Zukunftsfähige Marktwirtschaft als Realutopie.

Weitblick Artikel

Zukunftsfähige Marktwirtschaft als Realutopie.

 

Im deutschsprachigen Raum gibt es inzwischen über 100 Fonds, die bei der Gestaltung der Portfolios in der ein oder anderen Weise ethisch-ökologische Kriterien berücksichtigen. Dies hat mit dazu beigetragen, dass die Volumina bei diesen Anlageprodukten seit 1998 um 600 % gestiegen sind. Dennoch liegt ihr Marktanteil noch immer unter 1 %. Ein entscheidender Grund dafür - dies wird in zahlreichen Studien in der Sache bestätigt - sind die mangelnde Produkttransparenz und die Informationsdefizite gleichermaßen bei den Anbietern von ethisch-ökologischen Finanzprodukten wie auch bei den Anlegern.

 

Die SEB (Skandinaviska Enskilda Banken) hat diese großen Defizite erkannt, dagegen ein sehr bemerkenswertes Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit und den Vertrieb entwickelt und erfolgreich durchgeführt. Schon 1989 hatte die damalige Bank für Gemeinwirtschaft BfG, die im Jahr 2000 durch Aufkauf zur SEB kam, einen ökologischen Rentenfonds aufgelegt und in der Weiterentwicklung dieser Produkte Pionierarbeit geleistet. In diesem Jahr nun hat die Bank deutschlandweit in 24 großen Städten Diskussionsrunden zum Thema "Investments mit Umweltrendite" durchgeführt, an denen die Verfasser dieses Beitrages als Planer und Referenten mitgewirkt haben. Die Abendveranstaltungen informierten über das Verständnis und die Bedeutung von Nachhaltigkeit, die nicht nur eine ökonomische, sondern auch ökologische, soziale und kulturelle Sichtweisen umfasst. Sie gaben ferner Einblick in die Marktentwicklung nachhaltiger Geldanlagen, machte unter anderem transparent, auf welche Weise ethisch-ökologische Anlageprodukte gemanaged werden können und welche Bewertungsverfahren existieren. Im intensiven Austausch zwischen den Referenten, den Kunden der Bank sowie den Anlageberatern und Vertretern des Investmentmanagements wurden etliche kritische Gegenargumente entkräftet: Immer wieder war die Fehleinschätzung zu hören, ethisches Investment bringe zu wenig Rendite beziehungsweise entsprechende Fonds hätten eine zu geringe Nachfrage. Dies wurde mit Hinweis auf die verschiedensten empirische Studien, Markteinschätzungen und -daten widerlegt. Das Deutsche Aktieninstitut (Frankfurt) prognostiziert ein Marktwachstum von 30% bis 40% jährlich. Eine Umfrage des Instituts für Markt - Umwelt - Gesellschaft (imug, Hannover) wiederum hat ergeben, dass 44,6% der privaten Anleger die ethisch-ökologische Anlageprodukte für attraktiv halten, bislang jedoch nur 3,1% dieser Anleger von ihrem Kreditinstitut entsprechende Angebote erhalten haben. Auch ist eine positive Korrelation von Finanz- und Nachhaltigkeitsperformance belegt, etwa durch eine Studie der Bank Sarasin: "Umwelt- und sozialverträgliche Aktienanlagen erzielen mindestens eine gleich hohe Rendite wie herkömmliche Anlagen." Als eine mögliche Ursache dafür wird ein gutes Management gesehen, aus dem sowohl eine hohe Finanz- als auch eine hohe Nachhaltigkeitsperformance resultieren. Nach Auskunft der SEB lösten die Diskussionsforen eine große Nachfrage nach ethisch-ökologischen Anlageprodukten aus und hatten eine Reihe von Folgeveranstaltungen im kleineren Kreis zur Folge.

Fazit: Sowohl für die Verbreiterung des Marktes von ethisch-ökologischen Anlageprodukten als auch für die Verbesserung der Qualität dieser Produkte kommt Dialogveranstaltungen zwischen Finanzdienstleistern und Privatanlegern eine Schlüsselfunktion zu. In ihnen wird die Machbarkeit ethisch-ökologischer Anlageprodukte vermittelt, und die Vision einer zukunftsfähigen Marktwirtschaft als Realutopie wird erfahrbar.

Claudia Döpfner / Johannes Hoffmann
 

Sollten Sie Interesse an der Organisation analoger Veranstaltungen haben, wenden Sie sich an Dustin Neuneyer, Germanwatch, Tel.: 0228 - 60 492-11 bzw. an Prof. Dr. Johannes Hoffmann, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/M., Tel.: 069 - 798-33322
 

Die Autoren:

Prof. Dr. Johannes Hoffmann; seit 1976 Lehrstuhl für Katholische Moraltheologie/ Sozialethik an der Goethe-Universität Frankfurt. Vorsitz des Projektes Ethisch-ökologisches Rating, Vorstandsmitglied des Forums Nachhaltige Geldanlagen. Veröffentlichungen u.a.: "Saubere Gewinne. So legen Sie Ihr Geld ethisch-ökologisch an.", Herder spektrum, 2002

Claudia Döpfner, M.A.; nach Bankausbildung Studium der Kunstgeschichte, Kath. Theologie und Rechtsphilosophie. Seit 1999 wiss. Mitarbeiterin bei Prof. Hoffmann. Veröffentlichungen u.a.: "Zur Glaubwürdigkeit ethisch-ökologischer Geld- und Kapitalanlagen - Eine theologisch- ethische Untersuchung." IKO-Verlag, Frankfurt a.M. 2000; und "Kunst und Kultur - voll im Geschäft? Kulturverträgliches Kunstsponsoring." IKO-Verlag, Frankfurt a.M., vorauss. Anfang 2004
 
 

 

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