wird aber nicht zustande kommen, wenn Energie billig bleibt.
Schauen wir auf die Nachfrageseite: Wie kann aus den vielen erfolgreichen zivilgesellschaftlichen Gruppen und Initiativen eine kritische Masse entstehen, die für das Umkrempeln des Marktes hin zu nachhaltigen Produktions- und Konsumstilen notwendig ist?
Es gibt erfreulich viele Initiativen für andere Lebensstile, etwa die „Transition Towns“ von Rob Hopkins. Aber das wird Nische bleiben, wenn nicht der Rahmen so verändert wird, dass nachhaltiger Konsum und Produktion auch wirtschaftlich echt rational und lukrativ werden.
Interview: Stefan Rostock