Welthandelskonferenz der WTO:

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Welthandelskonferenz der WTO:

 

Das umstrittene Welthandelstreffen der WTO in Cancún, Mexiko, wurde am 14. September ohne Ergebnis abgebrochen. Das heikelste Thema war der Agrarbereich - doch gescheitert ist die Konferenz letztlich am Beharren der Industriestaaten auf neuen Verhandlungsthemen (darunter ein Investitionssicherungs- Abkommen). Für viele Entwicklungsländer steht auch nach Abbruch des WTO-Gipfels der Schutz der eigenen (Nahrungsmittel-)Märkte im Vordergrund. Hier wäre die Beendigung der landwirtschaftlichen Dumpingimporte dringend geboten gewesen. Auch die EU bringt Milchprodukte, Zucker, Fleisch und Getreide zu Schleuderpreisen auf die Weltmärkte und die Märkte armer Staaten, was die dortigen Bauern ruiniert. Schwellenländer wie Indien und Brasilien wiederum verlangen besseren Marktzugang in den Industriestaaten. Marita Wiggerthale, Agrarexpertin und Leiterin des Handelsbereichs bei Germanwatch, war als offizielle WTO-Beobachterin in Cancún. Das Interview mit ihr wurde kurz nach Abbruch der Verhandlungen geführt.

 

GW: Die größte Überraschung dieser Welthandelskonferenz war wohl, dass die Entwicklungsländer sich erstmals gut in Koalitionen organisiert haben...

Kurz vor Cancun haben die Industrieländer wieder versucht, den Entwicklungsländern im Agrarbereich die Regeln zu diktieren. Darauf haben diese mit der Gründung einer neuen Allianz reagiert: G-21+, die sich offensiv der "Nord-Agenda" der WTO widersetzt hat. Am 12. September haben sich außerdem die 90 ärmsten Länder (AKP-Staaten, LDCs, Afrikanische Union) für alle Themen sowie eine Gruppe von 70 Entwicklungsländer zu den sog. Singapur-Themen zusammengeschlossen. Alle Gruppen fordern mit Geschlossenheit die Umsetzung der Doha-Entwicklungsagenda (= die laufende WTO-Runde). Das ist neu und historisch!

GW: Wie konnte der vorgelegte Entwurf der WTO-Abschlusserklärung die Positionen der Entwicklungsländer trotzdem fast vollständig ignorieren?

Der Text für die Abschlusserklärung wird vom Vorsitzenden der Ministerkonferenz in eigener Verantwortung" vorgelegt, mit Unterstützung der Leiter der vier Arbeitsgruppen (Landwirtschaft, Industriegüter, Singapur- Themen, Sonderregelungen für Entwicklungsländer) und des WTO-Sekretariats. Dieses Papier spiegelt nicht die verschiedenen Positionen wider und enthält keine Klammertexte (wie in der UN üblich). Von daher kann der Vorsitzende ein Papier vorlegen, das vorgibt, Konsens zu sein, aber gezielt die Interessen der Industrieländer aufgreift. Zudem war der Vorschlag im Agrarbereich darauf angelegt, die Koalition der G-21 aufzubrechen.

GW: Gab es wieder "Green room"-Gespräche?

Ja. Während der ganzen Zeit wurden Konsultationen bilateral oder zwischen dem Vorsitzenden und wichtigen Ländergruppen abgehalten. Die "Green rooms", zu der immer nur eine begrenzte Zahl von Mitgliedern eingeladen sind, wurden nach der Vorlage des Entwurfs der Abschlusserklärung einberufen. Der Druck auf die Entwicklungsländer war dort enorm, besonders auf die Sprecher der neuen Koalitionen.

GW: Wie haben Nichtregierungsorganisationen den Abbruch der Konferenz aufgenommen?

Der kenianische Delegierte, der als erster den Verhandlungstisch verließ, wurde schnell von Kameras, Journalisten und NGO-Vertretern umringt. Sein Satz "It's over" verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Als das Ende der Konferenz offiziell auf Bildschirmen verkündet wurde, sind NGO-ler sich um den Hals gefallen, "We won" Transparente wurden hochgehalten, Lieder angestimmt ("Business can't buy the world"). Die Stimmung war phantastisch. Besonders nach dem pessimistischen Eindruck vom Vortag, als der einseitige Entwurf für die Ministererklärung bekannt wurde.

GW: Wie geht es jetzt weiter?

Am 15. Dezember kommt der Allgemeine Rat der WTO in Genf zusammen und entscheidet über die weitere Verfahrensweise. Die Verhandlungsrunde geht auf jeden Fall weiter, nur wird sich das Enddatum für die Verhandlungsrunde (1.1.2005) wohl nicht mehr einhalten lassen. Unabhängig davon, wie die Verhandlungsrunde weitergeht, steht eines jetzt schon fest: Die Entwicklungsländer sind gestärkt aus Cancún hervorgegangen. Dies ist ein sehr positives Ergebnis von Cancún.
 

>> Weitere Infos zur Cancún-Konferenz
 

 

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