CSR in Brüssel
CSR in Brüssel
Im Juli 2001 veröffentlichte die Europäische Kommission ein Grünbuch zur sozialen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility oder CSR), das untersuchen sollte wie sich eine Partnerschaft zur Entwicklung von Rahmenbedingungen für die CSR-Förderung aufbauen ließe. Dem folgte eine Konsultation mit allen Stakeholdern und im Juli 2002 die entsprechende Mitteilung. Die Mitteilung beschränkte das Konzept von CSR jedoch von Anfang an explizit auf Freiwilligkeit. Die vorgelegte EU-Strategie beinhaltet sieben zentrale Punkte, die von den üblichen Stillstandsthemen wie Wissenserweiterung, Erfahrungsaustausch oder Sensibilisierung bis hin zu den interessanteren Punkten wie Konvergenz und Transparenz von CSR-Praktiken und -Instrumenten reicht. Und es wurde auch die Etablierung eines Multi-Stakeholder-Forums (MSF) vorgesehen, das dann im Oktober 2002 das Licht der Welt erblickte. Ein Viertel der Sitze in diesem Forum geht jeweils an die NGO-Plattform und die Gewerkschaften, zwei Viertel an die Unternehmerverbände.
Das MSF wurde mandatiert, eine Serie von Runden Tischen über vier Themen zu organisieren: 1) die Ausweitung des Wissens über CSR, 2) die Verbreitung von CSR unter kleinen und mittelständischen Unternehmen, 3) Diversität, Konvergenz und Transparenz von CSR-Praktiken und Instrumenten, 4) Entwicklungsaspekte von CSR. Nach der Anhörung von Fallbeispielen im Rahmen der Runden Tische soll das MSF bis Ende Juni 2004 einen Abschlussbericht erarbeiten, der eine Analyse der Diskussionen sowie Schlussfolgerungen und Empfehlungen beinhaltet. Die Kommission wird die Resultate bewerten und gegebenenfalls weitere Schritte zur Förderung von CSR beraten.
Der derzeit sowohl auf EU-Ebene als auch weltweit schwammige CSR-Prozess könnte im Prinzip in drei verschiedene Richtungen gehen: Erstens ein Status quo ohne Konsequenzen und weiterhin nicht viel mehr als ein PR-Instrument bleiben. Die zweite Option wäre, CSR als klarer standardsetzender Prozess, der demokratisch entwickelt und kontrolliert ist. Die Beteiligung bleibt freiwillig, doch die Regeln sind definiert und bindend. Und drittens, wie Friends of the Earth Europe (FoEE) und viele andere es sich wünschen, ein europaweit oder international bindendes Regelwerk für multinationale Unternehmen, das die Rechte von betroffenen Menschen und Gemeinden garantiert und gleichzeitig die Konzerne für ihre Taten weltweit haftbar macht.
Wohin der EU-Prozess letztlich führen wird, steht noch in den Sternen, allein schon aufgrund der anstehenden Nominierung der neuen Kommissare und der Wahlen des EU-Parlaments. Aber so weit sind wir jetzt noch gar nicht. Bisher haben sich die Diskussionen im MSF hauptsächlich um die Regeln des Prozesses selbst und dann um die Art und Auswahl der Fallbeispiele für die Runden Tische gedreht. Ende März sind die verschiedenen Runden Tische abgeschlossen und dann diskutieren alle Stakeholder darüber, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind. Da werden sich möglicherweise die Grenzen dieses Dialogprozesses ganz schnell zeigen.
Abgesehen von einigen gelegentlichen Spannungen hat sich bisher eine interessante Dynamik im MSF gezeigt. Die Vertretung des Privatsektors, einerseits der konservative Verband der Arbeitgeber (UNICE) und andererseits der innovativere Dachverband der CSR-Befürworter (CSR Europe), sind nicht immer im Einklang. Die Konservativen übernehmen die Bremserrolle im Prozess. Sie wollen CSR mehr oder weniger auf den "business-case" begrenzen, d.h. auf Initiativen, die sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken. Die innovativen Vertreter von CSR-Europe sind etwas gemäßigter, weil sie erkannt haben, dass das Konzept von Unternehmensverantwortung sich in verschiedener Hinsicht geschäftlich positiv auswirken kann. Sie scheinen eher zu Kompromissen bereit, weil eine breitere Anerkennung von CSR notwendig ist, wenn die Anstrengungen auch die erwünschten ökonomischen Vorteile einspielen sollen. Gewerkschaften und NGOs liegen meist auf gleicher Linie. Sie wollen, dass der Prozess tatsächlich einen Fortschritt für das Thema Unternehmensverantwortung bringt.
FoEE lehnt CSR als Ersatz für verbindliche Regeln grundsätzlich ab und verlangt von diesem Prozess, dass er sich von Anfang an selbst nur als Zusatzinstrument zu Regulierungen definiert. Das mag zunächst seltsam klingen, doch die Forderung ist nicht einfach aus der Luft gegriffen. Im letzten November bei einem High-Level-Treffen zum EU-CSR-Prozess in Venedig haben einige Politiker klar gesagt, dass Regulierung jetzt ja überhaupt nicht mehr notwendig sei, da sich die Betriebe dank CSR selbst um die Nachhaltigkeit kümmern würden. Den Brüsseler Industrielobbyisten mit ihrer Deregulierungsagenda klingt das natürlich wie Musik in den Ohren.
Für eine Bewertung des Prozesses ist es jetzt noch zu früh, da die entscheidende Phase erst ansteht. Viele der NGOs haben sich nach zahlreichen negativen Erfahrungen mit solchen Dialogen nur halbherzig in dem Prozess engagiert und sind sich nicht sicher, ob es sich hier nur um eine Verhinderungstaktik handelt. Sie haben sich trotzdem darauf eingelassen, weil die EU mit ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht und der großen Zahl von Europäischen Konzernen eine besondere Verantwortung hat, das Thema der Unternehmensverantwortung voran zu bringen. Bisher hat der Prozess sehr viel Zeit und Energie gekostet. Nicht nur deshalb werden sich zumindest die NGOs nicht mit einer halbgaren Version abspeisen lassen.
Frédéric Thoma
Corporate Accountability Campaigner, Friends of the Earth Europe
Das Netzwerk von Friends of the Earth International (FoEI), dessen Deutsche Sektion der BUND ist, kämpft seit Jahren gemeinsam mit vielen anderen NGOs für ein internationales Regelwerk für multinationale Unternehmen.
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