Gegen Klima-Fatalismus und Innovationsverweigerung!

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Gegen Klima-Fatalismus und Innovationsverweigerung!

Weniger als 2 Grad – die Messlatte für den Erfolg von G8- und EU-Gipfel

 

Das Jahr 2007 könnte zum heißesten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen werden. Auch politisch wird es heiß. In wenigen Tagen kommt es in der EU zum Schwur: Machen die EU-Regierungschefs am 8. und 9. März den Weg frei für ein ehrgeiziges Klimaschutzpaket? Die Umweltminister der EU haben vor wenigen Tagen entschieden, dass sich die EU verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 20 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren; wenn andere Staaten sich auch zu engagiertem Klimaschutz verpflichten sogar 30 Prozent. Außerdem schlägt die Kommission vor, bis 2020 Energiesparpotenziale von 20 Prozent verbindlich zu nutzen. Darüber hinaus - trotz des allzu vagen Statements der EU-Energieminister - gilt es, den Anteil von Erneuerbaren Energien am EU-Energieverbrauch verbindlich auf 20 Prozent zu erhöhen. Das EU-Parlament hat jüngst sogar auf ein einseitig festgelegtes, verbindliches Treibhausgas-Minderungsziel von 30 Prozent gedrängt. Wenn möglich, sollte das Paket in dieser Hinsicht nachgebessert werden. Ansonsten geht es aber darum, das Gesamtpaket durchzusetzen. Es wäre ein Meilenstein und ein verheißungsvoller Auftakt für das vermutlich bisher spannendste Klimajahr.

Gemeinsames Verhandlungsmandat der Industrie- und Schwellenländer?

Ende April geht es dann auf einem transatlantischen EU-US-Gipfel darum, den Druck auf die USA für eine gemeinsame Strategie zu erhöhen, die Klimaerwärmung auf global weniger als 2 Grad zu begrenzen. Ein ehrgeiziges Technologieprogramm für Energieeffizienz und Erneuerbare Energien soll auf den Weg gebracht werden. Die Ergebnisse werden - neben dem Ergebnis des EU-Gipfels - als zweite Vorlage für den G8-Gipfel dienen.

Anfang Juni kommen dann die G8-Regierungschefs mit denen der fünf großen Schwellenländer zusammen. Die Diskussion von drei zentralen Klima-Fragestellungen steht auf dem Programm: Wird es eine groß angelegte Initiative geben, um mit nachprüfbaren Zielen Klimaschutz und Versorgungssicherheit durch Energieeffizienz - etwa im Gebäude- und Autobereich - in Industrie- und Schwellenländern voranzubringen? Gelingt es, gemeinsam die Grundlage für ein substanzielles Verhandlungsmandat für den Klimagipfel in Indonesien auf dem Weg zum 2-Grad-Limit zu legen, um bis 2009 zu einem wegweisenden "Kyoto II" sowie zu einer stringenten Weiterentwicklung des internationalen Emissionshandels zu kommen? Und kann die Tür aufgestoßen werden, um besonders Afrika, den jetzt schon am heftigsten vom Klimawandel betroffenen Kontinent, bei der Anpassung vor allem an Dürren und Wassernot zu unterstützen?

Nach dem G8-Gipfel wird man abschätzen können, ob auch eine UN-Sondergeneralversammlung sinnvoll ist, wie sie der neue UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ins Gespräch brachte. Im Dezember findet dann in Indonesien, das gerade verheerende Monsun-Überschwemmungen erlebte, der nächste Klimagipfel statt. Wichtig ist, dass hier nicht nur die Umweltminister auftreten, sondern dass dieser zur Chefsache wird. Frau Merkel als dann noch amtierende G8-Präsidentin ist hier gefragt. Denn es geht darum, tatsächlich ein Verhandlungsmandat durchzusetzen, das bis 2009 zu einem internationalen Abkommen führt, das weit über das bisherige Schneckenrennen der Klimadiplomatie hinausführt.

Filzpantoffeln durch Sieben-Meilenstiefel ersetzen

Seit dem Anfang Februar vorgelegten neuesten Bericht des Weltklimarates (IPCC) ist die wissenschaftliche Debatte, ob der Mensch Hauptverursacher des globalen Klimawandels ist, beendet. Jetzt wird weltweit um den Einstieg in ernsthaften Klimaschutz gerungen. Es gilt auch für die EU, Filzpantoffeln durch Sieben-Meilenstiefel zu ersetzen, will sie an der Spitze der bevorstehenden Technologie-Revolution stehen und davon profitieren. Das ruft Widerstände bei einigen Interessengruppen hervor, die zwei Jahrzehnte verschlafen haben, in denen sie ihre Industrie auf den notwendigen Kurswechsel hätten einstellen können. Sie offenbaren sich derzeit als Innovationsverweigerer. Fallbeispiel Auto: Die Chefs der deutschen Autokonzerne behaupten, dass sie nicht dazu in der Lage seien, Sprit sparende Autos zu bauen, wie zunächst von der EU gefordert. Ihr letztes, fadenscheiniges Argument: Die VerbraucherInnen wollen diese Autos nicht. Zögerer und Zauderer in der deutschen Politik verschanzen sich hinter der Befürchtung, dass die WählerInnen nicht mitziehen würden.

Jeder Beitrag zählt

Jetzt bedarf es eines Aufstandes der Anständigen, um den Bremsern in Politik und Wirtschaft den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Die Größe des Risikos steigt mit jedem Grad, mit jedem Zehntel Grad Temperaturanstieg. Bei dichtem Nebel fahren wir auf eine Reihe von Klimaabgründen zu. Der Bremsweg ist lang. Umso mehr kommt es jetzt darauf an, endlich auf die Bremse zu treten. Wir stehen an einer Weggabelung - und solche Kipp-Punkte sind die Glanzstunde der Demokratie. Jetzt kommt es auf jede Stimme in Europa an, politisch und beim Konsumentscheid gegen Klima-Fatalismus und die Innovationsverweigerer. Auch Sie können einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, z.B. indem Sie sich an unseren Aktionen - dem Appell an die Deutsche Bundesregierung und dem Wechsel zu Ökostrom - beteiligen (siehe Aktion).

Christoph Bals und Sven Harmeling
Christoph Bals ist Politischer Geschäftsführer, Sven Harmeling ist Referent für Klima und Entwicklung von Germanwatch.
 

 

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