"Gesundheitsprüfung" der EU-Agrarpolitik

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"Gesundheitsprüfung" der EU-Agrarpolitik

Vorschlag der EU-Kommission birgt beträchtliche entwicklungspolitische Risiken

 

Fünf Jahre nach der grundlegenden Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU diskutieren Kommission und Mitgliedsstaaten im Rahmen eines Health Checks, also einer "Gesundheitsprüfung", erste Änderungen an den bestehenden Regeln. Dazu veröffentlichte die Kommission Ende November 2007 ein Diskussionspapier. Nach Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten wird sie Ende Mai konkrete Vorschläge für Veränderungen machen. Im November soll dann entschieden werden, welche davon verabschiedet werden.

Der Schwerpunkt der Kommissionsvorschläge liegt auf einer Vereinfachung und moderaten Umverteilung der Direktzahlungen, also direkter Einkommenszahlungen, an Agrarbetriebe und Bauern. Sie bilden die sogenannte erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik und machen mit etwa 40 Milliarden Euro den weitaus größten Teil der Agrarausgaben aus. Große Betriebe profitieren am meisten davon, da die Direktzahlungen an die bewirtschaftete Fläche gekoppelt sind. Daneben können - nach Bedarf - noch bis zu drei Milliarden Euro Exportsubventionen ausgegeben werden. Diese sind immerhin erheblich gesenkt worden. Etwa zehn Milliarden Euro stehen in der sogenannten zweiten Säule zur Verfügung, die ein breites Spektrum von Maßnahmen wie Investitionsbeihilfen, Agrarumweltprogramme und Förderung von ländlicher Entwicklung umfasst.

Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass alle Direktzahlungen um acht Prozent gekürzt  und die so eingesparten Mittel im Zuge der sogenannten "Modulation" in die zweite Säule umgeschichtet werden. Die Kürzung soll nach Vorstellungen der Kommission für Betriebe, die besonders hohe Zahlungen erhalten, stärker ausfallen. Zudem soll bis 2015 die Milch-Quote abgeschafft werden, die bisher die Überproduktion in der EU begrenzte. Den starken Rückgang der Einkommen, der viele Milchbetriebe zum Aufgeben zwang, konnte und sollte sie aber nicht verhindern. Bis 2015 sollen die Produktionsobergrenzen schrittweise angehoben werden, damit "wettbewerbsfähige" Betriebe ihre Produktion steigern können. Wie dagegen die Milchwirtschaft in ökologisch wertvollen, aber kaum wettbwerbsfähigen Regionen erhalten werden soll, bleibt unklar.

Während die Kommission durch die Umverteilung der Direktzahlungen immerhin kleine Schritte in Richtung einer sinnvolleren Verteilung der Gelder unternimmt, wird eine weitere Verringerung oder gar Abschaffung der Exportsubventionen, die vor allem im Milchsektor nach wie vor ein Problem darstellen, nicht angedacht. Dies ist um so erstaunlicher, da die EU schon 2005 auf der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Hongkong versprochen hatte, alle Exportsubventionen bis 2013 ganz abzuschaffen und bis dahin spürbar zu reduzieren. Bedingung war allerdings, dass die Doha-Runde der WTO vorher abgeschlossen wird. Doch daran scheint die Kommission angesichts der festgefahrenen WTO-Verhandlungen nun selbst nicht mehr zu glauben.

Entwicklungspolitisch bietet dieses Szenario beträchtliche Risiken. Die Kommission rechtfertigt das Ende der Milchquote ausdrücklich mit den Exportinteressen der Milchindustrie. Doch das dürfte dazu führen, dass überschüssige Milch zu Schleuderpreisen exportiert wird und in anderen Ländern die Milchbauern vom Markt verdrängt. Auch die in der zweiten Säule vorgesehenen Investitionsbeihilfen kommen häufig exportorientierten Großbetrieben zu Gute. Damit würden diese Betriebe mit öffentlichen Geldern darin unterstützt, ihre Position auf den Weltmärkten auszubauen. Und bei einem Einbruch der Weltmarktpreise könnte die EU dann erneut und verstärkt auf Exportsubventionen zurückgreifen. Am Beispiel Schweinefleisch lässt sich dies bereits beobachten: Der EU-Markt ist seit langem liberalisiert, trotzdem zahlt die EU seit letztem Jahr wieder Exportsubventionen, um einem Einbruch der internen Preise entgegenzuwirken.

Tobias Reichert

 

 

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