Vertrauen, Kampfgeist und Würde

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Vertrauen, Kampfgeist und Würde

Mexikanische Arbeiter kämpfen zwei Jahre um ihr Recht

 

 1976 haben die OECD-Mitgliedstaaten Leitsätze zur Regulierung von Multinationalen Unternehmen verabschiedet. Bei Verletzung des Regelwerks kann eine Beschwerde gegenüber dem zuständigen nationalen Kontaktpunkt vorgebracht werden, der sich um Vermittlung bemühen muss. Einziges Sanktionsinstrument ist eine öffentliche Erklärung zur Verletzung der Leitsätze. Der Fall der Arbeiter von Euzkadi, die wegen der unrechtmäßigen Schließung ihres Werkes durch die Continental AG Ende 2001 in Streik getreten sind, ist als Beschwerde anhängig. Mit Jesús Torres Nuño, dem Generalsekretär der Euzkadi-Gewerkschaft, sprach Cornelia Heydenreich.

 

Herr Torres Nuño, nach über zwei Jahren, vielen juristischen Verfahren und Urteilen ist Ihr Streik von der Bundesschiedsstelle als rechtmäßig und "existent" eingestuft worden. Welche Instrumente sind in Ihrem Streit mit Continental zum Einsatz gekommen und was haben sie gebracht?

Einerseits haben wir einen juristischen Kampf auf gerichtlicher Ebene geführt und andererseits die Gewerkschaft im Ganzen politisch mobilisiert. Es ist ganz klar, dass der Kampf der Arbeiter von Euzkadi ohne diesen kombinierten Ansatz keine Zukunft gehabt hätte angesichts einer so mächtigen Firma wie Continental. Im Ergebnis haben wir auch zwei Jahre und zwei Monate nach der illegalen Schließung eine vereinte Gewerkschaft bewahrt. Außerdem hat diese Strategie ermöglicht, dass unser Kampf auf internationaler Ebene bekannt wurde und dass inzwischen sogar unsere eigene Regierung unseren Streik als legal anerkannt hat.

Sie haben auch eine Beschwerde wegen Verletzung der OECD-Leitsätze vorgebracht. Was kann ein solches Verfahren bewirken und wo sind seine Grenzen?

Wir haben eine Klage eingereicht, weil wir die Richtlinien der OECD verletzt sahen. Diese Beschwerde haben wir sowohl in Mexiko als auch in Deutschland eingereicht. Das Ergebnis war nicht so wie erwartet, da einer der Schwachpunkte der Leitsätze darin liegt, dass die zuständigen Instanzen den Unternehmen gegenüber nur Empfehlungen aussprechen können, die Leitsätze einzuhalten. Sie haben nicht die Möglichkeit, die Unternehmen wirklich zu verpflichten diese Richtlinien zu befolgen. Allerdings hat es noch nicht einmal den Versuch gegeben, Continental die Einhaltung dieser Leitsätze zu empfehlen. Der mexikanische Kontaktpunkt hat es innerhalb von gut zwei Jahren immer noch nicht geschafft, wenigstens ein Vermittlungsgespräch zwischen beiden Konfliktparteien zu initiieren, um zu versuchen die Streitpunkte zu schlichten.

Im Gegensatz zur Kontaktstelle in Berlin, die im Rahmen unserer letzten Deutschlandreise 2003 ein Gespräch mit Continental im Bundeswirtschaftsministerium einberufen hatte.

Sie hatten Gespräche mit Vertretern auf höchster politischer Ebene. Was hat das für Sie bedeutet?

Wir Gewerkschaftsvertreter haben uns tatsächlich mit den Chefs auf höchster Ebene zusammengesetzt, dem Vorstandschef des Unternehmens, Manfred Wennemer, dem deutschen Botschafter in Mexiko und dem mexikanischen Präsidenten, Vicente Fox. Die Sache ist die: In einem so komplizierten Konflikt wie unserem mit Continental hat es noch nie eine freiwillige Lösung gegeben. Das ist lediglich ein weiteres Beispiel für einen transnationalen Konzern, der systematisch unsere nationalen Rechte verletzt, und von einer mexikanischen Regierung, die sich uneingeschränkt auf die Seite von Gesetzesbrechern stellt, die in Mexiko investieren - in diesem Fall Continental. Vicente Fox hat dies schon zu Beginn seiner Regierungszeit gesagt: "Das ist eine Regierung der Unternehmer, geschaffen durch die Unternehmer und für die Unternehmer".

Zwei Jahre Streik: Von der menschlichen Seite her - wie ist das machbar? Wie konnten Sie Ihre Leute so lange motivieren?

Diese Frage wurde uns schon oft gestellt, ich glaube auch Continental selbst hat sich das mehrfach gefragt. Angesichts dieser widrigen Umstände fällt es schwer sich vorzustellen, wie wir zwei Jahre und zwei Monate ohne Einkommen, verfolgt von der Regierung und den Unternehmern von El Salto durchstehen konnten. Die Antwort ist ganz einfach: Wir haben den Widerstand in erster Linie durchgehalten, weil unsere Gewerkschaft völlig anders ist als andere in Mexiko, die meist die Arbeiter kontrollieren anstatt sich für sie einzusetzen. Wir haben uns mit unserer demokratischen und unabhängigen Organisation der Situation gestellt, das allein schafft schon ein absolutes Vertrauen unserer Genossen. Aber der ausschlaggebende Faktor ist das unbeirrbare Agieren, der Kampfgeist der Arbeiter selbst, die mit Wut und Groll bereit sind alles zu tun, um nur nicht mit Füßen getreten zu werden oder noch schlimmer, gedemütigt zu werden durch die Firma. Wie halten wir es aus? Natürlich mit viel Not und Armut, aber auch mit Würde. Unsere Ehefrauen und Kinder mussten Arbeit suchen. Derzeit unterhalten sie mehrheitlich die Familien.

Wie geht es jetzt weiter? Continental hat angekündigt, dass sie gegen die jüngsten Urteile Berufung einlegen wollen? Was sind Ihre aktuellen Forderungen und Vorschläge für eine Lösung des Konfliktes?

So ist es, Continental hat in einer arroganten Geste erklärt, dass sie Berufung einlegen wollen. Die hat aus unserer Sicht überhaupt keine Zukunft, weil sie bei dem Obersten Gericht beantragt wurde, das uns zuvor Recht gegeben hat. Wir glauben, diese letzte Urteilssprechung ist unverrückbar und es ist nur ein Versuch von Continental, den Konflikt unnötigerweise in die Länge zu ziehen. Es ist klar, dass wir mit der Beurteilung des Streiks die größte Hürde als Gewerkschaft genommen haben: Das war mit Sicherheit die Beurteilung des Streikes. Wir haben jetzt drei Forderungen: 1. Die bedingungslose Wiedereröffnung der Fabrik, da die Schließung illegal war. 2. Die Prüfung, ob die Firma in eine Kooperative umgewandelt werden kann. 3. Schließlich, wenn die beiden ersten Forderungen keinen Erfolg haben, ist die Gewerkschaft bereit, über eine finanzielle Lösung zu verhandeln. Aber in allen drei Lösungen muss enthalten sein, dass die aufgelaufenen Löhne nachgezahlt werden. Dies ist in Mexiko gesetzlich vorgeschrieben. Unsere Vorstellung zur Lösung des Konfliktes ist keine andere als die, dass sich Continental und die Gewerkschaft zusammensetzen und über diese drei Vorschläge verhandeln. Und wenn es dafür nötig sein sollte, nochmals nach Deutschland zu reisen, um das wiederholte gewalttätige Verhalten von Continental anzuprangern, dann werden wir das tun.

 

Der Fall Euzkadi

Am 16.12.01 schließt der deutsche Reifenhersteller Continental das Euzkadi-Werk in Guadalajara/Mexiko unrechtmäßig und entlässt 1.164 Arbeiter. Die Gewerkschaft tritt daraufhin am 22.1.02 in Streik. Die zuständige Schiedsstelle stuft den Streik auf Antrag von Continental zunächst als "unzulässig" ein, ein im mexikanischen Arbeitsrecht nicht vorgesehener Terminus. Diese Einstufung wird jedoch Anfang Februar 2004 von höchster juristischer Instanz annulliert. Daraufhin beurteilt die Schiedsstelle den Streik für "existent", der Streik gilt nun als rechtmäßig anerkannt. Die von Continental ausgesprochene Entlassung der Arbeiter ist unwirksam. Continental muss ihren Beschäftigten die seit über zwei Jahren aufgelaufenen Löhne nachzahlen. Die Gesamtlohnschuld beläuft sich inzwischen auf über 27 Millionen Euro. Pro Arbeiter ist diese Summe fast dreimal so hoch wie die von Continental bislang angebotene Abfindung. Germanwatch und FIAN haben die Gewerkschafter von Deutschland aus unterstützt, Kontakte hergestellt, sie auf die Aktionärsversammlung begleitet und Öffentlichkeit für ihren Fall hergestellt. 2002 hat Germanwatch gemeinsam mit den Gewerkschaftern gegen Continental eine Beschwerde wegen Verletzung der OECD-Leitsätze vorgebracht.

 

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