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Menschenrechtsnormen für Global Player

 

Eines der heißesten Themen der diesjährigen UN-Menschenrechtskommission (15. März - 23. April 2004) wird zweifellos die Zukunft der Menschenrechtsnormen für Unternehmen sein.

Obwohl die Normen erst seit August 2003 vorliegen, hat sich bereits einiger Widerstand gegen sie entwickelt, vor allem bei transnationalen Unternehmen und Wirtschaftsverbänden in den USA und in England. Namentlich ist hier die Internationale Handelskammer ICC zu nennen. Mit ihrer hitzigen Anti-Normen-Kampagne will die ICC die Verabschiedung der Normen in der Menschenrechtskommission (MRK) vereiteln. Angeführt wird die Kampagne unter anderen von Shell - dem selbsternannten "Corporate Responsibility Champion". Die Wirtschaftsverbände wehren sich insbesondere gegen den umfassenden Charakter der Normen. Sie bevorzugen freiwillige Verhaltenskodizes, weil diese flexibler sind und es erlauben, eigene Standards zu definieren. Der Widerstand könnte eine positive Auseinandersetzung mit den Normen in der MRK verhindern. Damit würde folglich das ursprüngliche Ziel, die Normen in den nächsten Jahren formell in der MRK zu verabschieden, zum Scheitern gebracht. Eine internationale Allianz von Nichtregierungsorganisationen (NRO), deren Forderungen von Germanwatch unterstützt werden, setzt sich derzeit dafür ein, die Normen nicht in die Agenda der diesjährigen MRK aufzunehmen. Stattdessen soll zunächst eine breite internationale Debatte über die Bedeutung der Normen geführt werden. Dies soll verhindern, dass die Normen vorschnell in der MRK abgelehnt werden.

Stärken des neuen Instruments

Die Stärke der UN-Normen liegt darin, dass sie beschreiben, wie Firmenverhalten aussehen muss, um Menschenrechtsverletzungen durch die Aktivitäten des Unternehmens zu vermeiden.

Unternehmen können Menschenrechte durch ihren Umgang mit den eigenen Angestellten verletzen, aber auch durch die Art wie der Produktionsprozess sich auf Arbeiter, lokale anliegende Gemeinden und die Umwelt auswirkt. Menschenrechtsverletzungen können durch das Sicherheitspersonal der Firmen oder durch die Unterstützung repressiver Regierungen geschehen. Den Regierungen erlauben die Normen, ihre Gesetzgebung zur Regulierung privater Akteure zu überprüfen, um zu erkennen, ob sie ausreichend ist.

Die Notwendigkeit, solche Normen auf internationaler Ebene festzuschreiben, ergibt sich aus der Tatsache der wirtschaftlichen Globalisierung.

Das explosionsartige Wachstum im grenzüberschreitenden Austausch von Waren und Dienstleistungen sowie an grenzüberschreitenden Investitionen hat dazu geführt, dass insbesondere die Macht transnationaler Konzerne gewachsen ist. Nationale Regulierungskapazitäten, gerade schwächerer Staaten, haben dagegen abgenommen. Wirtschaftlich einflussreiche Akteure können nationale Politik beeinflussen und dabei auf die Menschenrechte einwirken. International verankerte und anerkannte Normen für die Aktivitäten von Unternehmen können Staaten helfen, zumindest solche Mindeststandards auf nationaler Ebene zu verankern, indem sie einen internationalen Referenzrahmen bieten. Langfristig könnten die UN-Normen zu internationalen Mindeststandards führen, die helfen, einen Abwärtstrend in der Regulierung von Unternehmensverhalten zu verhindern.

Einige Details der UN-Normen

Formell handelt es sich bei den UN-Normen nicht um einen völkerrechtlich bindenden Vertrag, sondern um sogenanntes "soft law". Dennoch haben auch solche "weichen" Instrumente im Völkerrecht eine wichtige Funktion. Auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist ein solches "soft law"-Dokument. Wichtig an den UN-Normen ist, dass die aufgenommenen Normen auf den Texten der internationalen Menschenrechtspakte beruhen und dass diese auf Unternehmen angewandt werden. Die besondere Funktion der Normen ist deshalb eine Norm festschreibende. Dies ist angesichts der zunehmenden Vielfalt an Normen in den freiwilligen Verhaltenskodizes von Unternehmen ausgesprochen wichtig. Der Text der UN-Normen macht zweifelsfrei deutlich, dass Firmen nicht grundsätzlich für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden sollen. Die Gültigkeit der Normen ist begrenzt auf Auswirkungen von Unternehmensaktivitäten und den Einfluss des Unternehmens. Sie heben nicht die menschenrechtlichen Verpflichtungen von Regierungen auf.

Die unterschiedlichen Auswirkungen, die Unternehmensaktivitäten haben können, werden konkret benannt: Von Rechten der Arbeiter, über die Sicherheitskräfte des Betriebs, Nicht-Diskriminierungsbestimmungen, Korruption, Verbraucherschutz, bis hin zur Achtung der sozialen Rechte von Umlandgemeinden beispielsweise bei Trinkwasserverschmutzung und Zerstörung von Böden. Die Firmen werden aufgefordert, die Rechte indigener Völker zu achten und sicherzustellen, dass sie nicht direkt oder indirekt zu unrechtmäßigem Staatenverhalten beitragen, sei es zu Friedenszeiten oder auch in Bürgerkriegssituationen.

Mit den UN-Normen für Unternehmen ist der Unterkommission für Menschenrechte ein umfassendes und qualitativ hochwertiges Dokument gelungen, das langfristig zu einem normativen Referenzdokument für verantwortliches Wirtschaften werden könnte. Eine Stärke der Normen ist dabei, dass sie nicht nur den Umgang von Unternehmen mit ihren eigenen Arbeitern erfassen, sondern die Gesamtauswirkungen unternehmerischer Tätigkeit in den Blick nehmen. Die UN-Normen sollten daher in einem der kommenden Jahre die formelle Zustimmung der MRK erhalten.

Zivilgesellschaftliche Organisationen sollten den Text nachhaltig unterstützen und seine Verankerung auf der nationalen wie internationalen Ebene einfordern. Die UN-Normen können von zivilgesellschaftlichen Gruppen in Unternehmensdialogen jetzt schon eingefordert und für die Erarbeitung von freiwilligen Verhaltenskodizes herangezogen werden. Völkerrecht entsteht nicht nur durch internationale Normsetzung, sondern auch durch die Praxis der faktischen Anerkennung von Normen.

Michael Windfuhr
 

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