Marktwirtschaft bedienen - aber mit Phantasie.

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Marktwirtschaft bedienen - aber mit Phantasie.

 

Der Philosoph Bernward Gesang meldete sich kürzlich in der Süddeutschen Zeitung zum Thema "Ökofonds als Geldquelle?" zu Wort. Seine Forderung: Der Staat solle nachhaltige Geldanlagen stärker fördern, um eine umweltfreundliche und soziale Zukunft zu fördern, und Kleinaktionäre mögen ihre Stimmrechte nachhaltiger nutzen.

 

Germanwatch: Wieso beschäftigt sich ein "praktischer" Philosoph mit dem Thema Nachhaltige Geldanlagen?

B.G.: Das Thema Ökologie entscheidet über unser aller Zukunft, also muss man sich damit befassen. Und wegen der Aktien: Ich habe früher versucht, Großkonzerne für zukunftsfähiges Wirtschaften zu begeistern. Von einem (deutschen) Konzern bekam ich die lapidare Antwort: Wir kümmern uns um unsere Aktionärsinteressen und um sonst gar nichts. Endlich mal Klarheit, und mir ging ein Licht auf, dass hier ein Hebel liegt.

Germanwatch: Wieso sollten Politik, Staat und Gesetzgeber sich damit beschäftigen?

B.G.: Weil es ein wirkungsvolles marktwirtschaftliches Instrument ist, dessen Förderung wenig kostet und mit dem man einen Nutzen für das Allgemeinwohl erzielen kann. Zudem hat das Thema Symbolcharakter, denn es überbrückt die "alten Fronten" und bringt Ökologen und Marktwirtschaftler an einen Tisch.

Germanwatch: Wo sehen Sie bei gesetzlichen Regelungen Handlungs- oder Änderungsbedarf?

B.G.: Ich sehe Änderungsbedarf in zwei Richtungen.

Erstens: Der Paragraf 31 des Wertpapierhandelsgesetzes sollte verändert werden. Der Paragraf regelt die Aufklärung des Kunden durch den Anlageberater. Müsste dieser den Kunden explizit fragen: "Wünschen Sie eine Form ethisch-ökologischen Investments?", so würde der Kunde sich erkundigen, was denn das für Anlagemöglichkeiten seien und was seine Bank denn in dieser Richtung anbietet. So entstünde Druck auf die Banken, gute Ökofonds aufzulegen. Wenn Banken dies täten, gäbe es einen erhöhten Anreiz für Unternehmen, in diese Fonds aufgenommen zu werden.

Zweitens: Es müsste eine Berichtspflicht über die Ausübung des Aktienstimmrechts von institutionellen Investoren eingeführt werden. Hier mangelt es an Transparenz: Bislang weiß der Anleger nicht, wie Fondsmanager die Stimmrechte der bei ihnen gebündelten Aktien ausüben. Auch dies könnte der Anleger ja zum Kriterium für den Erwerb eines Fonds machen, wenn er es denn wüsste. Sinnvoll wäre zudem eine Ausdehnung der Berichtspflicht auf alle Wege der Altersvorsorge - verwenden die Pensionskassen etc. ihre Gelder ethisch-ökologisch? Und die Kapitalanlagen von Stiftungen und gemeinnützigen Organisationen: Setzen sie ihre Mittel gemäß der Satzungszwecke ein? Hier würde Druck auf die Stiftungen etc. entstehen, eine ihren z. B. gemeinnützigen Zielen entsprechende Kapitalanlagepolitik zu betreiben.

Germanwatch: Inwieweit sind ethische, ökologische oder soziale Ziele mit ökonomischen vereinbar?

B.G.: Natürlich nur begrenzt, wenn man die alte Leitvision des Neoliberalismus in Frage stellt, dass ökonomisches Wachstum uns allen - spätestens in unserer Rolle als Kunden - zugute kommen wird. Viele Menschen sind global gesehen keine Kunden, sondern verhungern. Aber es nützt nichts zu träumen, wir haben nur wenig Zeit, eine ökologische Wende zu erreichen. Studien wie "Die neuen Grenzen des Wachstums" von D. Meadows geben uns nur wenige Jahrzehnte, um exponentielles Wachstum von Bevölkerung, Industrieproduktion und Umweltzerstörung unter Kontrolle zu bringen. In dieser kurzen Zeit können wir kein neues System etablieren. Wir müssen uns daher der Wege der Marktwirtschaft bedienen, das aber mit Phantasie!

Germanwatch: Welche Möglichkeiten der Einflussnahme in Richtung Nachhaltigkeit empfehlen Sie Aktien- bzw. Fondsanteilseignern nach dem Kauf der Papiere?

B.G.: Ein wichtiges Instrument einer ökologischen Nutzung von Kapital ist die Ausübung des mit Aktienbesitz verbundenen Stimmrechts. Das ist zwar bei Fonds leider nicht möglich, wohl aber bei Einzelaktien, gerade von "Ökosündern". Im Normalfall wird dieses Stimmrecht vom Aktionär seiner Hausbank übertragen, also weggeworfen. Das Stimmrecht ist ein bedeutsamer Einflussfaktor auf die Entscheidungen von Unternehmen und es wird von vielen Aktionären ohne Not aufgegeben. Nun ist es nicht wirklich effektiv, wenn ein Kleinaktionär allein sein Stimmrecht ausübt, wo doch meist Großanleger alle Mehrheiten auf ihrer Seite haben. Aber so allein steht der Kleinaktionär gar nicht da, denn es gibt alternative Aktionärsverbände, die sich ökologisch-sozialen Zielen verpflichtet haben und Stimmrechte bündeln, um diese Ziele zu unterstützen. Zwar haben auch solche Verbände kaum Mehrheiten in Aktionärsversammlungen auf ihrer Seite, aber es gibt positive Erfahrungen, wenn sich Minderheiten der Presse geschickt bedienen: Der Shell Konzern wurde z.B. von der Aktionärsvertretung PIRC (Pensions & Investment Research Consultants Limited) und den Inhabern von 11% seines Aktienkapitals genötigt, extern verifizierte Umweltberichte einzuführen.

Germanwatch: Was empfehlen Sie an Aktien bzw. Fonds Interessierten?

Na erst einmal "empfehle" ich denen, die keine ökologischen Geldanlagen besitzen, sich kundig zu machen. Man braucht ja nur "Ökologisches Investment" in die Suchmaschine werfen, schwups, ist man ein informierter Bürger.
 

Bernward Gesang lehrt praktische Philosophie an der Universität Konstanz. Er ist Autor u.a. von: "Aktien oder Apokalypse? Wege aus der globalen Ökokrise", Paderborn 2000. Die Fragen stellte Dustin Neuneyer, Referent für Nachhaltiges Investment bei Germanwatch.
 

 

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